Die erste künstliche „Gebäreinrichtung“ der Welt, EctoLife, soll Eltern einen Kinderwunsch auf unkomplizierte Art und Weise erfüllen. Ziel ist es, ein Baby heranwachsen zu lassen, das den Vorstellungen seiner Elternteile entspricht und den Prozess der Schwangerschaft und Geburt zu vereinfachen. Damit einher geht jedoch eine Entfremdung vom Körper, der Abstammung und der eigenen Identität.
Pavel Daniyuk auf Pexels
Das Video der Firma “EctoLife” ging auf Youtube viral und hat mittlerweile fast 2 Millionen Klicks. Das Team um den Berliner Filmemacher und Molekularbiologen, Hashem Al-Ghaili, stellt mithilfe einer Animation seine Vision vor: Eine künstliche Gebärmutter, in der Babys heranwachsen können. Dabei möchte Al-Ghaili es möglich machen, Babys zu “designen”. Über 300 Gene sollen dafür bearbeitet werden, um Aussehen und Charakter zu beeinflussen. Die Möglichkeit stehe allen offen, die flexibel und unkompliziert an ein Kind kommen wollen oder jenen, bei denen es auf natürlichem Weg nicht funktioniere.
Obwohl die im Video gezeigte Idee bisher nur Fiktion ist, glaubt Al-Ghaili, dass die notwendigen Technologien bereits verfügbar sind und nur ethische Vorbehalte einer Konkretisierung dieser Idee im Weg stehen. In “10 bis 15 Jahren [könne EctoLife] überall zum Einsatz” kommen, so Al-Ghaili. Man müsse noch fünf Jahre hinzurechnen, in denen die Öffentlichkeit sensibilisiert und aufgeklärt werden müsse. Zwar ist die Idee des Biologen Al-Ghaili noch lange keine Realität, sondern nur eine Zukunftsvision, doch wie Al-Ghaili behauptet, sei jede einzelne Funktion, die in dem Konzept erwähnt wird, wissenschaftlich fundiert und wurde bereits von Wissenschaftlern und Ingenieuren realisiert. Und die Debatte um biologische Chancen und ethische Gefahren wurde bereits jetzt durch das Video angestoßen.
Flexibel und ohne Komplikationen
Nähme man einmal an, dass die Technologie von EctoLife tatsächlich in der nahen Zukunft realisiert werden würde, böte diese Entwicklung einige Chancen. So würde Frauen und Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch geholfen. Die Technologie bietet gerade für Frauen viele Vorteile: Komplikationen in der Schwangerschaft und während der Geburt könnten beseitigt werden. Ein Baby wäre planbar; eine Schwangerschaft stünde dem Beruf und der redensartlichen „biologischen Uhr“ nicht mehr im Weg. Das würde Flexibilität und Unabhängigkeit ermöglichen. EctoLife verspricht, dass das Baby über eine App in seiner Entwicklung verfolgt werden könne. Ihm könne Musik vorgespielt werden, die Stimme der Eltern oder die von Freunden und Verwandten. Es wäre also möglich, dem Baby nah zu sein und es sehr genau in seiner Entwicklung zu sehen.
Einzigartige Erfahrung
Frauen müssten nicht mehr schwanger werden und gebären. Aber gerade diese Erfahrungen prägen eine Mutter ihr Leben lang. Auch das Baby ist geprägt von der Mutter, von ihrem Körper, wie sie sich verhalten hat, was sie zu sich genommen hat. Es entsteht eine Bindung, die als sehr besonders empfunden wird und eine Erfahrung, die Generationen von Frauen miteinander verbindet. Dazu gehört auch der Zufall der Natur, auf den man sich in der Schwangerschaft einlassen muss. Oft waren und sind Menschen, die augenscheinlich nicht der Norm entsprachen, im Nachhinein besonders erfolgreich oder konnten sich beispielsweise in wissenschaftlichen Gebieten hervortun. Wenn ich alle Charakteristika und Eigenschaften meines Kindes festlege, unterliegt es meinem persönlichen Geschmack, vielleicht auch gesellschaftlichen Trends und Entwicklungen, die mich aktuell beeinflussen, sich in ein paar Jahren aber wieder ändern können. Das Kind wird dazu herangezogen, um meinen Plänen und Vorstellungen zu entsprechen; individuelle Entwicklungsmöglichkeiten auf Grundlage von Talenten oder die aus physischen Besonderheiten entstehen, werden minimiert.
Entfremdung vom Ursprung
Der Wunsch nach Optimierung und Planbarkeit passt allerdings in die heutige Gesellschaft. Das Leben insbesondere von Frauen scheint darauf ausgerichtet, sowohl beruflich als auch privat erfolgreich zu sein. Kinder und Karriere sollten möglichst miteinander einhergehen; dazu kommen Schönheitsideale, die im Idealfall auch erfüllt werden. So verwundert es nicht, dass auch Kinder in das strukturierte Leben passen und möglichst Eigenschaften haben sollten, mit denen sie gut in der Gesellschaft mithalten können.
Doch damit entfernen wir uns immer mehr vom Ursprung des Menschseins. Angefangen bei der Befruchtung, Schwangerschaft, Geburt, Stillen – all dies wäre mit EctoLife nicht mehr notwendig. Der Umgang mit diesen natürlichen Vorgängen würde verlernt, der Körper würde vielleicht sogar bald als Schwäche wahrgenommen. Denn gerade die weniger schönen Erfahrungen im Leben sind es doch, die uns als Menschen prägen: Erfahrungen wie Schmerz, Trauer und Einsamkeit. Wenn diese Erfahrungen weniger werden, lernen wir auch immer weniger, damit umzugehen.
EctoLife hätte auch Einfluss auf unser Beziehungsverhalten. Die Liebe, Verbundenheit und Zuneigung zwischen zwei Menschen, aus denen ein Kind in den meisten Fällen entsteht, rückt in den Hintergrund. Ebenso wie die Beziehung zwischen Kindern und Eltern. Die Herkunft würde damit sehr abstrakt. Darüber hinaus würde den in EctoLife produzierten Kindern ein wichtiger Teil ihrer Identität genommen. Vor allem beim Heranwachsen des Kindes wird gerne verglichen, welchem Elternteil das Kind optisch eher ähnelt. Manche Charaktereigenschaften und Talente finden sich bei mehreren Mitgliedern einer Familie wieder. Auch wenn die Sozialisation einen großen Einfluss auf den Charakter eines Menschen hat, so prägt es doch die eigene Identität, wenn man eine bestimmte Begabung oder auch einen Makel mit einem Elternteil oder Großelternteil gemein hat. Durch die Planbarkeit von Aussehen und Charakter würde das Kind also nicht nur von seinem biologischen Ursprung entfremdet, sondern auch von seiner Abstammung und Identität.
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