Beim kommenden gemeinsamen Kirchentag von Protestanten und Katholiken sollen die Katholiken zum protestantischen Abendmahl gehen und die Evangelischen die hl. Kommunion empfangen. Was passiert dann eigentlich?
Eucharistie und Abendmahl sind Heilszeichen, die etwas bewirken. Die sakramentalen Gaben werden wie in der Taufe, der Beichte, der Firmung dem einzelnen zugesprochen und zugleich auch der Gemeinde insgesamt. In diese Gemeinde wird der einzelne durch die Taufe eingepflanzt. Dafür muss die Gemeinde nicht nur juristisch bestehen, sondern lebendig sein. Das Gedächtnismahl, das Jesus am Abend vor seiner Hinrichtung mit den Aposteln gefeiert hat, war nicht nur ein Abschiedsmahl. Es wurde von ihm zu dem tragenden Ritus gestiftet, welcher die christliche Gemeinde aufbaut. Von der ersten Gemeinde in Jerusalem ist in der Apostelgeschichte zu lesen: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten.“ Kap.2,42, Brotbrechen ist ein Wort für die Eucharistie das häufiger im Neuen Testament zu finden ist.
Wenn Jesus sowohl beim protestantischen Abendmahl derselbe wie in der katholischen Eucharistiefeier ist, warum gibt es immer noch evangelische und katholische Kirchengebäude? Braucht man diese Verschiedenheit, weil jeder anders dieses Gedächtnismahl feiert?
Überall noch zwei Kirchen
Auf dem Foto oben stehen zwei Kirchtürme nebeneinander. Die Bauten stammen aus einer Epoche, als die Leute zum größeren Teil sonntags zum Gottesdienst gingen. Es war selbstverständlich, dass man in die Kirche seiner Konfession ging. Wenn es im Ort keine Kirche der eigenen Konfession gab, ging man nicht in die vorhandene Kirche, sondern in den Nachbarort. Obwohl beide Konfessionen heute sich eine der beiden Kirchen teilen könnten, stehen sie immer noch. Das liegt nicht nur daran, dass beide Kirchen noch immer das Geld haben, man will der eigenen Gemeinde nicht die religiöse Beheimatung wegnehmen. Wieso hielt diese Praxis 500 Jahre? Irgendetwas muss so tiefgehend sein, das man sihc einen solchen Gebäude-Aufwand problemlos geleistet hat. Kann man da einfach drüber hinweggehen? Müsste nicht vor der Abendmahlsfeier der angemessene Ritus für die Aufarbeitung der Geschichte stehen? Vielleicht sogar ein Bußgottesdienst, in dem die Christen um Vergebung bitten, dass sie die eindeutigen Gebote Jesu missachtet haben.
Wenn keine Trennung in der Eucharistie, dann eine Gemeinde
Überträgt man das, was beim gemeinsamen Kirchentag geschehen soll, nämlich an der zentralen Gottesdienstfeier der anderen Konfession teilzunehmen, auf das Miteinander vor Ort, dann entschließt man sich doch, in der inneren Dynamik des Abendmahls eine Gemeinde zu werden. Denn wenn Eucharistie, dann doch entsprechend den deutlichen Worten Jesu, um eine einzige Gemeinde zu bilden. Dies findet sich in der Praxis der ersten christlichen Generation wieder „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ heißt es im 4. Kapitel des Briefes an die Gemeinde von Ephesus. Was den ersten Christen ans Herz gelegt wurde, ist in der ökumenischen Bewegung geschehen. Es ist zu verstehen, dass Katholiken und Protestanten, die Vieles gemeinsam bedacht und auf die Beine gestellt haben, auch im Gottesdienst die Trennung überwinden wollen. Dann sind die Kirchenleitungen aufgefordert, diese Entwicklung aufzunehmen. Könnte es sein, dass das Zusammenwachsen der Gemeinden auch deshalb unabdingbar ist, weil die Gemeinden beider Konfessionen von den älteren Jahrgängen getragen und auch dominiert werden, so dass die Jüngeren sich in den Gottesdiensten nicht mehr zugehörig fühlen. Für die katholische Eucharistiefeier ist zeitlich absehbar, wann ihr die Gläubigen ausgehen. Werden sich am Kirchentag die Älteren treffen und noch einmal eucharistische Gemeinschaft erleben, um dann zu sehen, mit welcher Gottesdienstform die nachfolgenden Generationen Gemeinde neu aufbauen. Jetzt sieht es so aus, als würde der Vatikan das unterbinden.
