Zillennials: Warum wir eine andere Kirche brauchen

Die Zahl der Kirchenaustritte steigt seit Jahren kontinuierlich. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die jüngeren Generationen Y und Z nur noch wenig mit den traditionellen Kirchen anfangen können und den Kontakt mit zunehmendem Alter verloren haben. Unsere Redakteurin Lena Herrmann ist in einem christlichen Umfeld aufgewachsen, hat jedoch schon früh begonnen, sich von der Institution Kirche zu distanzieren. In ihrem Freundeskreis beobachtet sie ähnliches. Warum Glaube und Kirche aber dennoch relevant für die jungen Generationen sind, schreibt sie im dritten Teil ihrer Zillennial-Reihe.

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Keine Lust auf Kirchensteuer

Kürzlich erhielt ich eine Nachricht von einer Freundin in unserem Gruppenchat: „Ich zahle monatlich 30 € Kirchensteuer. Das muss aufhören, ich trete aus“, lautete die Nachricht, die ich natürlich mit großem Interesse ausdiskutieren wollte. Die Freundin gehört eindeutig zur Generation der Millennials und hat schon früh den Bezug zur Kirche verloren. Das stand ihr in ihrem evangelischen Elternhaus offen. Sie konnte selbst entscheiden, ob sie Konfirmationsunterricht nimmt oder nicht. Sie hat sich dagegen entschieden, weil laut ihrer Aussage „hätte es keine Vorteile für sie gehabt“. Dass sie bisher noch nicht aus der Kirche ausgetreten ist, hatte nur mit Bequemlichkeit zu tun. Die Kirchensteuer wurde automatisch abgezogen und erst jetzt, bei genauerem Hinsehen, ist ihr aufgefallen, wie viel Geld sie die Mitgliedschaft in der Kirche im Monat eigentlich kostet.

Und ja, ich kann sie verstehen. In Zeiten von Pandemien, Inflation und Kriegen sind 30 € viel Geld. Das Ziel der Kirchensteuer war und ist eine verlässliche finanzielle Basis für die Arbeit der Kirche. Die Gelder fließen dann in die Angebote der Gemeinden vor Ort, beispielsweise in Gottesdienste und Seelsorge. Aber auch für Taufen, Kommunion, Trauungen oder Beerdigungen. Doch warum dann für eine Dienstleistung bezahlen, die nicht in Anspruch genommen wird?

Glauben feiern mit Eventcharakter

Dabei merke ich in meinem Freundeskreis durchaus ein Bedürfnis nach Spiritualität. Viele meiner Freunde der Gen Z haben den Wunsch, Glauben aktiv zu praktizieren und Teil einer Gemeinde zu sein. Keiner von ihnen besucht jedoch eine “traditionelle” katholische oder evangelische Kirchengemeinde. Meine Freunde fühlen sich von überkonfessionellen Freikirchen viel mehr angesprochen. Inhaltliche Grundlage bildet auch die Bibel, doch das war es schon mit den Gemeinsamkeiten. Die Gottesdienste finden nicht in prunkvollen Kirchen, sondern in Eventhallen statt. Es gibt einen modernen Internetauftritt, eine Präsenz in den sozialen Medien. “Du konntest am Sonntag nicht dabei sein? - Kein Problem. Mit unserem Podcast holst du dir den Gottesdienst nach Hause, ins Auto oder wo du gerade unterwegs bist!”. Auch der Gottesdienst ist komplett anders aufgebaut, verständlicher, moderner und angepasst an unsere Zeit. Es geht weniger um den Ritus, sondern vor allem um die Themen, mit denen sich intensiv auseinandergesetzt wird. So werden ein Thema und eine Bibelstelle manchmal auch über einen längeren Zeitraum in den Fokus der Gottesdienste gestellt.

