In der vergangenen Woche hat Papst Franziskus im Rahmen einer Audienz mit französischen Jugendlichen über Sexualität gesprochen. Dabei vertrat er, ähnlich wie seine beiden Vorgänger, sehr positive Haltung zu dem Thema. Bei seiner Definition von Sex zeigte sich der Papst jedoch weniger offen.
„Der Sex ist ein Geschenk Gottes.“ Das sagte Franziskus zu einer Gruppe von Jugendlichen und sprach damit ein Thema an, von dem vor allem Jugendliche glauben, es werde von der Kirche tabuisiert. Dagegen sprach sich der Pontifex klar aus. Sexualität sei „der schönste Punkt Schöpfung“ und ziele darauf ab, sich zu lieben und Leben zu schaffen. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass sich diese Liebe (nur) zwischen Mann und Frau abspiele. Mit dieser Formulierung schließt er die Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen aus.
Eine Krankheit, die man akzeptieren muss
Homosexualität wird von der katholischen Kirche nicht einfach nur abgelehnt, sondern als regelrechtes Problem dargestellt. Die Kongregation für Glaubenslehre spricht von „Anomalie“ und „Sünde“. Menschen mit homosexuellen Tendenzen müssten bemitleidet werden.
Nach seinem Irlandbesuch im August gab Papst Franziskus im Flugzeug eine Pressekonferenz und äußerte sich auch zum Thema Homosexualität. „Du bist mein Sohn, du bist meine Tochter, so wie du bist“, sagte er damals und empfahl Eltern, sie sollten zu ihren Kindern stehen, auch wenn diese homosexuell seien. Gleichzeitig sprach er sich dafür aus, wenn sich homosexuelle Tendenzen bereits in der Kindheit zeigen würden, man viel mit Psychiatrie machen könne, um zu sehen wie die Dinge liegen. Bei Jugendlichen nach der Pubertät sei dies nicht mehr möglich. Tags drauf versicherte der Vatikan, der Papst habe mit dieser Aussage Homosexualität nicht als Krankheit deklarieren wollen. Dennoch bleibt hinter diesem unglücklich gewählten Wortlaut ein bitterer Beigeschmack. Selbst vor dem rechtlichen Hintergrund werden Homosexuelle vom Vatikan wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Denn neben psychischen und physischen Problemen wird eine deutliche homosexuelle Neigung bei Priesteranwärtern als Ausschlussgrund aus dem Priesterseminar gesehen und Homosexualität als ein Problem, ein Krankheit hingestellt.
Doppelmoral der Kirche
Im Zuge der zahlreichen Missbrauchsfälle kommt das Thema Homosexualität auch immer wieder zur Sprache. Ranghohe Ordensleute wie der US-Kardinal Burke oder der Schweizer Weihbischof Eleganti sehen einen eindeutigen Zusammenhang von der ausgelebten Homosexualität von Priestern und dem sexuellem Missbrauch. Zahlreiche konservative Geistliche schließen sich dieser Haltung an und instrumentalisieren die Homosexualität zur Rechtfertigung für das kollektive Versagen der Kirche.
Dabei wird Homosexualität unter Geistlichen so dargestellt, als wäre dies ein „Problem“, welches erst jetzt im Zuge der Missbrauchsskandale aufgetreten ist. Tatsächlich ist das Thema der gleichgeschlechtlichen Liebe längst in der Kirche angekommen. Was fehlt ist ein öffentlich geführter Diskurs zu diesem Thema. Man bekommt man den Eindruck, alles was mit dem Thema Homosexualität und Kirche zu tun hat, mit aller Macht hinter den Mauern des Vatikans verborgen bleiben soll. Dabei liest man immer wieder Berichte über homosexuelle Geistliche, die sich nach Jahren im Dienst der Kirche outen oder Priester, die beim Sex miteinander erwischt werden. So in den USA kürzlich sogar in der Öffentlichkeit geschehen. Auch Gerüchte um eine „Schwulen-Lobby“ im Vatikan und ranghohe, homosexuelle Geistliche wurden längst bestätigt. Dennoch gibt es weiterhin zahlreiche Kleriker, die dies als Lüge schimpfen, ein Doppelleben führen und Homosexuelle nach außen hin aber nicht als Teil der kirchlichen Gemeinschaft sehen. Trotzdem repräsentieren auch diese „abnormalen Sünder“ – um sich bei dem Wortlaut der Glaubenskongregation zu bedienen - die katholische Kirche und verbreiten weiterhin eine Lehre, der zufolge nur die Liebe zwischen Mann und Frau zulässig ist. Dabei können Vorurteile und Stigmatisierungen nur aus dem Weg geschafft werden, wenn ein sachlicher und öffentlicher Dialog geführt wird. Allerdings mangelt es dafür in der katholischen Kirche an einem offenen und toleranten Klima.
Auch die Position des Papstes scheint zweischneidig zu sein. In seinem ersten Amtsjahr äußerte sich Franziskus zur vermeintlichen Schwulen-Lobby im Vatikan: „Wer bin ich, ihn zu verurteilen?“ Im Gespräch mit Homosexuellen versichert Franziskus, dass Gott sie so geschaffen habe und auch so liebe. Andererseits fordert der Papst genau hinzusehen, welche sexuellen Tendenzen bei Anwärtern in den Priesterseminaren festzustellen sind und gegebenenfalls nötige Schritte zu unternehmen. Trotzdem muss man es Papst Franziskus zugutehalten, dass er das Thema Sex nicht nur in Apostolischen Schreiben anspricht, sondern auch offen und ohne Scham mit Gläubigen diskutiert und damit einen öffentlichen Dialog ermöglicht. Dennoch hätte Franziskus mit seiner Wortwahl bei der Pressekonferenz in Irland oder bei dem Gespräch mit den französischen Jugendlichen ein entscheidendes Statement setzen können.
Kann der Papst die Haltung der Kirche ändern?
Wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche therapeutische Schritte als Gegenmaßnahme zu homosexuellen Neigungen im Kindesalter empfiehlt und die von Gott gegebene „leidenschaftliche Liebe“ nur Mann und Frau zuspricht und nicht dem Menschen an sich, verschließt die Kirche ihre Türen vor all jenen, die nicht dieser vorgegeben Norm entsprechen. Wer kann sich gewissenhaft einer Institution verschreiben, wenn diese einen selbst, Freunde oder Verwandte insgeheim für ihre „gottgegebene Sexualität“ verteufelt und ihnen unweigerlich einredet, permanent in Sünde zu leben.
Bei seinem Gespräch mit den Jugendlichen äußerte sich Franziskus allerdings auch noch zu dem Thema Einsatz der Kirche für die Armen. Darauf bezogen betonte er „die Zugehörigkeit zur Kirche ist vor allem die Zugehörigkeit zu einer Person, nämlich Jesus, und nicht so sehr zu einer Institution.“ Vor diesem Hintergrund ist es zweitrangig, wie das kanonische Recht Sexualität und Liebe definiert, „denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboten und kennt Gott.“ (1.Joh 4,7-21)