Wenn der Wahlkampf keine Themen hat bzw. alle das Gleiche wollen müssen, dann werden die tieferen Antriebe deutlicher. Denn Klimawandel und Digitalisierung wie auch mehr Vorsicht mit dem Schuldenmachen sind „alternativlos“. Kain und Abel u.a. Mythen beschreiben besser als Politologen und Journalisten, welche Konflikte gerade wieder vor unseren Augen aufgeführt werden. Ganz ohne Mythos agiert die CDU, sie spiegelt die Inhaltslosigkeit der Kirchen.
Fernand Cormon: Kain auf der Flucht vor Jahwes Fluch (Public domain, via Wikimedia Commons)
Von den Kandidaten hat wohl niemand den Spürsinn eines Donald Trumps, einen tiefer liegenden Nerv zu treffen. Er hat Weiße und People of Color gegeneinander ausgespielt, indem er den Weißen versprochen hat, dass sie mit ihm ihre dominierende Stellung behalten werden. Die Republikaner, gegründet als Partei zur Sklavenbefreiung, hatten dann auch keinen Nicht-Weißen in der Mannschaft. Warum wählen dann aber die Evangelikalen einen Kandidaten bar jeder moralischen Richtschnur: Nicht anders als die Russen Putin, wählen sie den, der die herausgehobene Rolle ihres Landes verkörpert. Für die Evangelikalen sind die USA das ihnen von Gott geschenkte Land. So haben sie den Mythos „Israel“ auf sich bezogen. Wie für die Nachkommen Jakobs Unterdrückung und die Unmöglichkeit, ihren Gott in Ägypten zu verehren, war für die ersten Auswanderer, Holländer und Engländer, der Auszug aus Europa, wo sie wegen ihrer Konfession unterdrückt oder sogar verfolgt wurden, die Befreiung. Erst die Iren, Italiener und Deutschen kamen aus wirtschaftlichen Gründen. In Bolivien ist übrigens dasselbe geschehen wie in den USA. Der indigene Präsident Morales hatte wie Obama die bisher benachteiligten und unterdrückten Bevölkerungsgruppen des Landes in die Gleichberechtigung geführt. Nach zwei Amtszeiten machen das jetzt die Nachkommen der europäischen Einwanderer rückgängig.
Die AfD ohne mythische Gewalt
Im Vergleich erscheint die AfD wie ein Krawallhaufen, der den Mythos von der besonderen Rolle Deutschlands in der von Hitler postulierten Vorsehung nicht reaktivieren kann. Raus aus der EU, um das eigene Volk wieder zu der machtvollen Nation zu machen, funktioniert in England, nicht in Deutschland. Die Ursprungsidee, „Raus aus dem Euro“, war auch zu schwach. Die DM stand nicht für militärische Überlegenheit, sondern für den Erfolg des Maschinenbaus und der Autoindustrie. Diese begründen sehr gut das deutsche Selbstbewusstsein innerhalb der EU. Aber was kann eine nationale Partei überhaupt ausrichten, wenn die Nationalmannschaft kläglich scheitert und die Athleten bei der Olympiade „unter ferner liefen? Im Vergleich zu den USA kann man für Deutschland gelassen bleiben – der AfD, die keine überzeugenden politischen Ziele vorzeigen kann, fehlt der kräftige Mythos. Wer hat ihn aber:
Die Grünen sind weichgespült
Den Grünen fehlt es an apokalyptischer Raserei. Sie versprechen ökologisch abgefederten Wohlstand. Man kann also weiter Auto fahren, zu Weihnachten Erdbeeren essen und sich in ein ausgebautes Gesundheitssystem fallen lassen. Fliegen geht auch wieder, wenn die Wasserstofftechnik ausgereift ist. Dann die Kosmetik des eigenen Lebenslaufes und der Versuch, aus dem Zettelkasten für die nicht fertiggestellte Doktorarbeit schnell noch ein Buch zu machen, um wer zu sein. Da sucht eine Kandidatin akademische Unterfütterung für fehlendes politisches Selbstvertrauen. Wer hat den österreichischen Jung-Kanzler je nach seinen akademischen Leistungen gefragt? Dass die Grünen ihren Zenit überschritten haben, wird an der Distanz, die die Greta-Generation auch zu dieser Partei wahrt, deutlich.
Zur FDP fällt einem nicht viel ein
Sie war, als sie SPD oder CDU das Regieren ermöglichte, nur das Korrektiv, mit dem die Wähler die Herrschaft nur einer Partei verhinderten.
Die Linken beten allenfalls noch den deutschen Mythos nach
Als wäre die deutsche Wirtschaft durch die Globalisierung nicht extrem gefordert, als müsste der ökologische Umbau nicht finanziert werden und würde Putin für den militärischen Schutz der postsowjetischen, unabhängig gewordenen Länder stehen, wird eine Art Schweiz verspochen, ohne die Finanzierungsstrategie dieses Landes einzubeziehen. Die beruht doch darauf, dass der Finanzplatz Zürich die Gelder verlässlich verwaltet, die korrupte Politiker in ihrem Land nicht in Sicherheit wissen.
