Jedes Jahr landet ein gewisser Betrag auf meiner Steuerabrechnung: die Kirchensteuer. Doch anders als vielleicht erwartet, zahle ich sie nicht aus religiöser Überzeugung oder weil ich mich mit der Kirche besonders verbunden fühle. Ich zahle sie, weil ich sie als schwerbehinderte Person erstattet bekomme. Würde ich diese Rückzahlung nicht erhalten, wäre ich wohl längst ausgetreten. So wie viele andere junge Menschen in meinem Umfeld auch.

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Dieses Dilemma zeigt eins sehr deutlich: Die Kirchensteuer ist für viele kein Ausdruck von Glauben, sondern eine Frage von Bequemlichkeit oder finanzieller Kalkulation. Viele bleiben aus praktischen Gründen Mitglied. Der Austritt kostet Zeit, dazu noch Geld und vor allem Nerven. Wer kirchliche Einrichtungen als Arbeitgeber hat oder eine kirchliche Hochzeit plant, überlegt es sich zweimal. Andere wiederum haben einfach keine Lust auf den bürokratischen Aufwand, den ein Austritt mit sich bringt. Die Konsequenz daraus: Eine große Zahl der Kirchenmitglieder fühlt sich mit der Institution nicht mehr verbunden, bleibt aber aus äußeren Gründen trotzdem dabei.
Eine unzeitgemäße Verflechtung von Kirche und Staat
Aber ist das wirklich der richtige Weg, eine Glaubensgemeinschaft zu finanzieren? In Deutschland basiert das System auf einer engen Verflechtung von Kirche und Staat. Die Kirchensteuer wird direkt vom Finanzamt eingezogen. Kirche und staatliche Institutionen scheinen eins zu sein. Doch andere Religionsgemeinschaften schaffen es auch ohne eine verpflichtende Abgabe. Evangelische Freikirchen oder muslimische Gemeinden finanzieren sich über freiwillige Beiträge und Spenden. Warum nicht auch die katholische Kirche? Gerade jetzt, wo die Mitgliederzahlen sinken und das Vertrauen in die Institution mehr und mehr bröckelt. Wäre es nicht ein Zeichen von Glaubwürdigkeit, wenn die Finanzierung auf freiwilliger Basis beruhen würde?
Wohin fließt das Geld?
Ein weiteres Problem ist, dass viele gar nicht wissen, wofür ihre Kirchensteuer konkret verwendet wird. Sie finanziert die Seelsorge, kirchliche Sozialeinrichtungen und den Erhalt von Kirchengebäuden. Doch ein beträchtlicher Teil fließt auch in Verwaltungsapparate oder Pensionszahlungen für Kirchenbeamte. Manche tragen diese Struktur mit, weil sie an den sozialen Aspekt der Kirche glauben. Andere fragen sich, ob ihre Beiträge nicht besser aufgehoben wären, wenn sie selbst entscheiden könnten, wohin ihr Geld fließt.
Beispielrechnung: In Nordrhein-Westfalen beträgt die Kirchensteuer 9 Prozent der Einkommensteuer. Wer also beispielsweise 5.000 Euro Einkommensteuer im Jahr zahlt, gibt davon 450 Euro an die Kirche ab. Das entspricht etwa einem Bruttoeinkommen von 50.000 bis 52.000 Euro.
Glaube als persönliche Entscheidung
Doch während ich die Kirchensteuer aus pragmatischen Gründen zahle, kann ich nicht leugnen, dass mich der Glaube dennoch in gewisser Weise begleitet. Wenn auch auf meine eigene Art. Ich schlafe nicht mit der Bibel unter dem Kopfkissen, aber gehe gelegentlich mal in die Kirche. Und wenn ich den Jakobsweg pilgere, dann tue ich das weniger aus religiöser Überzeugung, sondern aus spirituellen und gesundheitlichen Gründen. Natürlich setze ich mich auf diesen Reisen mit Glaubensfragen auseinander, auch wenn mein Zugang kein klassisch kirchlicher ist. Vielleicht ist genau das die eigentliche Herausforderung für die Kirche: Menschen wie mich, die ihren eigenen Weg zum Glauben suchen, nicht zu verlieren. Und sie vor allem nicht allein durch eine Steuer an sich zu binden.
Zeit für ein neues Modell?
Mein persönlicher Fall macht das ganze System irgendwie absurd: Ich bleibe Mitglied, weil es mich finanziell nichts kostet. Andere bleiben, weil sie den Aufwand scheuen oder berufliche Nachteile fürchten. Aber sollte Glaube nicht eine bewusste Entscheidung sein? Eine, die nicht an steuerliche Vorteile oder gesellschaftliche Zwänge gekoppelt ist? Vielleicht ist es an der Zeit, dieses Modell zu überdenken. Denn eine Kirche, die Menschen nur durch eine Steuer an sich bindet, hat ihr eigentliches Problem längst erkannt. Gelöst aber wohl nicht.