Den Vatikan verstehen
Es ist ja wohl so, dass der Wunsch von der evangelischen Seite stärker ist, an der Katholischen Messe teilnehmen, während es die Katholiken nicht so sehr dazu drängt, das evangelische Abendmahl mitzufeiern. Das bringt die Katholische Kirche in die Situation, die Teilnahme von evangelischen Christen zuzulassen.
Weil aus dem Gedächtnismahl Einheit der christlichen Gemeinde folgt, geht Rom davon aus, dass es dafür mehr konkrete Schritte in Richtung Einheit geben muss. Dem steht weiterhin eine unterschiedliche Lehre über die Eucharistie entgegen, bei der es zwischen den von Luther herkommenden Kirchen und den von Calvin sich herleitenden Reformierten bereits große Unterschiede seit dem Beginn der Reformation gibt. Schon 1529 hatte Philipp von Hessen ein Gespräch zwischen Luther und Zwingli arrangiert, das zu keiner theologischen Verständigung über die Eucharistie führte.
Der andere theologische Grund ist die innere Beziehung zwischen der Eucharistie und Gemeindebildung. Die Gemeinde hat als erste Ursache ihres Bestehens das Wirken des Geistes, der auch die Gegenwart Jesu in Brot und Wein bewirkt. Aus der Eucharistie wächst christliche Gemeinde. Gemeinde eist eine göttliche Stiftung, erst in zweiter Linie kommt der Wille der Menschen hinzu, das eigne Christsein mit anderen zu praktizieren. Hier wird eine Differenz zwischen den Konfessionen wirksam, die selten thematisiert wird. Gemeinde, Kirche ist für Katholikeneine theologische Größe, sie sprechen vom Ursakrament „Kirche“ zur Folge und erklärt warum jede Konfession ihre Kirche braucht. Die Katholiken sehen ihre Kirche durch die Gegenwart Jesu durch die konsekrierten Hostien, die im Kirchenraum aufbewahrt werden, bestimmt. Für die Protestanten ist der Kirchenraum auf die Kanzel hin zentriert. Reformierte Kirchen in Holland haben anstelle des Altars die Kanzel aufgestellt. Diese unterschiedliche Akzentuierung des Kirchenraumes könnte ein Grund sein, warum jede Konfession für ihren Gottesdienst eine bestimmte Raumkomposition braucht.
Es bleibt vor Ort einiges zu tun. Auf den ersten Blick scheint es einfacher, zur Eucharistiefeier bzw. zum Abendmahl einzuladen als die Kirchen so umzugestalten, dass sie für beide Konfessionen religiöse Beheimatung ermöglichen. Wenn man den ökumenischen Kirchentag nach etwa drei Jahren in seinen Wirkungen beobachtet, müsste im Zusammen der Gemeinden etwas geschehen sein. Wenn sich herausstellt, dass die Unterschiede stärker bleiben, so dass als es nicht gelingt, Kirchenräume und Gemeindezentren wie selbstverständlich gemeinsam zu nutzen, dann hat man in Frankfurt eine Farce aufgeführt. Odersollte es doch möglich sein, dass bei Konfessionen eine gemeinsam genutzte Kirche als die „Ihre“ und nicht die der anderen zu erleben?
