Händeschütteln in Thüringen

Thüringen hat endlich einen Ministerpräsidenten. Nach dem Wahlkrimi vom letzten Monat wurde Bodo Ramelow gewählt, ohne dass AfD-Abgeordnete gegen ihn stimmten und so die Wahl wieder zur Farce gemacht hätten. Was der neue alte Ministerpräsident von den Wahlspielchen der AfD hält kommentierte er prompt indem er Björn Höcke den Handschlag verweigerte. Doch darf ein Ministerpräsident einem Landtagskollegen diese Form des Respekt verweigern und was sagt er damit aus?

(Foto: marsjo auf Pixabay)

Die Ausgangslage

Schon die erste Wahl im Februar wurde von der AfD torpediert, indem sie die FDP und CDU in eine Falle tappen ließ, wie sie später selbst zugab. Die Linke quittierte diese Aktion prompt. Linken-Fraktionschefin Hennig-Wellsow verweigerte dem Kurzzeit Ministerpräsidenten Kemmerich, der nur mit Hilfe der AfD Stimmen ins Amt gewählt wurde, den Handschlag und warf ihm den eigentlich für Bodo Ramelow bestimmten Blumenstrauß vor die Füße.

Bodo Ramelow eiferte ihr nun nach. Nachdem die AfD ihren Kandidaten Björn Höcke zu zwei Wahlgängen antreten ließ, in der Hoffnung einige Abgeordnete der gespaltenen CDU zu einem Wortbruch verführen zu können, lehnt der neu gewählte Ministerpräsident Höckes Handschlag rigoros ab. Im Parlament erklärt er seine Weigerung damit, dass er Herrn Höcke erst dann die Hand schütteln wolle, wenn dieser und seine Partei bereit seien die Demokratie zu verteidigen, anstatt ihr Fallen zu bauen. Die einen befürworten sein Verhalten, nennen Ramelow einen „stabilen Antifaschisten", der mit seiner Aktion nicht nur dem rechtsaußen Fraktionsvorsitzenden den Respekt verweigert, sondern auch der ganzen Landtagsfraktion und ihrer Ideologie. Problematisch ist allerdings, dass diese Landtagsfraktion mit ihrem rechtsextremen Chef bei der Wahl in Thüringen von 22% der Bürger demokratisch gewählt worden ist. Treibt man mit so einem Verhalten die Bürger nicht gerade in die Arme der AfD? Denn nicht jeder, der die AfD wählt, teil auch gleich die Ansichten wie ihr Landesvorsitzender. Eine Stimme für die AfD ist nämlich oftmals nur ein Protest gegen die etablierten Parteien. Der verweigerte Handschlag wird von der AfD natürlich sofort genutzt, um sich selbst mal wieder getrost in die Opferrolle zu positionieren.

Ein kultureller Code

Für uns in Deutschland, sowie in vielen weiteren Teilen der westlichen Welt gehört das Händeschütteln zum täglichen Miteinander. Uns wird schon als Kindern beigebracht, anderen die Hand zu reichen. Ob zur Begrüßung, als Vertragsabschluss oder Gratulation oder als Zeichen des Friedens. Ein Handschlag ist für uns ein kultureller Code, durch den wir, je nach Art der Ausführung, unserem Gegenüber die eigene Gemütslage preisgeben und gleichzeitig die Beziehung zu ihm oder ihr definieren. Laut Knigge ist die Weigerung, einen angebotenen Handschlag anzunehmen, ein rücksichtsloser Affront, der allen gängigen Benimmregeln widerspreche.

Ramelows Verhalten wird somit von vielen als unsozial oder kindisch betrachtet. Nur ein trotziges Kind würde einen Handschlag verweigern. Wir alle erinnern uns an das mediale Aufsehen, das Donald Trump hervorgerufen hat, als er sich weigerte, Angela Merkel die angebotene Hand zu reichen. Oder als er erst kürzlich die ausgestreckte Hand der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ignorierte. In den Medien wurde Donald Trump damals mit einem trotzigen kleinen Jungen verglichen.

Kampfansage

Blickt man zurück auf die Ursprünge des Händeschüttelns, kommt dem Verhalten von Ramelow noch eine dritte Bedeutung zu. In der Antike galt der Handschlag als ein Zeichen der Verbrüderung. Im Mittelalter schüttelte man seinem Gegenüber die Waffenhand, um damit zu demonstrieren, dass man keine Waffen bei sich trägt und somit keine Angriffsbereitschaft zeigt. Höcke bietet Ramelow zwar seine freie Waffenhand an, versteckt das Messer jedoch gleichzeitig in der anderen Hand hinter dem Rücken. Der Versuch den Ausgang der Wahl zu torpedieren und damit die Demokratie mit Füßen zu treten, dann aber mit dem Handschlag signalisieren zu wollen, „diese formal korrekte, demokratische Wahl zu akzeptieren“, ist alles andere als ein Friedensangebot. Vor diesem Hintergrund kann Ramelows Weigerung Höcke die Hand zu reichen als eine Kampfansage verstanden werden. Anders als Höcke, gaukelt Ramelow keine friedliche Absicht vor, sondern demonstriert klar und deutlich, dass er gewillt und bereit ist, seine Prinzipien zu verteidigen.

Einladung zum Händereichen

Denn mit seiner anschließenden Begründung macht Ramelow klar, dass er gerne bereit dazu ist, Björn Höcke die Hand zu reichen, allerdings nur, wenn sich dieser an gewisse Prinzipien hält. Auf Ramelows Weigerung folgt nämlich prompt die Einladung: Wenn Höcke sich dazu bekennt, die parlamentarische Demokratie zu verteidigen, wird ihm die Hand gereicht. Erst dann könne Höcke mit dem Händeschütteln signalisiert werden, dass er dazugehört, denn ein Handschlag zwischen zwei Personen sagt zu allererst aus: „Ich bin ein Mensch, du bist ein Mensch“.