Verschwörungsgläubige: Regiert eine böse Kraft die Welt?

Millionen Menschen vermuten hinter Corona, der Abwahl Donald Trumps und sogar bei den Geldgebern für die Entwicklung des Impfstoffes eine zerstörerische Macht. Verschwörung heißt ja, dass im Geheimen etwas gegen die Gutwilligen ausgeheckt wird. Wer regiert die Welt?

staboslaw / Pixabay

Das Thema wird in den frühesten Mythen bearbeitet. Nicht nur in der Bibel wird von einer ersten Sünde berichtet, der Brudermord an Remus wird über die beiden Gründer Roms erzählt. Mehrere Krimis in der Woche greifen oft reale Fälle auf. Das Christentum handelt das Ineinander der guten und bösen Kräfte in der Woche zwischen Palmsonntag und Ostern ab. Im Prozess Jesu verbinden sich Kräfte, die zum Tod des Unschuldigen führen. Ein ähnliches Drama führt der russische Staat mit der Vergiftung des Oppositionspolitikers Nawalny auf. Was schon Generationen vor uns beobachtet haben, geschieht weiter vor unseren Augen. Wer von Verschwörung spricht, fühlt sich geheimen Kräften ausgeliefert, die nicht zum Guten, sondern zum Schaden und sogar zum Tod führen.

Gift real und als Wirkmacht des Bösen

Es war reales Gift, das sogar durch chemische Analyse nachgewiesen werden konnte. Eine kluge Mitarbeiterin des Politikers hat ein Glas aus dem Hotelzimmer mitgenommen, auf dem Spuren des Giftes ausgemacht werden konnten. Journalist:innen und der vom Giftanschlag Genesene haben die Täter identifiziert. Dass Letztere vom Staat gedeckt werden und nicht das Opfer des Anschlages, zeigt, dass sich die Verantwortlichen im Staat gegen ihren Opponenten „verschworen“ haben. Haben sich die politisch Verantwortlichen, die den Lockdown verfügt haben, auch gegen die Bürger „verschworen“? Ziel sei es, die Freiheitsrechte nicht nur während der Pandemie, sondern dauerhaft einzuschränken. Das Robert Koch-Institut treibe die Zahl der Neuinfizierten in die Höhe, obwohl, so wird argumentiert, diese nur deshalb wieder steigen, weil mehr getestet werde. In den USA sind nicht nur der frühere Präsident, sondern auch Millionen seiner Anhänger:innen überzeugt, das Wahlergebnis sei durch Stimmenauszählung in den Wahllokalen und dann durch die Software massiv gefälscht worden. Der Sturm auf das US-Parlament zielte auf den Vizepräsidenten, weil er die letzte formelle Bestätigung des gewählten Präsidentschaftskandidaten nicht zu einem Coup umfunktioniert hat. In den Augen der Anhänger des abgewählten Präsidenten war er der Böse, in dem Erleben der Abgeordneten waren es die Eindringlinge. Das gehört zum Phänomen: Beide Seiten erkennen im anderen das personifizierte Böse. Das hat dann empfindliche Folgen, wenn man erfolgreiche solcher Verschwörungs-Unterstellungen in ihrer Wirkung beobachtet oder vielleicht sogar davon betroffen ist. Es geht um das gesamte Weltbild.

Verschwörung vermutet das Böse als überlegene Macht

Weil man nicht weiß, wer die Hebel der Macht wirklich bedient, fühlt man sich ausgeliefert. Mit Verschwörungsmythen ist ein Gefühl der Unterlegenheit verbunden. Zugleich auch Resignation: Hinter der Fassade verbirgt sich eine übel-wollende Macht, der man nicht wirklich beikommt. Sie wirkt im Geheimen. Gestapo-Geheime Staatspolizei oder „Geheimdienste“ bezeichnen die Realität einer solchen Macht. „Achse des Bösen“ zur Bezeichnung von Staaten, der Vertuschung des Missbrauchs in den bischöflichen Personalabteilungen, die Vermutung von Verschwörung lässt sich für nicht wenige Vorgänge belegen. Zugleich ist sie eine Theorie für die Welt als Ganzer: Das Böse infiltriert das Gute, so die Bereitstellung eines Impfstoffs, wie die Menschen, die die Wahlzettel ausgewertet und eine Software für die Zusammenstellung der Ergebnisse entwickelt haben. Eines bewirken die Verschwörungserzähler: Sie verbreiten Resignation. Sie setzen voraus, dass auch hinter den guten Projekten eine böse Absicht steht, nämlich über die Pandemie, ob Impfstoff oder Lockdown, Geld- oder Machtmissbrauch zu betreiben. Wir sind noch nicht so weit, wieder Hexen oder Hexer zu identifizieren. Jedoch werden mit den Verschwörungs-Mythen solche Feindbilder erzeugt.