Drei theologische Nachbemerkungen
Die unterschiedlichen Auffassungen über das von Jesus gestiftete Abendmahl ist einmal darin gegeben, dass die Gegenwart Jesu in Brot und Wein verschieden gesehen wird. Das zeigt sich daran, dass Katholiken konsekrierte Hostien verehren, Protestanten nicht. Deshalb ist in katholischen Kirchen der Aufbewahrungsort der Hostien Ziel der Blicke der Betenden, in evangelischen Kirchen liegt das aufgeschlagen Bibel im Chorraum. Die Schwierigkeiten, gehen auf das Mittelalter zurück. Sie sind mit der sind mit der aristotelischen Philosophie verbunden. Zentral für das Verständnis der Eucharistie ist der Substanzbegriff. Dieser ist aber durch die Naturwissenschaften überholt. Mit den Vorstellungen der Quantenphysik könnten die Theologen beider Konfessionen ein Verständnis für die Weise suchen, in der Jesu in Brot und Wein gegenwärtig ist. Die Bibel gibt keine Deutung vor. Den Konsens mit der Begrifflichkeiten des 16. Jahrhunderts zu suchen, wie es eine Theologenkommission versucht hat, kann dem normalen Christenmenschen nicht vermittelt werden. Ob evangelisch oder katholisch, die Christen können doch erwarten, dass sie eine Erklärung bekommen, die in das heutige Weltbild eingelesen werden kann. Die Katholiken könnten dann auch wieder selbstverständlicher eine Fronleichnamsprozession feiern. Diese braucht dringend eine theologische Renovierung.
Weiter ist umstritten, welche Voraussetzungen derjenige mitbringen muss, der die Worte Jesu über Brot und Wein sprechen soll. Weil für Katholiken die Gegenwart Jesu nicht nur für den Augenblick des Empfangs von Brot und Wein, sondern dauerhaft gesehen wird, sind die Auswahlkriterien strenger. Es braucht verlässliche Amtsträger, die sichern, dass die Gläubigen, die in der Kirche beten, sich auf konsekrierte Hostien beziehen können. Das wird auch daran deutlich, dass erst unter dieser Voraussetzung macht Hostien-Schändung einen Sinn macht. Kein Problem ist in der Frage der Eucharistie die Anerkennung des Papstamtes. Das verlangt Rom nicht, denn vonseiten der Römischen Kirche besteht zwischen dem orthodoxem und dem katholischen Eucharistieverständnis kein Dissens.
Die Diskussion um den Stellenwert der Eucharistie motiviert, sich mit den Grundlinien zu beschäftigen, die dieses Sakrament lebendig halten. Dazu folgt hier eine theologische Vertiefung, die uns Werner Löser S.J. zur Verfügung stellt. Er ist emeritierter Professor der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt.
Kanzel in der Kirche von Middelburg
Eucharistie ist Feier der Kirche
Von Werner Löser S.J.
Unter den Feiern, die es in der katholischen Kirche nach wie vor gibt, steht die sonntägliche, ja auch werktägliche Feier der Eucharistie an erster Stelle. Und das darf uns auch nicht verloren gehen. Ich möchte zum Sinn und zum Gehalt der Eucharistiefeier einige Gedanken vorlegen. Das soll in zwei kurzen Gedankengängen geschehen. Der Kerngedanke des ersten Gedankenganges lautet: die Feier der Eucharistie ist ein konzentrierter, symbolisch sich entfaltender Vollzug dessen, was die Kirche im Ganzen und im Wesentlichen ist. Der zweite Gedankengang gilt dem Motiv „Wandlung“ – Eucharistie zielt auf Wandlung. ** Eucharistie als Symbol der Kirche**
Seit einiger Zeit sind wir es gewohnt, den Sinn der Kirche mit drei Stichworten zu benennen. Sie ergeben sich aus den zentralen Aufgaben, die der Kirche anvertraut sind. Sie lauten: Martyria, Leiturgia, Diakonia. Martyria könnten wir übersetzen durch Zeugnis. Das Zeugnis geschieht gewöhnlich in der Verkündigung. Damit haben wir den ersten, ohne Zweifel unentbehrlichen Sinn der Kirche. Sie dient der Verkündigung des Evangeliums. Dies geschieht vielfältig. Es geschieht, wenn Eltern ihren Kindern das Beten beibringen, wenn eine Religionslehrerin Katechismusunterricht erteilt, wenn ein Theologieprofessor eine Vorlesung hält, wenn ein Künstler ein Bild mit biblischen Motiven malt, kurz: es geschieht in vielen Formen und an vielen Orten. Und wenn dies geschieht, dann bewährt sich die