Der Synodale Weg will die Katholische Kirche wieder für die eigenen Mitglieder wie für die Gesellschaft empfehlenswert machen. Das war dem Konzil vor 57 Jahren gelungen. Die sich widerstreitenden Lager gab es auch damals. Wie hat man den Prozess des Konzils so inszeniert, dass am Ende beide Lager sich mit allen Beschlüssen identifizieren konnten? Was kann der Synodale Weg von diesem Konzil übernehmen?
Jutta Mügge
Es ab wie beim Synodalen Prozess Vorwärtsdrängende und Bremser. Damit wurde das Konzil zu einem spannenden Medienereignis. Weil die sog. säkularen Medien in die Berichterstattung einstiegen, waren sie tagesaktuell und damit näher am Geschehen als die nur wöchentlich erscheinenden Kirchenzeitungen. Seitdem sind die Katholiken daran gewöhnt, dass sie das Wichtige über ihre Kirche in der Tageszeitung ungeschönt finden. Johannes Paul, auch Benedikt und Franziskus haben dieses Charisma, der Synodale Prozess jedoch keinen Weihbischof Kampe, der während der Wochen, in denen das Konzil tagte, jeden Abend die Journalisten auf dem Laufenden hielt. Mehr öffentliche Aufmerksamkeit für das Ringen um Lösungen wäre auch für den Synodalen Prozess möglich. Weihbischof Kampe verstand es, das Ringen um die beste Lösung nicht nur als politischen Meinungskampf, sondern als theologische Suche darzustellen. Die Katholische Kirche, bis dahin als starre Institution für Journalisten eher uninteressant, zeigte sich als veränderungswillig und kreativ. Sie unterschied sich deutlich vom damaligen unbeweglichen Sowjetsystem und war auch nicht von kapitalistischen Interessen bestimmt.
Die Zielvorgabe und die Theologie
Aggiornamentum hatte der Papst den Bischöfen als Ziel vorgegeben. Verheutigung. Dafür gab es kein fertiges Konzept und das machte das Konzil zu einem Prozess. Die Vorarbeiten der römischen Theologen wurden von Kardinal Frings und auch den französischen Bischöfen einfach beiseite gelegt und die von den Bischöfen mitgebrachten Theologen begannen mit der Arbeit, so dass erst einmal nur die Konstitution über die Liturgie beschlussreif war sowie ein Dokument über die Medien, das das Konzil selbst für unzureichend erklärte und die Ausarbeitung einer Expertengruppe übergab. In dem weiteren Prozess hin zu einer Verheutigung gewannen die Themen erst Gewicht, so das Kirchenbild des wandernden Volkes Gottes, die Ökumene und erst am Ende des Prozesses Gaudium per Spes über die Kirche in der Welt von heute. Dabei gewannen zwei theologische Strömungen die Aufmerksamkeit der Bischöfe:
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Die Beschäftigung mit der Bibel mit den Methoden der Literaturwissenschaft und Archäologie überzeugte die "Konservativen", weil diese Methoden sich als fruchtbar für Predigt und Unterricht zeigten. Der Bibelwissenschaftler Augustin Bea, zum Kardinal erhoben, wurde zum Katalysator für eine Neuentdeckung der Bibel.
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Die Patristiker, also die Theologen, die sich mit den Theologen der ersten Jahrhunderten beschäftigt hatten, brachten ihre Studien ein, sichtbar an den vielen Zitaten von Athanasius, Basilius und anderen Theologen des Orients in den Dokumenten des Konzils. Das baute eine Brücke zur Orthodoxie.
Für den Synodalen Prozess die gleiche Möglichkeit: Die Versammlung nicht als eine Kerngemeinschaft vorstellen. Dann kann sie nicht wie ein Parteitag vorgestellt werden, der beschließt, was vorher schon feststand.
Und die Blickerweiterung im Synodale Prozess?
Er verläuft ohne die Unterstützung der Medien, wohl weil die sich progressiv Fühlenden schon von vorneherein wussten, was rauskommen soll. Das Bild, das nach außen gezeigt wird, ist das starrer Fronten. Erst ein wirklicher Prozess würde den Synodalen Prozess auch für die Gesellschaft interessant machen. Welche Theologen oder andere Persönlichkeiten würden die Beteiligten in eine neue Sichtweise von "Kirche in der Welt von heute" führen? Gibt es etwas Neues über Macht und Sexualität zu berichten, als dass sie missbraucht werden? Und was sagt eine Kirche Neues, vielleicht Überraschendes über die Frauen, die doch zuerst, auch bei den Germanen, also den Deutschen, das Christentum verstanden haben? Gibt es keine Auseinandersetzung mit der "Männerreligion" Islam und keine Neuentdeckung des Judentums wie im Prozess des Konzils? Es reicht für das Interesse der Medien nicht, Papiere zur Abstimmung zu bringen. Das Ganze muss als ein intensives Ringen "rüberkommen", um nicht wie ein Parteitag abgehakt zu werden.
Und wo kann sich die Gesellschaft gemeint fühlen? Wofür will die Katholische Kirche da sein? Braucht die Gesellschaft überhaupt die Präsenz, überhaupt den Gedanken an Gott?
Wie stellt der Synodale Prozess die Gottesfrage?
Die Katholische Kirche findet sich in einem kulturellen Umfeld vor, das sich für Religion nicht interessiert. Die Attentäter und die Missbraucher haben das Bild der Religion geprägt und die Kirchen in den westlichen Ländern sind sich weiter uneins, was von Gott zu sagen ist, während Google es weiterhin schafft, auf jede Frage eine Antwort im Netz zu finden. Religion scheint zu trennen und die Katholiken, die früher doch geschlossen auftraten, sind auch uneins. Würden sie doch wenigstens exemplarisch zeigen, wie man trotz unterschiedlicher Sichtweisen noch zusammenstehen kann. Die SPD hat es doch auch wieder hinbekommen. Mit Spaltung zu hantieren und vor der Kamera die zu kritisieren, die nicht dem zustimmen, was die "Fortschrittlichen" für richtig halten, bringt in einer postmodernen Vielfaltskultur nur ein kurzzeitiges Interesse hervor. Die Gesellschaft, nicht nur in Deutschland, wird sich weiter an Verbesserungen ihrer maroden Brücken, den Defiziten des Bildungssystems und der Melancholie ihrer nachwachsenden Generationen abarbeiten. Ein Protest verpufft in diesem Umfeld. Aber hält sich der Geist Gottes aus all diesen Bewegungen heraus? Oder ändert sich etwas Tieferliegendes, das sich doch in den Bewegungen des Geistes zeigt?
Es sei auf einen Wandel des Konzils hingewiesen, der die Tiefenströmung des Religiösen in ein anderes Flußbett gelenkt hat: Mit dem Jahr 1965 war die von Menschen gemachte Vorstellung eines Gottes, der auf Einhaltung seiner Gebote insistiert, außer Kraft gesetzt. Frohpredigten hört man fast nie. Die Hölle ist zu einem Ort geworden, den Gott nicht meidet. Die Hinrichtung Jesu wird neu verstanden. Hier wäre der Dialog mit dem Islam zu führen. Nicht weiter von Männern, sondern von Frauen beider religiösen Welten. Und die Männer in der Kirche könnten die von Maria 2.0 aufgeworfene Frage doch mit den Frauen so angehen wie das Konzil: Welches Gesicht will Gott durch die Katholische Kirche den Menschen zeigen? Was hat der Synodale Prozess in seinem Lernprozess neu entdeckt?