Wenn ich das mit der Kirche vergleiche, mit der ich groß geworden bin, verstehe ich, warum gerade junge Menschen aus der Kirche austreten. Meiner Meinung nach herrscht dort ein veraltetes System, das noch nicht bereit ist, sich an die Digitalisierung und moderne Zeit anzupassen. Auch was die Finanzierung angeht. Wenn ich einen Blick auf die freikirchlichen Gemeinden werfe, die meine Freunde besuchen, fällt mir direkt auf, dass sich diese Gemeinden durch Spenden finanzieren. Keine verpflichtende Steuer, sondern eine freiwillige Spende. Die Menschen entscheiden sich freiwillig für ihren Beitrag und zahlen, was ihnen die Gemeinschaft wert ist. Dadurch, dass man direkt für eine bestimmte Gemeinde spendet und der Beitrag nicht in einen großen deutschlandweiten Topf kommt, fühlt man sich der Gemeinschaft auch viel verbundener. Gemeinschaft ist ohnehin ein zentrales Element dieser Gemeinden, das man bei den Gottesdiensten auch deutlich spürt. Die Gemeinde selbst beschreibt sich als authentisch, relevant und begeistert vom Leben mit Jesus. Eine Lifestyle-Kirche, die gekennzeichnet ist mit Corporate Design, moderner Musik und Medientechnik mit Fokus auf ein unmittelbares Erleben Gottes und eine alltägliche Ethik. In den Gottesdiensten steht ein Pastor im Scheinwerferlicht und erklärt Themen verständlich anhand von aktuellen Ereignissen. Im Hintergrund befindet sich eine Band mit Gitarren und Schlagzeug. Ein Mix aus klassischen Kirchenliedern und selbst geschriebenen Songs von anderen bekannten christlichen Musikgruppen lässt den Gottesdienst modern werden. Auf einer LED-Leinwand wird der dazugehörige Text abgespielt und natürlich kann sich jeder per Livestream zuschalten. Gemeinsam Singen, sich über viele Themen auszutauschen und einfach nur eine gute Zeit zu haben, sind die zentralen Punkte. Dieses Gefühl habe ich immer in den traditionellen katholischen Gottesdiensten vermisst.

Multikulti Religion

Und ich als Zillennial steh wieder in der Mitte dieser beiden Generationen. In meiner Kindheit wurde ich christlich erzogen. Ich war in einem katholischen Kindergarten und habe auch die Erstkommunion empfangen, aber für mich war es damals schon nicht das, was ich wollte. Vom Kommunionunterricht war ich gelangweilt, oft bin ich gar nicht erst hingegangen. Meine Mutter hätte mir damals sicherlich die Wahl gelassen, ob ich das Sakrament empfangen möchte oder nicht. Doch da man das früher eben so gemacht hat und in meiner Klasse alle Kinder zur Erstkommunion oder später zur Konfirmation gegangen sind, habe ich es nicht hinterfragt.

Kirche und Gottesdienst empfinde ich jedoch als langweilig, sie befriedigen mein Bedürfnis nach Glauben und Spiritualität nicht, geben mir nicht die Orientierung im Leben, die ich mir von einer Religion wünsche. Wenn aber zum Beispiel “Kirche in 1Live” läuft, höre ich immer ganz gespannt zu. 1Live schafft es, kirchliche und religiöse Themen modern und verständlich anzusprechen und das überzeugt mich. Ich lese gerne Bücher, die sich mit spirituellen Denkweisen beschäftigen. Vor allem aus der buddhistischen Lehre konnte ich viel für mich persönlich mitnehmen und auch online informiere ich mich über andere Religionen. Glaube misst sich in den jüngeren Generationen nicht mehr an einem Gang zur Kirche oder der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft. Glaube und Religion finden immer noch genauso häufig wie früher statt. Nur eben auf einer anderen Art und Weise. Das spirituelle Bedürfnis unserer Generationen wird nicht mehr nur von einer Religion oder Konfession bestimmt. Traditionen übernehmen wir meistens aus unserem bekannten Umfeld. Wir feiern Weihnachten und Ostern. Aber durch das Internet können wir schnell auf andere Religionen und Glaubenssätze zurückgreifen und daraus für uns die Religion schaffen, die unser Leben bereichert. Wir sind eine multikulturell geprägte Generation und das überträgt sich auch auf unsere Art zu glauben.

  • Den ersten Teil der "Zillennial-Reihe" von Lena Herrmann: "Zillennials: Eine vergessene Generation" lesen.
  • Den zweiten Teil der "Zillennial-Reihe" von Lena Herrmann: Zillennials: Wie wir arbeiten, leben und denken lesen. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

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