Eine christliche Antwort auf die AfD

Die Leitungsebenen beider Kirchen haben die Grundsätze der AfD für unvereinbar mit dem Christentum erklärt. Und jetzt? Was machen die Christen mit dieser Klarstellung? Sie können anderen nicht bloß zusehen, wie sie mit dem Phänomen fertig werden. Es geht um die Wähler – auch unter den Katholik*innen.

Die Christen haben eine deutliche Orientierung. Aber setzen sie die schon um, wenn sie Mandatsträger dieser Partei aus ihren Laien-Gremien ausschließen. Was machen sie mit den Wählern dieser Partei in den eigenen Reihen? Ausgrenzung bewirkt doch nur, dass die Katholiken sich als die Besseren fühlen - und schon fühlen sich diejenigen, die dieser Partei ihre Stimme geben und noch mehr deren Mitglieder bestätigt. Kritik und Ablehnung erzeugen Kraft für den Widerstand. Das wissen die Christen aus ihrer Geschichte. Nicht nur die Märtyrer der frühen Kirche, sondern die vielen überzeugten Christen in autoritären, religionsfeindlichen Regimen finden unsere Anerkennung. Wer bei starkem Gegenwind bei seiner Überzeugung bleibt, überzeugt. Nichts hat Jesus so kritisiert wie Überheblichkeit. Er hat mit den Zöllnern Mittag gegessen und die Schriftgelehrten scharf angegangen.Er hat auch von den verlorenen Schafen gesprochen, die der Hirte sucht. 

Die Worte oben sind auch nur „schön“ gesagt, so wie die übliche Appell-Sprache der Vertreter des Christentums: "Wir wissen, was richtig ist und die anderen sollen sich bitte danach richten“. Wie die Bischofskonferenz oder das Zentralkomitee, welche Mandatsträger dieser Partei aus seinen Gremien ausschließt. Katholiken haben doch Gründe, warum sie sich von dieser Partei etwas erhoffen. Die politischen werden anderswo ausführlich diskutiert. Hier soll es um die Ängste gehen, die die Menschen bewegen. Je weniger die Bürger mit anderen Kulturen in Berührung gekommen sind, desto mehr werden sie durch Fremde verunsichert. Es geht auch um das Geld, das nur einmal ausgegeben wird. „Reicht es für mich, wenn es immer mehr Migranten gibt“ Darunter liegt eine Befürchtung, die kaum angesprochen wird: Ist unsere Kultur stark genug, um so Viele zu integrieren oder zerbricht unser System? Die innere Schwäche der katholischen Kirche kann diesen Ängsten kein Gegengewicht anbieten. Könnten Katholiken sich nicht fragen, ob sie der AfD Raum gegeben haben, anstatt diesen mit Gottesdiensten, Ehrenamt, Festen, Bildungsanstrengungen, mit Wallfahrten und Gebeten selbst zu füllen. Die AfD gibt es doch nur, weil weite Räume des Politischen und Kulturellen nicht mehr beackert werden. Diese Räume wieder zu füllen, braucht erste Schritte

  1. Verstehen zeigen, für die Ängste der Menschen, die zur Wahl dieser Partei führen.

  2. Die Empfänger von Bürgergeld fühlen sich benachteiligt, denn sie werden als „arbeitsscheu“ eingeschätzt, während die Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Augen als politisch Verfolgte mehr Achtung erfahren.

  3. Migration ist ein Geschäft. Differenzierung ist gefragt. Die Katholiken müssen Menschen mit Migrationshintergrund nicht an der Einreise hindern, die sich den Zutritt zu den Sozialleistungen von Schleusern erkauft haben. Aber sie können die in ihre Gemeinden aufnehmen, die als Fachkräfte mit einem Arbeitsvertrag und überprüften Deutschkenntnissen ins Land kommen. Wenn die Pfarreien sich für die nicht wenigen Katholiken und Katholikinnen dieser Gruppe öffnen, würden sie an Lebendigkeit gewinnen. Die Internationalität des Katholischen bietet eine Brücke, auf der sich beide Seiten wohlwollend begegnen. Die Pfarreien und Verbände würden Aufwind erfahren, denn ob aus Afrika oder Asien, diese Fachkräfte leben nicht den hier üblichen, katholisch-korrekten, depressiven Katholizismus, der sich auf die Ungereimtheiten, die Mängel, die Sünden der Kirche fokussiert. Ich erlebe diese freudige Ausstrahlung in einer englischsprachigen Gemeinde mit einer großen Gruppe von Philippinern und Afrikanern. “Katholisch” geht auch anders als verbissen-deutsch.

  4. Die religiös und politisch Verfolgten gehört die besondere Aufmerksamkeit. Angst kann durch Differenzierung abgebaut werden. Das Gefühl, in der Achtung hinter Menschen mit Migrationshintergrund eingeteilt zu werden, sollte durch Anerkennung jeder Person überwunden werden. Für die Integration der Fachkräfte sollte sich jeder kirchliche Verband öffnen. Für den Umgang mit denen, die auf die Versprechen der Schleuser hereingefallen sind, sollte die Zusammenarbeit mit Gemeinden in den Herkunftsländern gesucht werden, damit diese ihre jungen Leute davor bewahren, an den Grenzen der EU abgewiesen zu werden. Für eine solche Kooperation gibt es in Afrika viele Anknüpfungspunkte, leider kaum in den islamischen Ländern. 

Es bleibt die politische Seite des Problems

Es haben wohl Viele die AfD gewählt, um der Regierung Druck zu machen. Hier könnte das Zentralkomitee der Katholiken wie früher einmal Konzepte entwickeln und in den politischen Prozess einspeisen. Dafür müsste man sich allerdings mit den Fragen auseinandersetzen, die die Menschen heute bewegen. Die werden bei jeder Wahlberichterstattung mit Prozentangaben präsentiert. An die große Geschichte Zentralkomitees anknüpfen. Das waren die Förderung des Mittelstandes und der Genossenschaften, Einführung der dynamischen Rente etc. Im Katholizismus steckt doch mehr, als Andere auszuschließen. Das Ruhrgebiet hat die vor dem Ersten Weltkrieg aus Polen Zugewanderten in ihre Pfarreien integriert, die Italiener und Spanier gehören wie selbstverständlich dazu, allerdings finden sie sich nicht in den Priesterseminaren. Die Philippiner empfinden wir auch nicht mehr als fremd. Für neue, junge Völker lernen wir das auch.

Es bleibt allerdings die Unempfindlichkeit gegenüber den christlichen Perspektiven. Warum nehmen die Menschen das Engagement von Caritas und Diakonie an, ohne zu fragen, welche Motivation dieses Engagement speist?

Eckhard Bieger S.J.