Epidemie Einsamkeit

Einsamkeit kann krank machen, nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Trotz digitaler Vernetzung treiben die Corona-Maßnahmen viele Menschen in die Isolation. Soziale Kontakte per Bildschirm reichen nicht als Schutz vor Einsamkeit, der Mensch ist ein sinnliches Wesen, braucht körperliche Nähe, auch für das Immunsystem. Es braucht politische Maßnahmen zum Schutz vor Einsamkeit.

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Als Studentin fühle ich mich während der Lockdownzeit manchmal einsam. Trotz eines guten digitalen Austauschs fehlt mir der persönliche Kontakt. Die Unterhaltungen während und zwischen den Vorlesungen sowie in den Pausen entfallen. Auch andere Student_innen berichten von ähnlichen Problemen.

Der Corona-Lockdown treibt viele in die Isolation, das soziale und kulturelle Leben fällt weitestgehend aus. Betroffen bin nicht nur ich als Studentin mit Anfang 20, sondern Menschen jeden Alters, insbesondere viele Alleinlebende. Obwohl durch die Pandemie mehr über das Thema gesprochen wird, gilt Einsamkeit weiterhin als ein gesellschaftliches Tabu, dem auch unabhängig der Pandemie eine größere Aufmerksamkeit und noch höhere Priorität beigemessen werden muss. Denn wer sagt gerne über sich: ich bin einsam. Einsamkeit geht oft einher mit Scham- und Minderwertigkeitsgefühlen. Worin liegt der Grund für meine Einsamkeit? Vielleicht habe ich sogar selbst Schuld an meiner Situation.

Durch digitale Medien gibt es heutzutage zahlreiche Möglichkeiten uns untereinander zu vernetzen und zu kommunizieren. Warum ist Einsamkeit dann nicht ein Problem der Vergangenheit? Gerade während der Pandemie können soziale Medien helfen, Kontakte aufrecht zu erhalten und dabei einander vor einer Infektion zu schützen. Sie ermöglichen die Kontaktfindung, können das Bedürfnis nach Gemeinschaft aber nur oberflächlich stillen.

Einsamkeit macht krank

Der Mensch ist nicht nur ein soziales, sondern auch körperliches und sinnliches Wesen und braucht die Nähe und Berührung eines Gegenübers. Biologisch wird bei Einsamkeit dieselbe Hirnregion angeregt, die auch für körperlichen Schmerz verantwortlich ist. Einsame Menschen haben mehr von dem Stresshormon Cortisol im Körper, aber weniger Immunzellen. Vergleichen lässt sich der Einsamkeitszustand mit einem hohen Zigarettenkonsum oder starkem Übergewicht, während eine soziale Vernetzung eine ähnlich positive Wirkung auf die körperliche Gesundheit erzielt wie eine gesunde Ernährung oder Sport. An diesem Punkt scheitern die sozialen Medien. Sie können das Bedürfnis nach Kommunikation stillen, nicht aber den Wunsch nach physischen Kontakten. Ich bin doch ständig online und in Kontakt mit anderen - und trotzdem fühle ich mich einsam. Was mache ich nur falsch? So können soziale Medien, anstatt ein Weg aus der Einsamkeit zu sein, schnell zu einer Belastung werden. Fehlen physische Kontakte, sind körperliche und psychische Erkrankungen nicht weit.

Politischer Handlungsbedarf

Wenn Millionen Deutsche über sich sagen, dass sie sich immer oder zumindest teilweise einsam fühlen, hat dieses enorme Folgen für die Gesellschaft und nicht zuletzt für das Gesundheitssystem. Großbritannien hat dieses Problem bereits erkannt und im Jahr 2018 als erstes Land weltweit ein Einsamkeitsministerium mitsamt Ministerin eingeführt. Dieses versucht Menschen aus der Isolation zu holen und sensibilisiert die anderen Ministerien für das Thema, damit politische Entscheidungen und Beschlüsse nicht dazu führen, dass Einsamkeit befördert wird. In erster Linie macht das Einsamkeitsministerium das Problem „salonfähig“. Dadurch, dass man das Thema in den politischen Diskurs stellt und durch Kampagnen an die Öffentlichkeit heranträgt, wird das Stigma, das an dem Problem Einsamkeit haftet, beseitigt.

Die Pandemie hat offenbart, dass sich auch in Deutschland immer mehr Menschen einsam fühlen und es dringend politisches Handeln braucht. Die Corona-Maßnahmen sollen die Bevölkerung vor physischem Schaden bewahren. Dadurch, dass sie das psychische Wohlbefinden gefährden, schädigen sie jedoch, mindestens auf lange Sicht, auch die körperliche Gesundheit. Es braucht Corona-Schutzmaßnahmen, damit Menschen nicht durch Einsamkeit krank werden.