Verschwörungsgläubige brauchen Feindbilder

Wer von Verschwörung ausgeht, sieht dunkle Kräfte am Werk. Wo Machenschaften ausgemacht werden konnten, sind es das Geld und zum anderen Positionen, die über Polizei, Geheimdienste und Finanzen, also Machtmittel verfügen. Geld und Macht sind das Einfallstor des Bösen. Bill Gates wird unterstellt, er habe die Entwicklung des Impfstoffs deshalb unterstützt, um später Gewinne zu scheffeln. Vom Impfstoff wird behauptet, er verändere die Chromosomen im Körper und sei dazu da, Millionen von Menschen zu ermorden. Von einer kleinen orthodoxen Kirche aus der Ukraine erhalte ich solche Wahnvorstellungen. Die Verschwörung, die den Verantwortlichen in den US-Wahllokalen unterstellt wird, sollte den Machtverlust des abgewählten Präsidenten verhindern. Um Macht geht es auch bei dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker. Allerdings finden auch solche Machenschaften ihre Bestätigung. Abgeordnete haben sich im Zusammenhang mit der Pandemie bereichert. Eine Verschwörung liegt tatsächlich vor, denn sie wurden so für ihre Lobbytätigkeit für andere Staaten belohnt. Für die einen ist es der Beweis, dass immer etwas hinter der Fassade betrieben wird. Bei den Vorgängen, hinter denen noch keine Drahtzieher ausgemacht wurden, werde sich zeigen, dass auch da das Böse die Zügel in der Hand habe. Jedoch, das lässt sich auf jeden Fall zeigen, wirken Verschwörungsmythen tödlich.

Die Verschwörungserzählung gegen die Juden

Wenn man diejenigen identifizieren kann, die für den misslichen Zustand der Welt verantwortlich sind, kann man das Böse vertreiben. Die „Protokolle der Weisen von Zion“ sind das Verschwörungspamphlet mit der größten Wirkung. Sie berichten von Juden, die sich auf dem Friedhof in Prag versammeln, um sich auf eine Strategie zu einigen, mit der sie Weltherrschaft erringen werden. Bis in die Gegenwart wird damit erklärt, wie es zu dem Zustand der Welt gekommen ist. Wie bei der Hexenverfolgung hat man die Urheber der Übel ausgemacht und kann so durch ihre Vernichtung das Übel in der Welt noch einmal potenzieren. Der Holocaust wurde für Millionen Menschen die folgenreichste Umsetzung einer Verschwörungs-Unterstellung. Man kann das auch für die Konfessionskriege sagen. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, der andere werde vom Satan regiert. Da konnte man militärische Mittel einsetzen, um die eigene Glaubensüberzeugung dem anderen aufzuzwingen. Hier sind wir dann der Methodik des Bösen selbst auf die Spur gekommen: Das Böse hat den Charakter, sich durch Verschwörung noch einmal wie ein Virus zu verbreiten. Indem Feindbilder konstruiert werden, kann das Zuschlagen legitimiert werden. Die Erstürmung des amerikanischen Kongresses blieb eine Episode. Bei besserer Planung wäre es zur Umgestaltung des Staates und möglicherweise zu einem Bürgerkrieg gekommen.

Das Böse vermehrt sich, indem es Menschen von Verschwörungsthesen überzeugt

Es sind nicht nur die Vollstrecker von Verschwörungsmythen. Auch Revolutionäre, die das System, das sie überwinden wollen, zur Verkörperung des Bösen erklären, verbreiten das Virus weiter. Ob französische oder russische Revolution – sie mündeten in Krieg. Das Böse wird so nicht überwunden. Dazu folgt ein weiterer Beitrag, warum das Gute siegen wird: Das Böse ist wie ein Virus. Wenn es sich expotentiell vermehrt, frisst es seine Wirte. Ob, wie von Vertretern des Theodizee-Arguments gefordert, Gott eingreifen muss, um seine Existenz zu retten, bedarf einer Antwort. Das Christentum traut sich eine Antwort zu. Die Karwoche erfordert einen solchen Beitrag.

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