Kirchenaustritte sind kein neues Phänomen, aber sie haben eine klare Tendenz. Besonders junge Menschen kehren der Institution den Rücken. Auch laut dem Erzbistum Paderborn treten vor allem junge Menschen aus. Also genau die Generation, die über die Zukunft der Kirche entscheiden könnte. Warum? Viele würden sagen: weil sie mit Glauben nichts mehr anfangen können. Aber das stimmt so nicht.

KI-generiert von DALL-E
Die Kirche ist unsichtbar auf der wichtigsten Plattform für junge Menschen
Auf TikTok gibt es fast alles: Lifestyle, Politik, Wissenschaft – und auch spirituelle Inhalte. Es gibt Videos über Meditation, über Achtsamkeit, über den Glauben an Gott. Manche Clips, in denen es um Kirche und Religion geht, erreichen Millionen von Aufrufen. Was es aber kaum gibt: erfolgreiche kirchliche Creator. Die Kirche selbst ist auf TikTok so gut wie unsichtbar.
Und genau das ist das Problem. Wenn die Kirche junge Menschen erreichen will, müsste sie genau dort sein, wo sie sich aufhalten. Das ist nun mal TikTok. Doch statt mit authentischen, nahbaren Inhalten über den Glauben zu sprechen, bleibt die Kirche in ihrer Kommunikation auf traditionellen Wegen hängen.
Viele kritisieren TikTok, weil es aus China kommt und Datenschutzbedenken bestehen. Doch unabhängig davon hat sich die Plattform für die junge Generation zu einem echten, authentischen Raum entwickelt. Einen Ort, an dem Meinungen ausgetauscht, persönliche Erfahrungen geteilt und auch spirituelle Fragen diskutiert werden. Wer junge Menschen erreichen will, kommt an TikTok nicht vorbei.
Die Sprache macht den Unterschied
Die wenigen kirchlichen TikTok-Accounts, die existieren, wirken oft steif und unpersönlich. Sie sprechen nicht die Sprache junger Menschen. Während auf TikTok vereinzelte Creator mit direkter, lockerer Sprache über den Glauben reden und ihn in den Alltag integrieren, bleibt die Kirche oft bei theologischen Begriffen hängen. Die verstehen viele eben gar nicht mehr.
Und das zeigt sich auch in der Kommunikation insgesamt: Junge Menschen erwarten Interaktion, direkte Ansprache, authentische Geschichten. Die Kirche aber hält meist Monologe. Während Influencer auf TikTok auf Kommentare eingehen, sich an Trends beteiligen und Diskussionen eröffnen, bleibt die kirchliche Kommunikation oft distanziert.
Social Media und vor allem TikTok, ist eine verpasste Chance
Natürlich hat die Kirche Instagram-Accounts, Bistümer posten auf Facebook, und es gibt kirchliche YouTube-Kanäle. Aber das reicht nicht. Die erfolgreichsten religiösen TikTok-Creator kommen nicht aus der Amtskirche, sondern aus freien christlichen Bewegungen oder sind völlig unabhängig. Sie sprechen die Sprache junger Menschen. Und erreichen sie.
Das bedeutet nicht, dass die Kirche sich komplett an Trends anpassen oder ihren Kern verlieren muss. Aber sie muss sich fragen: Warum findet sie in der digitalen Welt kaum statt, während Millionen Menschen sich genau dort mit spirituellen Fragen beschäftigen?
Verlorene Generation?
Wenn die Kirche ihren Mitgliederschwund beklagt, müsste sie sich fragen: Warum kommen junge Menschen gar nicht erst mit ihr in Berührung? Warum sind kirchliche Angebote oft so weit von ihren Lebensrealitäten entfernt? Die Zeit, in der man automatisch katholisch blieb, weil es alle so machten, ist vorbei. Wer heute im Glauben eine Heimat sucht, hat unzählige Alternativen. Die Institution Kirche ist oft nicht mehr darunter.
Es geht nicht darum, die Kirche komplett umzukrempeln. Aber sie muss aufhören, nur über ihren Mitgliederschwund zu sprechen, und anfangen, mit denen zu reden, die sie verloren hat.
Die Tagung „Kirche im Web 2025“ - an der kath.de in Münster am 13/14. März 2025 teilnahm - beschäftige sich ebenfalls mit dem Thema Glaubenskommunikation in sozialen Netzwerken. Lesetipp der Redaktion: „Nichts ist so beständig wie der Wandel“