Kirche als Verkündigungsgemeinschaft. Sofern die Verkündigung der Weckung und Stärkung des Glaubens dient, können wir auch sagen: die Kirche ist auch Glaubensgemeinschaft. Dies alles fassen wir zusammen mit dem Begriff „Martyria“. Der zweite Begriff, mit dem wir den Sinn der Kirche zur Sprache bringen, lautet: Leiturgia. Er stammt aus der Bibel und könnte sinngemäß übersetzt werden durch „Gottesdienst unseres Lebens“. Wenn man ihn so fasst, meint er den christlichen Lebensvollzug in all seinen Formen, den persönlichen wie den gemeinsamen. Es ist also die Bestimmung der Kirche, dass die, die ihr zugehören, ein evangeliumsgemäßes Leben leben. Im Römerbrief wird es so gesagt: „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, … euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt: das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst.“ Der dritte Begriff, der eine Grundfunktion der Kirche anspricht: „Diakonia“. Er ist uns am geläufigsten. Es ist der „Dienst“. Die Kirche hat als ganze diakonische Aufgaben wahrzunehmen; denn auch ihr Herr, Christus, ist „nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben.“ Die Aufmerksamkeit für die an Leib und Seele Bedürftigen und die Bereitschaft, ihnen beizustehen, ist für die Kirche kennzeichnend. Was wir auf diese Weise in den drei seit einigen Jahrzehnten immer wieder herausgestellten Leitmotiven meinen, das ist für die Kirche, wo immer und wie immer sie in Erscheinung tritt, kennzeichnend. Und wenn sie dem nicht entspricht, dann hat sie sich trotzdem an dem Anspruch, der in den drei Leitworten enthalten ist, messen und zurückrufen zu lassen.
Eucharistie symbolisiert die Grundvollzüge der Kirche
Die drei Grundvollzüge der Kirche treten in der Eucharistiefeier in symbolischer Konzentration zutage. Sie entfaltet sich ja in drei Schwerpunkten, die sich aus den drei soeben dargestellten Kernaufgaben der Kirche ergeben. Der Wortgottesdienst entspricht der Martyria, der Mahlgottesdienst entspricht der Leiturgia, der Übergang zwischen Gottesdienst und Alltag entspricht der Diakonia. Das bedeutet aber: Im eucharistischen Gottesdienst tut die Kirche das, was sie auch sonst zu tun hat: sie bringt Gottes Wort zu Gehör, sie vollzieht den Gottesdienst des Lebens im Zeichen des Opfers, sie richtet ihren Blick auf die, denen sie zu dienen gesandt ist. Im eucharistischen Gottesdienst tut sie es in gedrängter, in verdichteter Form. Wir können auch sagen: im eucharistischen Gottesdienst tritt in symbolischer Konzentration hervor, was zu vollziehen die Kirche im Ganzen und durchgehend berufen ist. Wenn man den Sinn des eucharistischen Gottesdienstes so bestimmt, wird auch deutlich, dass er kein isoliertes Ereignis ist, sondern dass er vielfach mit dem vernetzt ist, was die Kirche durchgehend ist und immer zu sein hat. Aus alldem wird ganz deutlich, was gemeint ist, wenn man sagt: die Eucharistie ist eine Feier der Kirche.
Kirche ist Gemeinschaft
Ich möchte hier noch eine weitere Überlegung anschließen. Manchmal wird vorgeschlagen, dass man die drei Leitmotive „Martyria – Leiturgia – Diakonia“ um ein viertes ergänzt. Es lautet: „Koinonia“, lateinisch: Communio, deutsch: Gemeinschaft. Das Anliegen, das sich da meldet, ist zu begrüßen: Christen sollen ja eine Gemeinschaft bilden, untereinander und dann auch mit ihrem Herrn, mit Christus. Wenn wir aber genau denken und sprechen wollen, dann ist es richtiger, wenn wir das Motiv „Koinonia“ nicht als viertes zählen und zu den anderen auf der gleichen Linie hinzufügen, sondern der Begriff „Koinonia“ kann uns auch an etwas Anderes denken lassen, und dies ist dann richtiger: „Koinonia“ meint nämlich die Größe, die die drei anderen Vollzüge trägt, die sich in den drei anderen Vollzügen darstellt und dann auch neu belebt wiedergewinnt. Also: es ist die „Koinonia“, die Gemeinschaft, die die Verkündigung trägt, die das eucharistische Mahl feiert, die sich zum Dienst gerufen weiß. Und wenn die „Koinonia“ dies wirklich tut, so lebt sie darin, so erfüllt sie sich darin.
