Trumps Deal für die Ukraine schafft keine Friedensordnung

Es war schon lange dringend, den Stellungskrieg zwischen den Brudervölkern der RUS zu beenden. Hier hat Trump ausnahmsweise recht. Sein Deal schafft jedoch keine Friedensordnung, sondern bietet nur Putin die Chance, neue Waffen für den nächsten Krieg zu schmieden.

Rogier Hoekstra / pixabay

In den USA endet eine Epoche

Mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung, mehr Kreativität. Das sind – unter der Überschrift „Demokratie“ – Exportartikel der USA gewesen. Deshalb hat das Land die zu einem eigenen Staat werdende Ukraine viel entschlossener unterstützt als die EU. Deutschland war mit Schröder und der „Nord Stream“-Pipeline eher auf seiten Russlands. Mit Trump endet hier eine Epoche.

Die Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs standen unter den Zielen „Entwicklung der Gesellschaft“, „Aufbau demokratischer Strukturen“, „Überwindung der Korruption“, also Evolution. Die andere Seite, der wirtschaftliche Aufschwung durch freies Unternehmertum, brauchte seine Zeit. Die Neunzigerjahre waren eine lange Durststrecke, vor allem für die Rentner, die mit 200 Euro im Monat ihren Lebensunterhalt bestreiten mussten. Die Menschen haben das in Kauf genommen, weil sie am Westen ablesen konnten, dass dessen Wirtschaftsform zu mehr Wohlstand führt als die kommunistische Planwirtschaft.

Eine evolutionäre Entwicklung war auch die Globalisierung. Es gab nicht mehr den Bereich der Planwirtschaft und den anderen des freien Unternehmertums, sondern beide waren zu einem weltweiten Markt zusammengewachsen. China fügte sich sehr erfolgreich in den Welthandel ein. Russland brauchte sich nicht anzustrengen, denn es verkaufte seine Rohstoffe und holte westliche Firmen ins Land, die die Bevölkerung mit besseren Produkten versorgten. Das Kaufhaus GUM gegenüber dem Kreml bot nur westliche Uhren, Schuhe, Fotoapparate u. a. an. Die Technik zur Erschließung der Gas- und Ölvorräte brauchte Russland ebenso wenig zu entwickeln. Nicht nur die Oligarchen finden Westeuropa attraktiver als die russischen Ferienorte.

Hier liegt der Kern des Problems. Russland kann nicht Mitglied der EU werden, ohne seinen Anspruch zu verlieren, eine Großmacht zu sein. Auch ohne die Ukraine ist das nicht möglich. Um seine Identität zurückzugewinnen, muss es sich vom Westen unterscheiden. Dazu dient ihm der große asiatische Landesteil. Aber dort leben nur etwa 18 Millionen der 143 Millionen Russen. Es geht um die Regionen Moskau und St. Petersburg, ob sich die Menschen dort nach Westeuropa oder nach Osten orientieren.

Der Ukrainekrieg wird gegen den Westen geführt

Evolution ist für den Homo sapiensdie Entwicklung der Freiheit, zuerst in Europa und dann entschiedener in der Neuen Welt. Die 13 Kolonien sagten sich von England los, um ihren eigenen Staat zu gründen. Diese Union erweiterte sich nach Westen, bis die Siedler die pazifische Küste erreichten. Die neuen Staaten installierten jeweils eigene Parlamente und schlossen sich der Union an. Diese Staaten führten nicht wie die in Europa Krieg gegeneinander, mit Ausnahme des Bürgerkrieges zwischen Nord und Süd. In diesem ging es um die Abschaffung der Sklaverei.

Bei dieser Frage stockt die Evolution in der amerikanischen Staatengemeinschaft. Die Rassenfrage liegt unter den Themen Inflation, Migration, Abtreibung, die im Wahlkampf öffentlich verhandelt wurden. Trump hat nämlich den weißen, männlichen Wählern versprochen, dass sie die bestimmende Volksgruppe bleiben. Er wurde von um die 70 % der weißen Bevölkerung gewählt. Um dieses nicht öffentliche Versprechen einzulösen, muss Donald Trump die Ausweisung von Migranten wirklich durchführen. Die Entwicklung für mehr Austausch, für Anerkennung aller als Bürger eines Rechtsstaates, für einen geringeren Abstand zwischen Reichen und Armee, für die tieferliegenden Probleme des Landes, gibt es kein Programm. Deshalb und weil Trump finanziell von Russland unterstützt wurde, als sein Immobiliengeschäft auf Grund gelaufen war, exportiert die von den Amerikanern gewählte Regierung nicht mehr die Demokratie, sondern die bereits überwundene Konzeption einer autoritären Lenkung der Gesellschaft. Sie soll auch der Ukraine aufgezwungen werden. Grönland und Panama gleich mit. Eigentlich hatte die Union in der Neuen Welt diese Stufe der Evolution überwunden, wozu Europa noch zwei Jahrhunderte brauchte, eine Union von Staaten zu gründen, die nicht gegen-einander Krieg führen, sondern sich zu einem Wirtschaftsraum zusammenzuschließen.

