Weihnachten ist oft die einzige Gelegenheit im Jahr, an der die ganze Familie zusammenkommt. Gemeinsame Rituale und Traditionen spielen eine große Rolle. Im Kern geht es um Beziehungen, nicht um Lametta. Vielleicht kann ein Fest auf Abstand manche Beziehung sogar verbessern.
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Plätzchenbacken, den Tannenbaum kaufen und schmücken, Gesang und Gebet, ein bestimmtes Gericht zum Abendessen: Traditionen schaffen Zusammenhalt und Zugehörigkeit. Sie geben Sicherheit und berühren tiefe menschliche Bedürfnisse, nach Nähe und Anerkennung. Viele Familien pflegen neben Traditionen wie dem Gang in die Christmette auch ihre eigenen kleinen Rituale, die oft über Generationen weitergegeben werden, die Kinder spielen Weihnachtslieder auf ihren Musikinstrumenten, tragen jedes Jahr ein bestimmtes Gedicht vor, lustige Ereignisse oder Missgeschicke vergangener Weihnachtsfeste werden jährlich zum Besten gegeben.
Wenn die Kinder älter werden, verändern sich auch die Rituale in der Familie. Doch wie viel Wandel verträgt Weihnachten? Dieses Jahr hat nicht nur kleine Veränderungen gebracht. Die Corona-Pandemie stellt die Beziehungen in der Familie, aber auch das Miteinander in der Gesellschaft vor bisher unbekannte Herausforderungen, auch an Weihnachten. Viele müssen auf die gemeinsame Feier der Christmette verzichten, können Geschenke vielleicht nicht rechtzeitig kaufen, manche Familien treffen sich auf Empfehlung der Regierung gar nicht. Das trifft den Kern von Weihnachten als Fest der Familie.
Ohne Gänsebraten und Geschenke
Aber stellt Corona wirklich den Kern von Weihnachten infrage? Vielleicht, wenn man Weihnachten vor allem mit einer vermeintlichen Idylle verbindet, die Familie an der festlich gedeckten Tafel, ein glitzernder Weihnachtsbaum im Hintergrund, Berge an Geschenken, alle fröhlich und gut gelaunt wie in amerikanischen Weihnachtsfilmen. Diese oberflächlich kitschig anmutenden Bilder weisen aber doch auf das Wesen von Weihnachten hin, den nicht nur religiösen Hintergrund des Fests. Christinnen und Christen feiern, dass Gott Mensch wurde, um mit den Menschen zusammen zu sein. An Weihnachten geht es also um den Wunsch nach Beziehung, auch unter ungewohnten Umständen. Immerhin erzählt die Bibel, dass Jesus in einem Stall geboren werden musste. Gott will mit den Menschen zusammen sein, unabhängig von Gänsebraten, Glühwein und Geschenken.
Gerade weil sich die äußerliche Gestalt der Feier in diesem Jahr verändert, zeigt sich die Kernbotschaft umso deutlicher: An Weihnachten geht es also um Beziehungen, zwischen Partnern, Großeltern, Eltern, Kindern oder Geschwistern. Zu Beziehungen gehört auch die Trauer, geliebte Menschen nicht um sich zu haben, weil sie verstorben sind, man sich zerstritten hat oder weil man einander vor dem Virus schützen will. Gott hat sich den Menschen auf außergewöhnliche Weise genähert. Vielleicht können wir uns in diesem Jahr auch auf andere Weise nahe sein, unsere Beziehungen zueinander reflektieren, uns freuen und dankbar sein für die Menschen, mit denen wir an Weihnachten gerne zusammen wären. Vielleicht bietet dieses ungewohnte, womöglich „einsamere“ Weihnachten auch Anstöße für Versöhnung und Verzeihung, für Beziehungspflege.