Eine Million Leser hat das Buch verloren. Müssen sich Verlage, Autoren und Buchhändler damit abfinden? Sicher nicht, denn das Buch wird bleiben, weil Papier lesefreundlicher ist als der Bildschirm. Wer etwas verstehen will, kommt mit Twitter oder Facebook und auch mit den durch Suchmaschinen gelisteten Internetseiten nicht weit genug.
Das Buch ist nicht nur ein Kulturträger, es steht im Zentrum der Kultur. Neben Romanen und Sachbüchern gibt es auch Dreh- und Kochbücher, Gedichte und Musiknoten, mathematische Ableitungen zwischen zwei Buchdeckeln. Im Unterschied zum Bildschirm ist Gedrucktes leichter zu lesen. Zwar verlangt das Buch Aufmerksamkeit. Dafür verspricht es am Ende ein tieferes Eindringen in einen Sachverhalt, man kann zurückblättern und sich so über Zusammenhänge klarwerden. Ich gewinne immer als Leser, denn ich kann auch mich selbst nach einer Lektüre besser verstehen. Das leistet nur noch der Film; die Social Media und die Homepages nur anfanghaft. Wer könnte das Buch von seinem Platz verdrängen? Der Kommunikationsfluss kann am Buch vorbeigeleitet werden. Das ist der Fall, denn das Buch hat seinen Platz im neuen digitalen Medienraum nicht gefunden.
Das Buch soll nicht vernetzt werden
Die Frankfurter Buchmesse will ohne Verbund mit anderen Medien alleine bleiben. Genau hier liegt das Problem. Nachdem sie viele Hallen nicht mehr besetzen kann, organisiert die Frankfurter Messegesellschaft eine Musikmesse. Andere Medien wären naheliegender. Aber die schroffe Ablehnung einer Kooperation wiederholt nur die Selbstisolierung, die die Branche mit entsprechenden Konsequenzen zelebriert. Dabei gäbe es viele neue Kanäle, die zum Buch führen. Einige seien nur kurz aufgelistet:
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Das Internet ist der Vorhof, nicht die Nachbearbeitungsstube. Jedoch erscheint der Titel erst dann im Internet und – seltener – in den Social Media, wenn er gedruckt vorliegt. Das Internet wird nicht als Vorlauf genutzt – sondern erst, wenn der Titel gedruckt ist, erscheint er dann im Verlagsshop.
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Das Buch wird nur als Rückschau präsentiert, es ist fertig. Wie eine Offenbarung soll es hinter dem Vorhang hervorkommen. Damit wird gleich eine ordentliche Portion Langeweile mitgeliefert. Die Social Media funktionieren jedoch anders. Sie sind ein Raum, der von Ereignissen lebt, die vorher angekündigt werden. Bei Konzerten wird eine solche Strategie angewandt, das Buch hingegen soll offensichtlich unscheinbar daherkommen.
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Autoren könnten interessanter präsentiert werden. Es scheint aber nur das Gesetz zu gelten: „Nichts über Planungen verraten.“ Deshalb müssen die Autoren auf der Buchmesse aus bereits Veröffentlichtem vorlesen. Warum erfährt man nichts über ihr neues Projekt? Zudem können die LeserInnen eines Autors, einer Autorin meist kein Video mit ihrem Autor auf den Verlagsseiten abrufen.
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Warum wird keine Erwartungshaltung aufgebaut, dass zu einem Thema ein interessanter Autor an der Arbeit ist, um etwa einen Roman frühzeitig an seine Zielgruppe heranzubringen? Wer über die Frankfurter Buchmesse geht, fühlt sich in die Vergangenheit versetzt. An den Ständen wird über das berichtet, was durch den Druck fixiert worden ist. So rückwärtsgewandt die Präsentation der Titel nicht inszeniert, sondern als Pflichtübung langweilig absolviert wird, so verstaubt ist die Buchmesse selbst. Sie ist einfach in den 70er-Jahren stehen geblieben.
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Die Social Media, angefangen beim Newsletter, bieten jedem Autor die Chance, seine Leserschaft zu erreichen, nicht jede Woche, aber einmal im Monat.
Vielleicht ist Frankfurt auch nicht der richtige Ort. Ein Kommentar in der FAZ zeigt, dass es mit den klugen Köpfen hinter dem Blatt nicht so weit her ist. Der lichtvolle Kommentar zum Leserrückgang kommt unter der Aufforderung „Dem Leser folgen“ zu folgender Empfehlung:
„Die Bücher müssen so attraktiv sein, dass die Leser sie kaufen und lesen wollen. Und wenn das immer weniger Leser anspricht, muss die Branche über neue Produkte und neue Vertriebswege für ihre Inhalte nachdenken. Je eher und intensiver sie das tut, umso mehr Zeit hat sie dafür. Nur attraktive Produkte verhelfen der Branche wieder zu Wachstum.“
Nicht „attraktives Angebot“, sondern Eindringen in Zusammenhänge
Das geht mit Sex & Crime, also nackten Frauen auf dem Cover und nur noch Krimis. Genau das können Internet und Fernsehen besser. Lesen ist schon etwas differenzierter, muss früh eingeübt und Lesefreude muss geweckt werden. Das hat die Schule noch selten geschafft. Heute schaffen es Deutschlehrer, das Nibelungenlied und Nathan den Weisen durchzunehmen, ohne dass die Schüler und Schülerinnen den Text gelesen haben. Natürlich muss man die Schüler heranführen, das Nibelungenlied könnte den Schülerinnen als Tragödie mit zwei starken Frauen vermittelt werden. Aber es wird als Zeugnis einer lang vergangenen Epoche in den Unterricht eingeführt. Auch dadurch gehen dem Buch seit vielen Jahren Leser verloren.
Buch ist kein attraktives Angebot, sondern seitenlanges Eindringen in Zusammenhänge. Das Blatt wieder zum Wenden zu bringen und damit Abstand vom Bildschirm zu ermöglichen, ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Wenn wir alles in Instagram-Posts aufgeteilt haben, können wir wieder in den Urwald gehen, denn schon Dreifelderwirtschaft ist dann eine Überforderung der von Facebook trainierten Gehirne.
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