Wie Kain und Abel
Dann zum Kern Konflikt, der einzig diesen Wahlkampf spannend macht: Die Strategie der SPD scheint aufzugehen, nämlich den unschuldigen Abel „Armin“ kleinzukriegen. Bereits nach dem Wahlerfolg der CDU in Sachsen-Anhalt hatte die Parteizentrale der SPD als Hauptgegner die CDU ausgemacht. Hier wirkt der Brudermythos unmittelbar, den die Bibel an den Figuren Kain und Abel aufzeigt. In der Großen Koalition an die CDU gekettet, konnte die SPD ihre Forderungen in Form von Sozialleistungen durchsetzen. Belohnt haben die Wähler das nicht. Der Mythos erklärt die Bedrohung durch den Bruder damit, dass Gott das Opfer Kains nicht angenommen hat. Das Wahlvolk als Stimme Gottes nimmt das Opfer der CDU an, das der SPD bisher nicht. Der Mythos, der die Grundzüge menschlichen Verhaltens bildhaft darstellt, wiederholt sich trotz allen ethischen Überbaus und des moralischen Vorsprungs, den die SPD für sich beansprucht. Der aus Rivalität entsprungene Neid wird zur starken Antriebskraft. Zwar erliegen SPD-Politiker kaum den Verlockungen des Geldes, jedoch räumen sie die Verpflichtung zur Solidarität beiseite, wenn es um Macht und Einfluss geht. Anders als eine Kanzlerin der CDU kann ein SPD-Kanzler nicht mit der Unterstützung durch seine Partei rechnen. Was erwartet aber den erfolgreichen Kandidaten: Er wird, wie vorher andere erfolgreiche Politiker der SPD, als Person und nicht wegen der Partei gewählt. Die Partei wird dann den Wahlerfolg für sich beanspruchen und den Kandidaten nicht das machen lassen, weswegen er gewählt wurde. Eine wankelmütige Partei des Kanzlers wird die Rivalitäten zwischen den anderen Parteien einer möglichen Koalition nicht bändigen. Ob Scholz dem Schicksal von Brandt, Schmidt, Schröder und den zwischenzeitlichen Regenten Björn Engholm, Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine, Franz Müntefering, Matthias Platzeck, Kurt Beck, Martin Schulz, Andrea Nahles, Sigmar Gabriel entgehen wird?
CDU und die inhaltliche Leere der Kirchen
Die CDU bemüht seit jeher keinen Mythos. Sie hat ein Werteprofil und eine Vorstellung von menschlichem Zusammenleben, mit denen sie anstehende Probleme löst. Sie nennt sich auch nicht Partei, sondern Union, weil sie davon ausgeht, dass alle sich bei ihrem wertorientierten Pragmatismus einfinden können. Jedoch funktioniert das auch nicht mehr so einfach. Wie die SPD Wähler an die Linke verloren hat, so die CDU an die Grünen, ablesbar an den Wahlen in Baden-Württemberg. Da war die CDU zu lange Partner der Industrie. Vor allem die jungen Familien haben sie nicht mehr als Anwalt ihrer Kinder erlebt. Diese Wähler gewinnt sie mit ihrem wenig profilierten Programm nicht zurück. Diese Inhaltslosigkeit könnte auch an den ihr vorgelagerten Verbänden und Kirchen liegen. Vor allem die Selbst-Strangulierung der katholischen Kirche könnte auf die katholische Führungsriege Laschet, Kramp-Karrenbauer, Merz zurückschlagen. Konnten die Adenauerregierungen noch mit der Katholischen Soziallehre das Eigenheim und den Mittelstand fördern und so eine stabile Wählerschaft an sich binden, fehlt es nicht an neuen Ideen, sondern daran, aus Ideen Politik zu machen. Die von vielen Seiten anerkannten päpstlichen Lehrschreiben wurden wohl von den ökologisch orientierten Wählern eher gelesen, als von den Akademien der Partei und der katholischen Kirche in Politik „gegossen“. Als der Kanzlerkandidat den Kohleausstieg für NRW zeitlich nach vorne zog, hätten die SPD und die Grünen daraus ein Ereignis inszeniert, die CDU nahm es hin wie den Regen dieses Sommers. Wenn die Analyse zutrifft, wäre der Protestant Söder der geeignetere Kandidat gewesen. Trotzdem sollte die Union die Ressourcen des Christlichen für die Partei aktivieren. Es gibt genug Christen, die der Lethargie der Kirchenbänke entfliehen wollen und für Zukunftsthemen nicht nur ansprechbar sind, sondern sich auch einsetzen wollen.
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