Von Gott gestiftet
Die Gemeinschaft ist nun nicht eine unter anderen vielen menschlichen Gemeinschaften. Sie hat ihre Besonderheit darin, dass sie die vom erhöhten und österlich zur Rechten des Vaters sitzenden Herrn gerufene, ihm gehörende Gemeinschaft ist. Das ist ihr tiefstes Wesen. Und darum ist es auch die Verbindung der Gemeinschaft mit ihrem Herrn, die ein neues Leben gewinnt, wenn der eucharistische Gottesdienst gefeiert wird. Dass die „Koinonia“ der Kirche ihre tiefste Begründung darin hat, dass sie dem Herrn Christus zugeordnet ist, ja gehört, das bildet sich in ihrer Gestalt ab. Der Bischof vergegenwärtigt innerhalb der sichtbaren Gestalt der Gemeinschaft der Kirche Christus. Darum ist diese Gemeinschaft wesentlich und immer eine bischöflich verfasste Gemeinschaft. Hier stoßen wir auf das, was wir meinen, wenn wir die Kirche als eine sakramental verfasste Gemeinschaft bezeichnen. Und dies alles tritt im eucharistischen Gottesdienst sichtbar zutage. Der geweihte Priester handelt in der örtlichen eucharistischen Versammlung an der Stelle und im Auftrag des Bischofs, so dass dann auch gewährleistet bleibt, dass jede rechtmäßige eucharistische Versammlung unter der Leitung des Bischofs steht – wie es im letzten Konzil formuliert wurde. Hier haben wir den entscheidenden Grund dafür, dass es keine gültige eucharistische Versammlung gibt, die sich nicht im Zusammenspiel von Priester und Gemeinde, von Bischof und Volk Gottes ereignet.
Eucharistie als Wandlung
Was tun wir, wenn wir an der Feier der Eucharistie teilnehmen? Wenn wir es in einem einzigen Satz sagen wollen, können wir sagen: hier lassen wir uns wandeln zu lebendigen Gliedern des Leibes Christi, der Kirche, also: der Koinonia, die sich vollzieht in der Martyria, der Leiturgia, der Diakonia. Es ereignet sich, dass unsere in der Taufe schon grundgelegte Gliedschaft im Leib Christi, der Kirche, sich darstellt und bestätigt und vertieft wird. Wir sind es gewöhnt, den Begriff der Wandlung in der Eucharistiefeier allein auf den Vorgang zu beziehen, der sich auf die Wandlung des Brotes zum eucharistischen Leib bezieht und mit dem Sprechen der Einsetzungsworte durch den Priester verbunden ist. Das ist nicht falsch, und wir werden darauf zurückkommen. Aber jetzt gilt es, in den Blick zu nehmen, dass der Begriff der Wandlung weiter zu fassen ist.
· Im Wortgottesdienst wird uns Gottes Wort zugetragen. Wir hören es und nehmen es in uns auf, und so werden wir zu Menschen gewandelt, die glauben bzw. deren Glaube erneuert und gefestigt wird.
· Der Mahlgottesdienst zielt auf die Wandlung der den Leib des Herrn empfangenden Christen. Wenn sie schon durch die Taufe der Kirche zugehören, so wird im Empfang des Leibes Christi diese Zugehörigkeit bestätigt, vertieft, gefestigt.
