In Schweden und Dänemark fanden im vergangenen Monat wiederholt islamfeindliche Aktionen statt. Vor der irakischen Botschaft in Stockholm hat ein Mann den Koran mit Füßen getreten. Ein Mann in Kopenhagen verbrannte vor der irakischen Botschaft ein als Koran bezeichnetes Buch. Muslimisch geprägte Länder antworteten mit Wut. Doch wie kann es überhaupt sein, dass solche Aktionen in den sonst so tolerant und offen geprägten skandinavischen Ländern stattfinden? Fallen solche Aktionen unter die Meinungsfreiheit oder ist das schon Volksverhetzung?
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In einer wiederkehrenden Schleife folgten immer wieder Reaktion und Antwort auf die Aktionen in Skandinavien. Wenn in Schweden ein Koran verbrannt wurde, regierten Menschen in der muslimischen Welt mit Wut. Und die schwedische Regierung steht in der Kritik, weil sie solche Taten zuließ. Schwedische Politiker können rechtlich gesehen nichts gegen diese Koranverbrennung tun, da sie unter die Meinungsfreiheit fallen. Weder der Ministerpräsident Ulf Kristersson noch der Außenminister Tobias Billström unterstützen diese islamfeindlichen Aktionen, konnten sie aber nicht direkt verbieten. In der schwedischen Verfassung ist eine umfassende Meinungsfreiheit verankert und die Entscheidung, ob eine Demonstration stattfinden darf, liegt nicht bei der Politik, sondern bei der Polizei. Diese kann eine Demonstration nur untersagen, wenn diese eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Obwohl die Polizei versuchte, weitere Koranverbrennungen zu verhindern, indem sie die potenzielle Gefährdung weiter auslegte und auf eine zunehmende terroristische Bedrohung hinwies, wurden diese Verbote von Gerichten aufgehoben, da vor Ort keine unmittelbare Gefahr erkennbar war.
Meinungsfreiheit mit hohem Stellenwert
Doch wie weit darf die Meinungsfreiheit gehen, wenn dadurch andere Grundrechte wie die Religionsfreiheit leiden? Meinungsfreiheit muss Grenzen haben, wenn die Sicherheit und das Wohlergehen anderer dadurch gefährdet sind. In Deutschland sind Aktionen, wie sie in Schweden und Dänemark stattfanden, eindeutig verboten, da das Strafgesetz klare Regelungen enthält, die die Beschimpfung religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse verbieten, wenn dadurch der öffentliche Frieden gestört wird. Die Meinungsfreiheit hat in Deutschland aber nicht den gleichen Stellenwert wie in Schweden. Vor über 250 Jahren hat Schweden als erstes Land weltweit die Pressefreiheit gesetzlich verankert. Die Tradition, seine Meinung frei äußern zu dürfen, besteht seitdem. 1970 wurde der Straftatbestand der sogenannten Blasphemie abgeschafft und auch die Kritik an Religionen ist ein geschützter Bestandteil der Meinungsfreiheit, selbst in extremer Form.
Schweden zeigt damit seit über 250 Jahren starkes Engagement für Meinungsfreiheit durch die gesetzliche Verankerung der Pressefreiheit. Das unterstreicht eben auch die Bedeutung von Diskussionen, kritischem Denken und Meinungsaustausch innerhalb der Bevölkerung. Durch die Abschaffung der Blasphemie als Straftatbestand fördert Schweden eine offene Diskussionskultur über Religion, was zu gegenseitigem Respekt und einem gesunden Dialog führen kann. Dies basiert auf Toleranz und Anerkennung der Vielfalt der Meinungen und Weltanschauungen. Wie die extremen Beispiele des vergangenen Monats gezeigt haben, birgt diese Freiheit jedoch die Gefahr, dass Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten und die öffentliche Ordnung gestört wird. Da es in Schweden keinen rechtlichen Rahmen gibt, der dies verhindert, liegt es an der Zivilgesellschaft, Unruhen zu verhindern und einen Aushandlungsprozess zwischen den Akteuren zu führen. Doch kann die Zivilgesellschaft die Auswirkungen dieser Aktionen überhaupt einschätzen?
Verantwortung der Zivilgesellschaft
Die Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von Unruhen und bei der Führung von Verhandlungsprozessen zwischen verschiedenen Akteuren. Die lange Tradition der Meinungsfreiheit, einschließlich der Abschaffung der Blasphemiegesetze und des Schutzes der Kritik an Religionen, haben dazu beigetragen, einen Raum für offene Diskussionen zu schaffen. Jedoch kann die Zivilgesellschaft nicht immer alle Auswirkungen vollständig einschätzen. Komplexe Situationen und Konsequenzen können schwer vorhersehbar sein. Auch in toleranten Gesellschaften gibt es Menschen mit extremistischen oder intoleranten Ansichten. Aktionen, wie die im vergangenen Monat, können als Reaktion auf globale Ereignisse, politische Debatten oder Kontroversen ausgelöst werden. Sie können als Form des Protests oder des Ausdrucks von Unzufriedenheit dienen.
Meinungsfreiheit ist eine der wichtigsten Grundlagen einer Demokratie. Jeder Mensch sollte seine Meinung sagen können und auch diese mit anderen zusammen kundtun. Doch sie muss auch ihre Grenzen haben und andere Grund- und Menschenrechte nicht verletzen. Inwieweit das Anzünden des Korans als Volksverhetzung gilt, ist in Schweden bislang von keinem Gericht geprüft worden. Aktuell fallen die islamfeindlichen Aktionen in Schweden unter die Meinungsfreiheit, doch um weitere Unruhen und mögliche schwerwiegende Folgen zu verhindern, sollte Schweden in Zukunft zu einer Abwägung der Rechte kommen. Denn die Auswirkungen und Reaktionen der muslimischen Länder kann eine Zivilgesellschaft alleine nicht einschätzen. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Aktionen nicht repräsentativ für die gesamte Gesellschaft sind. Sie können aber dennoch das Werk einer kleinen, aber lauten Minderheit sein. Die skandinavischen Gesellschaften sind immer noch von Toleranz und Offenheit geprägt, aber es kann dennoch vorkommen, dass extremistische Ansichten auftreten.
Die skandinavischen Länder stehen also vor der Herausforderung, einen sensiblen Balanceakt zwischen Meinungsfreiheit und der Vermeidung von Hass und Gewalt zu bewältigen. Es ist wichtig, dass sie kontinuierlich ihre Gesetze und Richtlinien überprüfen und dabei sowohl individuelle Rechte als auch die Sicherheit der Gesellschaft sowie des Staates berücksichtigen.