Mögliche Wahlmanipulationen, Proteste, dann der Militärputsch: In Mali wiederholt sich scheinbar die Geschichte des Jahres 2012. Im Gegensatz zu damals sind dieses Mal allerdings tausende Soldaten, unter anderem aus Deutschland, in dem westafrikanischen Staat stationiert. Wie konnte eine solche Eskalation unter deren Augen vonstattengehen?
„Aus unserer Sicht ist die Sahel-Region ohnehin ein Ort der Instabilität“. In diesen Worten schwingen bereits das Versagen und die Hilflosigkeit mit, die sich in den letzten Jahren bei den internationalen Truppen in Mali breit gemacht zu haben scheinen. Gesagt hat sie ein Sprecher der Bundeswehr gegenüber der Deutschen Welle. Ganz so, als seien die deutschen Soldaten nicht nach Mali geschickt worden, um dort Hilfe zu leisten bei der Überwindung dieser Instabilität. Als seien sie nie dort gewesen.
Separatismus & Terror
Als das Militär 2012 geputscht hatte – übrigens ausgehend von denselben Kasernen wie dieses Mal – waren die latenten Konflikte innerhalb Malis schlagartig an die Oberfläche getreten und das Land versank in Gewalt. Die Tuareg begannen ihre Rebellion in den nördlichen Sahara-Gebieten und versuchten dort, einen eigenen Staat zu gründen. Islamistische Gewalt griff um sich. Und schließlich entschied sich die ehemalige Kolonialmacht Frankreich zur Intervention. Es folgten die UN sowie die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS.
Mit Sicherheit war der nun abgesetzte Präsident Ibrahim Boubacar Keïta korrupt, möglicherweise hat er die Wahlen wirklich gefälscht. Allerdings blieb ihm auch sieben Jahre lang nicht viel anderes übrig, als den Scherbenhaufen des letzten Putsches aufzukehren. Er hat Terror und Separatismus nicht unter Kontrolle bekommen. Teilweise dürften ihm dabei aber auch die Streitkräfte im Weg gestanden haben.
Gewinnen Islamisten die Oberhand?
Auch dieses Mal könnten Islamisten wieder die Oberhand gewinnen. Die Protestbewegung der letzten Wochen hatte sich vor allem um den salafistischen Imam Mahmoud Dicko gesammelt. Der hat zwar keine direkten Verbindungen zu Terroristen, bezeichnete Anschläge aber schon als „„Strafe Gottes“ „Strafe Gottes“ für Alkoholkonsum und Homosexualität. Rechtfertigungen, die Schlimmeren als ihm Tür und Tor öffnen könnte. Die neue Junta ist allerdings bereits auf ihn zugegangen, um sich seiner Unterstützung zu versichern. Anhänger der Proteste feierten nach dem Putsch auf den Straßen Bamakos.
Warum konnten Bundeswehr, UN- und ECOWAS-Truppen diesen Putsch nicht verhindern, scheinbar nicht einmal erahnen? Ein direktes Eingreifen kommt selbstverständlich nicht in Frage, doch scheinbar ist es auch ihnen nicht gelungen, zur Wurzel des Problems vorzudringen. Sehen wir uns die weitere Aussage des Bundeswehrsprechers von oben an, wird auch klar, weshalb:
Die Instabilität, sagt er, sei „eine der großen Ursachen für die Migrationsbewegung Richtung Europa.“ Hier entlarvt sich der Einsatz selbst. Die Kausalkette, die zur Intervention führt, wird selbstverständlich von Europa aus Gedacht: Hier kommen Menschen aus Afrika an, um Asyl zu suchen. Warum kommen sie? Wegen der Instabilität in ihren Heimatländern. Die muss also überwunden werden, so der Gedankengang im Westen.
Armut schürt Konflikte
Was macht die Bundeswehr nun als Gründe für diese Instabilität aus? Ethnische Konflikte und Extremisten sagt der Bundeswehrsprecher. So weit, so offensichtlich. Woher diese Probleme aber kommen interessiert natürlich nur wenig, wenn es in Wahrheit gar nicht um die dortige Bevölkerung, sondern um die im reichen Norden geht. Es soll den Maliern nicht besser gehen, sie sollen bloß zu Hause bleiben.
Ein Blick auf den Human Developmen Index gibt uns zumindest Anhaltspunkte für die Ursache der Konflikte: Mali steht hier auf Platz 184 von 189. Das ist auch für afrikanische Verhältnisse absolut katastrophal. Zur Armut kommen auch mangelnde Bildungschancen. Nicht einmal die Hälfte aller Malier kann lesen und schreiben. Es überrascht nur wenig, dass vor diesem Hintergrund Separatisten und Extremisten regen Zulauf haben. Die Probleme liegen also an anderer Stelle. Wäre die Sicht des Westens nicht immer nur auf sich selbst fokussiert, könnte er das vielleicht auch sehen.