Der Heilige Geist wandelt
Nun müssen wir, wenn wir von der Wandlung, die im Empfang des Leibes des Herrn an uns selbst geschehen soll, sprechen, noch etwas Wichtiges hinzufügen: wenn sich diese Wandlung wirklich und segensreich ereignet, dann ist das ein Werk des Heiligen Geistes. Wir rufen in manchen Liedern den Heiligen Geist auf uns herab und nennen ihn dann „Schöpfer Geist“. Ja, so ist es: wenn Gott etwas Neues wirkt, so tut er es durch das Wirken seines Heiligen Schöpfer-Geistes. Das gilt auch in der Eucharistiefeier: die Wandlung, die sich mit uns ereignen soll, wenn wir den Leib Christi empfangen, ist nur als ein Werk des Heiligen Schöpfer-Geistes möglich. Darum ist es ganz wichtig, dass wir in der Heiligen Messe um den Heiligen Geist bitten. Wir nennen dieses Gebet das Epiklese-Gebet. „Epiklese“ bedeutet hier: Herabrufung des Heiligen Geistes. Ein sehr altes und schönes Epiklese-Gebet findet sich vor. Es steht in der auf Johannes Chrysostomus zurückgehenden Göttlichen Liturgie, die die orthodoxen Kirchen feiern:
„Wir rufen dich an, wir bitten dich und flehen dich an: Sende deinen heiligen Geist über uns alle und über diese Gaben, damit alle, die daran teilhaben, Reinigung der Seele, Vergebung der Sünden, Gemeinschaft des Heiligen Geistes erlangen.“
Es kommt hier auf das kurze, aber ganz wichtige Motiv an „Sende deinen Heiligen Geist über uns alle“. Er, der Schöpfer Geist, soll uns, ja uns wandeln. Das ist der Sinn der heiligen Kommunion, wie wir diesen entscheidenden Teil der Eucharistiefeier nennen. In dem Epiklese-Gebet der orthodoxen Liturgie bittet die Kirche aber nicht nur darum, dass „wir alle“ werden, was wir empfangen: Leib Christi, wie Augustinus formuliert, sondern auch, dass der Heilige Geist „die Gaben“ wandle. Die Gaben, das sind Brot und Wein. Er möge sie wandeln, damit sie seien der Leib und das Blut Christi. Hier zeigt sich: das Gebet um den Heiligen Geist, das wesentlich zur Eucharistiefeier gehört, ist die Bitte um eine zweifache Wandlung: die Menschen sollen gewandelt werden, aber auch die Gaben sollen gewandelt werden. Dazwischen waltet eine innere Ordnung: die Gaben sollen zum Leib und Blut Christi gewandelt werden, damit sie in der heiligen Kommunion empfangen werden und sich darin die zweite Wandlung ereignet: die der Menschen. Vielleicht sind jetzt einige unter uns beunruhigt. Wird hier eine neue Lehre vorgetragen? Haben wir nicht etwas Anderes gelernt und bisher auch praktiziert, dass nämlich die Wandlung von Brot und Wein zum Leib und Blut Christi sich ereignet, wenn der geweihte Priester über ihnen die Worte spricht, die Jesus bei der Einsetzung der Eucharistie im Abendmahlssaal gesprochen hat: „Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut“? Es ist richtig, dass wir uns daran gewöhnt haben und so auch unterrichtet worden sind, dass das Sprechen der Einsetzungsworte durch den Priester die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi bewirkt. Dies soll nun nicht in Frage gestellt werden. Aber es ist doch gut begründet, wenn wir die Wandlung der Gaben nicht ausschließlich daran binden, dass der Priester die, wie wir sagen, Wandlungsworte spricht.
