Das Schulsystem muss fortlaufend verbessert werden, um Schüler:nnen zeitgemäß zu bilden, nicht erst seit Homeschooling und digitalem Unterricht. Statistiken zeigen seit Jahren einen bundesweiten Abwärtstrend bei der Teilnahme am Religionsunterricht. Seitens der Politik reagiert man darauf immer häufiger mit der Forderung, den Religionsunterricht ganz abzuschaffen oder ihn durch einen „neutralen“ Ethikunterricht zu ersetzen. Religiöse Wissensvermittlung kann aber nur dann authentisch sein, wenn die Lehrenden selbst einen persönlichen Bezug zur Religion haben.
Gerd Altmann auf Pixabay
Kritiker:innen des Religionsunterrichtes beschreiben die Schule vor allem als Wissensort. Schüler:innen sollen auf das alltägliche Leben vorbereitet werden. Es geht um beweisbare Fakten, weniger um Werte und Meinungen. Aber Schule ist nicht nur ein Lernort, sondern auch ein Bildungsort. Ein umfassender Bildungsbegriff beinhaltet mehr als das Wissen um mathematische Formeln oder das Erlernen der englischen Sprache. Bildung heißt, selbstständig denken und Position beziehen können. Deshalb muss es den Religionsunterricht als meinungsförderndes Schulfach geben. Trotz großer Fortschritte in naturwissenschaftlichen Bereichen beschäftigen Kinder und Jugendliche existenzielle Fragen, für die in „regulären Schulfächern“ kein Platz ist. Der Religionsunterricht ist keineswegs „verschwendete Unterrichtszeit“, sondern bietet Raum, diese Fragen zu formulieren, das Denken zu fördern und junge Menschen zu bilden.
Jugendliche haben existenzielle Fragen
Das sei auch in einem neutralen Ethikunterricht möglich, meinen dessen Befürworter:innen. Dieser biete ohnehin viele Vorteile, es gehe um eine neutrale Darstellung religiös-weltanschaulicher Fragen und philosophischer Ansätze. Das Bekenntnis der Lehrperson hat für den Unterricht dann keine Relevanz. Kinder und Jugendliche sollen im Ethikunterricht dieselben Voraussetzungen und Werte vermittelt bekommen wie im Religionsunterricht, aber ohne vom religiösen Bekenntnis der Lehrperson beeinflusst zu werden.
Persönliche Haltung der Lehrkräfte
Dabei ist eher das Gegenteil wahr: Religion lässt sich nur über eine persönliche Haltung vermitteln. Lehrkräfte, die sich persönlich zu einem Glauben bekennen, können ehrlich und authentisch Antworten auf die Fragen der Schüler:innen geben. Gerade dann, wenn Lehrer:innen eine Position einnehmen, haben Jugendliche die Chance, diese zu hinterfragen, so kann ein Dialog und eine kritische Auseinandersetzung entstehen. Es darf selbstredend nicht Ziel oder Absicht des Religionsunterrichts sein, Schüler:innen zu beeinflussen oder zu „bekehren“, aber Religionslehrer:innen dürfen einen Diskurs ermöglichen, in dem nicht nur Fragen gestellt, sondern auch Haltungen und Meinungen zum Ausdruck gebracht werden, Schüler:innen sogar vom eigenen Glauben sprechen dürfen. Die heterogene Zusammensetzung in heutigen Klassenzimmern kann diese Auseinandersetzung fördern und bereichern.
Laberfach Reli?
Der Religionsunterricht wird oft als „Laberfach“ abgetan, dessen Lehrinhalte wie Antworten auf Quizfragen wirken. Wer war dieser und jene, was geschah an diesem und jenem Fest? Wie viele Jünger hatte Jesus? Wer die Bibel liest und regelmäßig den Gottesdienst besucht, hat angeblich automatisch eine gute Note sicher. Aber auch ethisch, historische und philosophische Fragen sind wichtiger Teil des konfessionellen Religionsunterrichtes. Er ermöglicht neue Perspektiven auf weltliche Fragestellungen und kann Schüler:innen ermutigen, einen anderen als den naheliegenden Denkweg einzuschlagen, um zum Ergebnis zu kommen. In meiner Schulzeit haben wir die Geschichte des Christentums, zu der auch Leid und Krieg gehören, kritisch beleuchtet und aktuelle Themen wie Abtreibung und Sterbehilfe sowohl aus christlicher, aber auch aus politischer und philosophischer Sicht diskutiert. Ich habe es dabei nicht als Einschränkung erlebt, dass mein Lehrer katholisch war, sondern als Bereicherung, die es möglich machte, unterschiedliche Meinungen klarer voneinander abzugrenzen.