Die AFD ist unzufrieden mit allem, die SPD mit sich selbst, die Italiener mit der EU, die Katholiken mit ihrer Kirche, dafür weniger mit ihrem Papst. Aus der Stimmung scheint kein Aufschwung möglich. Was wäre eine Tür ins Freie? Und wo bleibt das revolutionäre Potential der Studierenden. Drei Ursachen bedürfen einer gestaltenden Hand:
Die Studierenden bleiben im Lernstoff stecken
Im Rückblick auf 1968 sind die Studierenden eher in gedrückter und weniger in Reform- oder gar revolutionärer Stimmung. Bologna heißt das Zauberwort, mit dem sie ruhig gestellt werden, nämlich viele kleine Häppchen, mit vielen kleinen Prüfungen und immer neuem Lernstoff, ohne dass große Zusammenhänge deutlich werden. Da die Schule sehr viel weniger geistiges Training verlangt und sich weitgehend mit Gelerntem zufrieden gibt, wird auch an der Universität eher auswendig gelernt. Ein Interesse an den größeren Zusammenhängen, das ja erst einmal geweckt werden muss, kann gar nicht entstehen, dafür aber das Gefühl, für die tausend kleinen Anforderungen des Lebens allenfalls Gelerntes abzuliefern zu sollen.
Das Internet macht passiv
Wer sich heute in die Medien begibt, hat nicht mehr bloß 32 Seiten Tageszeitung, Abendnachrichten und drei Sender zur Auswahl. Um seine Zeit konkurrieren nicht nur die vielen, über Satellit ausgestrahlten Programme, sondern Abrufangebote, ob YouTube, Netflix und dergleichen. Dann kommen WhatsApp, Facebook, Messenger und viele weitere dazu. Es ist immer viel mehr als was man registrieren kann. Um einigermaßen mitzuhalten, wechselt man möglichst in Sekundenschnelle zum nächsten Post, liest schnell den Aufmacher eines Artikels und schaut lieber kurze Videos. Das damit gewonnene Gefühl des Informiertseins beinhaltet fast nie die freudige Erfahrung, etwas erklärt bekommen, einen Zusammenhang verstanden zu haben. Die gewöhnliche Internetnutzung macht eher müde, sicher nicht rebellisch.
Routinierte Rituale
Die Liturgiereform brachte für den deutschen Sprachraum eher Monokultur: Gottesdienst wurde auf die Form "Messe" reduziert. Gab noch in die sechziger Jahre samstags eine Andacht, trat an ihre Stelle die Messe. Der Rosenkranz kam außer Mode, nur die Maiandachten trieben wie Blüten an einem fast vertrockneten Baum. Inzwischen ist die Messe Routine, weil sie wegen des Wegfalls der verschieden Andachtsformen nicht mehr, wie vom Konzil gedacht, Höhepunkt sondern alleiniger Inhalt der Liturgie ist. Für das Besondere wählt man zunehmend nicht nur andere Formen, sondern entwickelt mit diesen Formen auch Gestaltungsideen, die im Gedächtnis haften bleiben.
Die Freude, von der der Papst spricht
Was machen die Gemeinden mit dem Aufruf des Papstes, Freude am Evangelium zu erleben. Der weltkirchlichen Hintergrund und der Bezugspunkt Lateinamerika der päpstlichen Impulse erfordern eine Fokussierung auf die westeuropäische Gemütslage. Ein Blick auf andere Kulturen zeigt das schnell. In Afrika herrscht trotz der Armut eine freudige Grundstimmung unter den Christen. In China fließen Freudentränen, wenn die Menschen von einem Gott hören, der nicht bloß die Himmelssphären so gestaltet hat, dass die Sterne das Schicksal bestimmen, sondern ein Gott, der jeden persönlich meint und ihn in die Freiheit entlässt. Blickten wir auf die hiesigen Quellen für gedrückte Stimmung und Sich-Überfordert-Fühlens, dann gäbe es neue Ansatzpunkte. Hat die katholische Kirche im 19. und 20. Jahrhundert mit Kindergärten, Krankenhäuser, Schulen und Heimen konkret reagiert, geht es heute weniger um neue Institutionen, sondern um einen selbstbestimmten Umgang mit der Informationsflut, konkreten Lernhilfen schon für Schüler und eine religiöse Kultur. Die Pfarrheime stehen zur Verfügung. Eine weniger routinierte Gottesdienstgestaltung kann bei den Kinder- und Jugendgottesdiensten beginnen.
Es läuft alles darauf hinaus, der neuen Generation eine Tür aus der passivmachenden Konsummentalität zu öffnen. Deshalb bleiben die Kindergärten unentbehrlich. Das Innovationspotential katholischer Schulen kann sich entfalten, wenn die Eltern nicht die Anpassung an das Bolognadenken, sondern die Entfaltung der Begabungen ihrer Kinder von der Schule einfordern. Aus einer christlichen Perspektive kommt es ja nicht auf den Notendurchschnitt an, sondern dass jeder und jede so die Schule verlassen, dass sie nicht nur ein gutes Zeugnis mitnehmen, sondern ein Wissen um sich selbst, nämlich mit welchem Beruf sie ihren Beitrag für Gesellschaft und Kirche leisten und wie sie ihrer Verantwortung gerecht werden.