Wandlung im Gesamt des Hochgebetes
Es ist richtiger, wenn wir die Wandlung der Gaben in den Leib und das Blut Christi sich im Miteinander wenigstens dreier Worte sich ereignen lassen. Es sind die Worte der Erinnerung, der Anrufung und der Lobpreisung, die in das eucharistische Hochgebet eingeflochten sind. Woran haben wir zu denken? Wir haben über das Wort der Anrufung, das ist das Wort der Epiklese, schon gesprochen. Wir alle haben es ungezählte Male gehört und trotzdem vielleicht, was seine große Bedeutung für die Eucharistiefeier betrifft, doch auch überhört. In einem unserer gebräuchlichen Hochgebete lautet das Gaben-Epiklesegebet so: „So bitten wir dich, Vater: der Geist heilige diese Gaben, damit sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus“. Also: wie der Heilige Schöpfer-Geist uns wandelt, wenn wir den Leib Christi empfangen, so wandelt er, der Schöpfer-Geist, auch die Gaben von Brot und Wein zum Leib und Blut Christi. Das könnte ein Mensch ja gar nicht vollbringen. Auch der Priester kann nur darum bitten, dass der Heilige Geist selbst es tut. Wird er es tun? Haben wir eine gläubige Gewissheit, dass er es tut? Diese Gewissheit haben wir; denn Jesus hat es im Abendmahlssaal verheißen, als er das Sakrament der Eucharistie einsetzte und dann sagte: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Dies also ist der Sinn der Einsetzungsworte, die der Priester spricht. In ihnen lässt er die Erinnerung an die Verheißung und an den Auftrag Jesu laut werden. So haben wir nun schon zwei der drei Worte benannt: das Wort der Anrufung und das Wort der Erinnerung. Wir können es auch einmal in griechischer Sprache sagen: das Wort der Epiklese und das Wort der Anamnese. Und dann das dritte Wort, das zur Wandlung der Gaben in das eucharistische Brot gehört. Wir können es nennen das Wort der Lobpreisung. Es ist ebenfalls ganz wichtig und darüber hinaus ganz alt. Von ihm ist schon im ersten Bericht über eine Eucharistiefeier, dem Bericht von der Begegnung der Emmausjünger mit dem auferstandenen Herrn, die Rede. Da heißt es ja: „Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen.“ Jesus sprach den Lobpreis. Hinter diesem Wort verbirgt sich eine lange, aus dem Judentum stammende Gebetspraxis. Es handelt sich um den immer wieder und in vielen Situationen zu betenden Lobpreis Gottes, wie wir ihn zum Beispiel auch im Bereich der Gabenbereitung in unserer Messe kennen. Da betet der Priester solch einen Lobpreis, hebräisch: berakah, griechisch: eulogia oder, was dasselbe ist: eucharistia. Er sagt: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, du schenkst uns das Brot, du schenkst uns den Wein, die Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit…“ Im Bereich des eucharistischen Hochgebets wird an die Lobpreisung erinnert, die Jesus gesprochen hat und unter deren Sprechen er das Sakrament der Eucharistie eingesetzt hat. Im Markusevangelium heißt es beispielsweise so: „Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach das Dankgebet – was dasselbe ist wie das Lobgebet -…Dann nahm er den Kelch und sprach das Dankgebet“ – auch hier haben wir wieder an das Lobgebet, an die Eucharistia, zu denken. Diese kleine Notiz, dass Jesus das Lob- und Dankgebet sprach und sich dabei das Brechen des Brotes und seine Wandlung ereignete, ist in der Liturgie unserer Kirche aufgegriffen und breit entfaltet worden. Und nun haben wir in jeder Eucharistiefeier das Lobgebet in der Gestalt des sogenannten eucharistischen Hochgebets oder der Anaphora, um es griechisch zu sagen, vor uns.
Dies alles bedeutet: die Wandlung des Brotes und des Weines in den Leib und das Blut des Herrn geschieht nicht nur dann, wenn der Priester die sogenannten Wandlungsworte, das heißt die Einsetzungsworte spricht, sondern im Ganzen des eucharistischen Hochgebets, das heißt, wenn er – im Namen der Gemeinde und in der Vollmacht des Herrn - das Wort der Lobpreisung spricht, in dem dann auch das Wort der Anrufung, das ist das Wort der Epiklese, und das Wort der Erinnerung, das ist das Wort der Anamnese, vorkommt. Und wenn wir dann das gewandelte Brot und den gewandelten Wein empfangen, ereignet sich die Wandlung unserer selbst in lebendige Glieder des Leibes Christi.
