Die Bundestagswahl am vergangenen Sonntag hat nochmals deutlich gezeigt: Die Generationenfrage schafft eine immer größere Kluft zwischen wenigen Jungwähler:innen und vielen Altwähler:innen. Die Absenkung des Wahlalters könnte ein gutes Mittel für mehr Generationen- und Jugendgerechtigkeit sein.
Bastian Bohl und Dominik Hafner (DBJR)
Die deutsche Bevölkerung wird immer älter. Im Jahr 2020 betrug der Anteil der Deutschen unter 18 Jahren ca. 16,5%. Die Folge: Immer weniger junge Menschen, die den sogenannten „Generationenvertrag“ erfüllen können. Gleichzeitig werden die Jüngeren vielerorts von politischer Teilhabe ausgeschlossen. So sind Minderjährige nach wie vor von den Bundestagswahlen ausgeschlossen. „Trotz guter Bemühungen für jugendgerechte Beteiligung durch Kommunen sind verbindliche Teilhabemechanismen noch nicht zufriedenstellend eingerichtet“, bilanzierte beispielsweise zu Recht der BDKJ-Bundesverband im Vorfeld der Bundestagswahl 2021.
Schlechte Noten für die Bundespolitik – Wahlalter-Senkung ausgebremst
In der letzten Legislaturperiode erhielt die Forderung nach mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder- und Jugendliche einen herben Dämpfer. Obwohl die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz Bestandteil des Koalitionsvertrages war, ist diese dennoch im Deutschen Bundestag gescheitert. Ein Armutszeugnis!
Die „Koordinierungsstelle für jugendgerechtes Handeln“ hat einen 16 Schritte-Plan zu mehr Jugendgerechtigkeit erstellt, indem auch die Absenkung des Wahlalters genannt wird. Bei den Kommunalwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland, Nordrhein-Westfalen, ist das Wahlalter bereits auf 16 Jahren abgesenkt worden. Mit Erfolg: Nicht nur die Zahl der Erstwähler:innen stieg, auch die Themen, die junge Menschen bewegen, wie Bildung, Mobilität und Digitalisierung, rückten stärker in den Fokus des Wahlkampfes.
Trotz der positiven Erfahrungen in NRW blieb bei den letzten Europa- und Bundestagswahlen das Wahlalter bei 18 Jahren „zementiert“, da die GroKo den Vorschlag des Deutschen Bundesjugendringes (DBJR) zur Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre ausbremste. Wahrscheinlich aus Machtkalkül; belegte doch die Bundestagswahl 2021, dass Jung- und Erstwähler:innen am meisten Grüne und FDP gewählt haben, nicht aber SPD und CDU. Auch bei für junge Generationen wichtigen Fragen, nämlich welche Partei die besten Konzepte für die Zukunft hat, liegen die Grünen vorne, dieses Mal gefolgt von der SPD.
Jugendliche müssen angemessen beteiligt werden
Jugendgerechtigkeit bedeutet nichts anderes, als die Interessen junger Menschen in den Fokus zu rücken, sie ernst zu nehmen und nicht ins Jugendministerium abzuschieben, sondern als Querschnittsthema in allen Politikfeldern zu berücksichtigen.
Der viel zitierten „Politikmüdigkeit“, die als Gegenargument für mehr Beteiligung der jungen Generationen benannt wurde, hat nicht nur die „Fridays-for-Future“-Bewegung den Wind aus den Segeln genommen. Auch in den katholischen und anderen Jugendverbänden zeigt sich an vielen Stellen, dass junge Menschen unter 27 Jahren sehr wohl wissen, was sie wollen und dass sie sich dafür aktiv einsetzen. Und zwar nicht, um freitags Schule schwänzen zu können, wie eine Lehrer:innen-Gewerkschaft kritisiert, sondern weil sie der aktuellen Politik nicht zutrauen, die notwendigen Schritte z.B. zur Einhaltung des 1,5 Grad–Ziels umzusetzen. Dies belegte nicht zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum Klimaschutz.
Die jungen Generationen sind diejenigen, die am längsten mit den politischen Entscheidungen der Bundesregierung und des Bundestages leben müssen. Doch sie haben aktuell nur einen Anteil von ca. fünf Prozent an der Wähler:innenschaft, die Generationen „60+“ dagegen etwa 40 Prozent.
Es wird Zeit, das Thema Jugendgerechtigkeit ernst zu nehmen und das Wahlalter auch bei den Wahlen zum Bundestag auf mindestens 16 Jahre zu senken! Ansonsten droht eine ganze Generation von der politischen Teilhabe ausgegrenzt zu werden.
Lesen Sie zu diesem Thema auch:
Die Politik ist jugendverdrossen (kath.de-Kommentar von Matthias A. Schmidt vom 9. Juli 2021)
Demokratie braucht Wahlkampf (explizit.net-Beitrag von Eckhard Bieger vom 1. Oktober 2021)
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