Deutschland brauchte dafür auch sehr lange. Der siebenjährige Krieg Friedrichs des Großen zur Einverleibung Sachsens setze sich in den Kriegen Bismarcks gegen Dänemark und Österreich fort. Die Etablierung des Deutschen Reiches unter preußischer Herrschaft war nicht wie die USA ein freiwilligerZusammenschluss, sondern die Staaten, die Preußen sich nicht einverleibt hatte, sich diesem größten Staat anschlossen, so die Königreiche Sachsen, Württemberg und Bayern. Es war ein Reich, das von Preußen dominiert wurde. Es endete mit einem Krieg, dem Ersten Weltkrieg. Es brauchte einen Zweiten Weltkrieg, bis die Deutschen zur Einsicht kamen, wie viel günstiger es für ihr Land ist, Mitglied im europäischen Staatenbund zu werden, einer Union, die wie die amerikanische keine Zollschranken hochziehen würde. Wenn Russland und die USA sich nicht in Genf, sondern in dem autoritär regierten Saudi-Arabien treffen, dann sitzt kein Demokrat einem Despoten gegenüber. Letzterer gebietet in der russischen Föderation auch über einen Verbund ohne Zollschranken. Sie ist in 85 Gebietseinheiten gegliedert. 24 dieser Gebiete haben eine eigene Verfassung und ein Parlament. Jedoch sind die Teilrepubliken, die autonomen Gebiete und Oblaste alle dem Präsidenten direkt unterstellt.

Entwicklung zurückgeschraubt

In dieses Zurück passt die Ukraine nicht. Der Krieg Russlands gegen dieses Land war aus der Sicht Moskaus unumgänglich. Denn es würde in der Ukraine dieselbe Dynamik entstehen wie vor 35 Jahren in Polen, die das Sowjetreich zum Untergang führte. Wenn die Idee der Freiheit immer mehr die Gesellschaft der Ukraine formt, springt dieser Gedanke auf die nachwachsenden Generationen in Russland über. In Trump hat Putin den Verbündeten gefunden, der die nach Westen orientierte jüngere Generation bei Russland hält. Zumal Trump die USA von ihren Wurzeln loslösen will. Er findet, allerdings wie Putin, keinen gefügigen Patriarchen, denn die amerikanische Union hat viele kleine Kirchen gegründet. Die Trennung von Staat und Kirche kann Trump nicht abschaffen. Es wären seine Wähler, denen er vor den Kopf stoßen würde. Eine Paradoxie.

Steht die Evolution still?

Kommt es zur Unterwerfung der Menschen, die die Freiheit erlebt haben? Wird damit auch die weitere Entwicklung endgültig in Fesseln gelegt?

Ein näherer Blick auf die Evolution zeigt, dass sie auf Höherentwicklung programmiert ist. Es haben nicht die übergroßen Saurier überlebt, die Gehirne sind gewachsen. Obwohl der Mensch den meisten Raubtieren körperlich unterlegen ist, kann er mithilfe seines Gehirns der Gefahr entkommen. Sein Hirn braucht er dringend für die Gefahren heute. Wer vor der ökologischen Herausforderung kapituliert, indem er sie leugnet, wird die Folgeschäden nicht zahlen können. Wer sein Land so wie Trump spaltet, wird Krisen kaum oder gar nicht bewältigen. Wer Europa verurteilt, um mit Putin einen Deal zu machen, wird hohe Folgekosten allein stemmen müssen.

Die Kirchen im Westen denken weiter

J.D. Vance, der neue US-Vizepräsident, der zum Katholizismus konvertiert ist, sollte die Enzykliken des Papstes als Zukunftsvision verstehen. Fratelli tutti wäre mit den US Bürgern umzusetzen, die zu großzügigen Spenden bereit sind und sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen. Wenn eine US-Regierung diese Gedanken aufgreifen würde, könnte sie den Militäretat reduzieren. Über Laudato si über Ökologie und Artensterben würden das Land freundlicher machen und seine Schönheit erhalten, für die Überwindung der Distanz zwischen den Rassen ist die Katholische Kirche eine gute Wegbegleiterin. Nicht unbedingt in den Vereinigten Staaten, aber weltweit ist sie eine Kirche der Völker. Die Vereinigten Staaten standen einmal für mehr Demokratie, mehr Freiheit, für Kreativität. Wenn dieses Bild zerstört wird, dann wird sich die Welt ganz neu ordnen. Auf jeden Fall hat China dann freie Bahn, die USA behielten nur mit Europa ein gleich großes Gewicht. Wie aber mit Russland?

Die Achillesverse

Präsident Trump braucht für sein hochverschuldetes Land das Vertrauen der anderen Länder. Bei 36 Billionen, nicht 36 Milliarden, Schulden kann bei seinem brachialen Vorgehen das Vertrauen bröckeln. Dann wird es richtig teuer, wenn das Vertrauen in den Dollar Risse bekommt. Zu der Wirksamkeit der Zölle und der Erosion der Staatsidee folgen weitere Beiträge.

Ein Kommentar von Eckhard Bieger SJ