Eucharistie heißt, sich beschenken lassen
Wir können davon ausgehen, dass dem Evangelisten Johannes diese Wandlung vor Augen stand, als er seinem Evangelium seinen Eucharistietext einfügte. Es ist ja schon vielen aufgefallen, dass er da, wo es um die Einsetzung des Sakramentes der Eucharistie geht, nicht, wie die drei anderen Evangelisten, an die Überlieferung der Einsetzungsworte, die Jesus gesprochen hat, erinnert, sondern von der Fußwaschung erzählt. So wollen wir uns diesem Bericht einmal zuwenden. Als Jesus mit seinen Jüngern vor seinem Tod Mahl hielt, da legte er plötzlich sein Gewand ab, umgürtete sich mit einem Leinentuch, goss Wasser in eine Schüssel und wusch den Jüngern ihre Füße. Dann trocknete er ihre Füße mit einem Leinentuch ab. Was ging damals in den Jüngern vor? Wie haben sie diesen Sklavendienst, den Jesus an ihnen verrichtete, empfunden? Was haben sie von dem, was sich da in Wahrheit ereignete, verstanden? Wir wissen es nicht, der Evangelist teilt es nicht mit, nur die Reaktion des Petrus ist festgehalten. Bei Petrus war nämlich die Fußwaschung von einem kurzen, aber wesentlichen Dialog begleitet. „Du, Herr, willst mir die Füße waschen?“; „Niemals wirst du mir die Füße waschen“; „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir“, das heißt: hast du keine Kommunion mit mir; „Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt.“ Hier erleben wir, wie Petrus verwandelt wird und sich wandelt. Er geht in diese Begegnung hinein als jemand, der noch meint, sein Leben letztlich aus seinen eigenen Kräften verstehen und gestalten zu können. Er ist schon bei Jesus, aber hat in Wahrheit noch nicht Anteil an ihm, weil er noch vom Vertrauen auf das Eigene lebt. Nun, im Dialog mit dem ihm die Füße waschenden Jesus, lernt Petrus, dass das für ihn Entscheidende nicht aus seinen eigenen Fähigkeiten aufsteigt, sondern dass er dies an sich geschehen lassen muss. Nur so wird es ihm zu eigen. Er muss lernen, dass er zum Leben in Fülle nur gelangt, wenn er es sich schenken lässt. Jetzt muss er sich von Jesus die Füße waschen lassen, auch wenn das alle seine mitgebrachten Vorstellungen durchkreuzt. Er muss lernen, dass das sein Leben Tragende und Erfüllende dadurch in sein Leben tritt, dass es durch einen anderen, durch Jesus, zu seinen Gunsten geschieht. An ihm, Petrus, liegt es da nur noch, dies wahr sein zu lassen, auch an sich selbst. Das ist keine einfache Lektion. Aber Petrus lernt sie: er begreift, was sein Herr ihm gibt und sagt, er lässt den Dienst Jesu an sich geschehen, und so rückt er unversehens in die Nähe der Frau, die auch ein „Es geschehe mir nach deinem Wort“ gesprochen hatte: Maria, die Mutter des Herrn. Die Fußwaschung ereignete sich inmitten des letzten Mahles, das Jesus mit den Seinen gehalten hat. Bei diesem Mahl hat sich Jesus selbst im Brot und Wein den Jüngern geschenkt. Die Fußwaschung weist auf den inneren Gehalt des eucharistischen Mahles hin. Wie es bei der Fußwaschung darauf ankam, dass Petrus sich wandeln ließ, so kommt es auch beim eucharistischen Mahl darauf an, es geschehen zu lassen, dass der den Leib des Herrn Empfangende sich in seinen Leib, der die Kirche ist, wandeln lässt oder: sofern die Einfügung in diesen Leib schon durch die Taufe geschehen ist, sich zu dem wandeln lässt, der die Zugehörigkeit zu diesem Leib nun lebendiger lebt.
Wenn wir in der gläubigen Teilnahme am Wort- wie am Mahlgottesdienst in unserer Zugehörigkeit zur Kirche, dem Leib Christi, gestärkt wurden, sind wir auch eingeladen und aufgerufen, anderen Menschen zu dienen. Wir tun es schon im Gebet für sie – in den Fürbitten – und im Teilen unserer Gaben – in der Kollekte. Am Ende der Eucharistiefeier werden wir in die Welt gesandt, wo wir unser Christsein neu zu leben und zu bezeugen aufgerufen sind.
Werner Löser S.J.