Eine Instruktion des päpstlichen Ministeriums für die Priester zerstört die Hoffnung, der synodale Prozess in der deutschen Kirche könne als Erfolg verkauft werden. Eine gleichberechtigte Mitverantwortung von Laien in der Leitung einer Pfarrei wird ausdrücklich ausgeschlossen. Die deutsche Kirche muss einen anderen Weg suchen, wie sie ihre bisherigen Pfarreien unter neuen Bedingungen strukturiert. In Afrika gibt es das längst. Ein Kommentar.
In Deutschland schienen jahrzehntelange Bemühungen des Laiengremiums am Ziel. Die Leitung der Pfarrei wird zwischen Pfarrer und Laien geteilt. Das päpstliche Ministerium für die Priester hat 124 Nummern in Druck gegeben. Es hat das gemacht, wozu es da ist. Wie man vom Sozialminister nicht erwarten kann, dass er sich für die Reduzierung der Steuern stark macht, so auch nicht, dass das Priester-Ministerium eine Schwächung seiner Klientel hinnimmt. Die Deutschen hätten, bevor sie ihren synodalen Prozess in eine bestimmte Richtung lenkten, die Abteilung der Kurie, die für Laien zuständig ist, einbeziehen sollen. Selbst der Papst hat schon im Vorlauf zu der Synode deutlich gesagt, dass die deutsche Kirche nicht die Vorreiterrolle hat, wie vor dem letzten Konzil, als die Liturgische Bewegung, das Verbändewesen u.a. vom Konzil für die ganze Kirche aufgenommen wurden. Wohl mehr das Zentralkomitee der Laien als die deutschen Bischöfe scheinen zu denken, dass die Katholische Kirche auf Reformbemühungen aus Deutschland wartet. Die Überzeugung, dass die Kirche in Deutschland noch eine Vorreiterrolle ausübe, ist ziemlich realitätsfremd. Andere Regionen der Weltkirche haben die Impulse des Konzils weiterentwickelt. Aus den vielen Ansätzen in Deutschland während der 70er-Jahre ist nicht viel geworden. Es ist nur noch das Geld, das man aus Deutschland erwartet.
„katholisch“ gilt nicht zuerst „Geld“, sondern kirchliche Beteiligung
Es gibt protestantische Traditionen, eher unter den Reformierten, die das Geld als Maßstab auch für kirchlichen Erfolg einschätzen. Katholische Mentalität hat es eher mit Feiern, gut Essen und Wallfahren. Anders als in Deutschland ist sie eine junge Kirche, die in Afrika und Asien wächst. Rom schaut zuerst auf die Beteiligungsbereitschaft der Jungen. Die gibt es in Deutschland zwar. Sie wird aber nicht sichtbar bei den Gottesdiensten und kaum in den Pfarreien, erreicht die innerkirchliche Aufmerksamkeit hin und wieder mit der 72- Stundenaktion des BDKJ oder mit Night-Fever. Allerdings kommt aus den Jugendverbänden nicht mehr der Priesternachwuchs wie noch bis in die 60er-Jahre. Hier kann man die Kleruskongregation verstehen:
Priesternachwuchs für ein Laiengremium?
Die Kleruskongregation hat natürlich ein Auge auf die Nachwuchszahlen. Die sind in Deutschland zu einem Rinnsal geworden. Überhaupt scheint es kaum noch den direkten Weg vom Abitur ins Priesterseminar zu geben. Es sind eher Ältere und sogar Männer aus protestantischen Elternhäusern, die eine Berufungserfahrung gemacht haben. Setzt man sich im Geiste an einen römischen Schreibtisch, wird man doch mit sorgenvollem Gesicht nach Deutschland blicken, ob es überhaupt noch Priester in katholischer Tradition geben wird, wenn der Priester unter einer Mehrheit von Laien seine spezielle Leitungsaufgabe ausüben soll. Als besonders bemüht um Priesternachwuchs konnte man das oberste Gremium der Laien bisher nicht erleben. Es hat nur deutlich gemacht, dass es die bisherige Rollenverteilung in den Pfarreien ablehnt. Sind aber Ansätze weiterentwickelt worden:
Priester nach der Wende und in Verbänden
Als die DDR implodierte, haben Priester den Laien den Vortritt gelassen. Als die Länderparlamente installiert wurden, ließen sich sehr viele evangelische Pfarrer in die Land- und Kreistage sowie in die kommunalen Parlamente wählen, während die katholischen Priester Zurückhaltung übten. Genau da, in die gesellschaftlichen Prozesse, gehören nach der Konzeption des II. Vatikanums die Laien, nämlich dahin, wo die Priester kaum gelangen können. Effekt dieser Zurückhaltung war, dass die Katholiken, obwohl nur 3% der mitteldeutschen Bevölkerung, sehr viele Regierungsämter übernahmen. Diese Erfahrung scheint am Zentralkomitee, das in Bad Godesberg seinen Sitz hatte, vorbeigegangen zu sein.
Schon die vorkonziliare Kirche kannte ein Rollenverhältnis, welches noch bei den Verbänden weiterlebt. Der Pfarrer ist nicht der örtliche Vorsitzende. Ich selbst habe mich an das Vorbild gehalten und bin nicht im Vorstand eines Vereins, dessen Gründung ich mit betrieben habe, sondern bin geistlicher Beirat. Das ist eine gute Rolle. Ich habe damit die Möglichkeit, eine andere Dimension zur Sprache zu bringen und kann aus einer Position sprechen, die keine Projekte oder Interessen durchsetzen muss. Es gibt einen noch gewichtigeren Grund, warum man das römische Njet ausloten sollte. Was will eigentlich Gott mit der Kirche in Deutschland?
Die Pfarrei als Sozialmodell funktioniert nicht mehr
Die Kirche in Deutschland ist mit einer neuen Realität konfrontiert, in der das früher so erfolgreiche Sozialmodell Pfarrei nicht mehr funktioniert. Das haben mir schon 1998 Pfarrer, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferentinnen in einem Kurs gesagt, der ein anderes Thema hatte. Als Ordensmitglied, dessen Erfahrungswelt die Medienproduktion ist, hatte ich das nicht mitbekommen. Mit den Gottesdienstübertragungen habe ich immer lebendige Gemeinden erlebt. Noch deutlicher konnte ich bei Kursen in Erfurt u.a. Orten der ehemaligen DDR die Pfarrei als erfolgreiche Sozialform erleben. Die Kursteilnehmer, die das Ende der Pfarrei feststellten, waren jedoch näher an der bundesrepublikanischen Realität. Dass es kaum Priesternachwuchs gibt, könnte doch daran liegen, dass die jungen Leute sich fragen, ob sie ihr Leben für etwas einsetzen sollen, an das die Betreiber selbst nicht mehr glauben. Mit dieser Realität, dass ein sehr erfolgreiches Modell nicht mehr funktioniert, sind auch andere konfrontiert. Wie die Diözesen legen auch die Zeitungshäuser ihre Ausgaben zusammen. Da ist man schon so weit, als würde man die katholische mit der lutherischen oder reformierten Gemeinde fusionieren. Es geht auch anders.
Die Kirche in Afrika
Die Bischöfe haben für den ganzen Kontinent ein Modell vorgegeben, das bei einem Kurskollegen, der in Daressalam Pfarrer ist, zu 16 Nachbarschaftsgruppen geführt hat, die sich selbst organisieren, ohne dafür den Pfarrer zu brauchen. Sie treffen sich einmal während der Woche zum Gebet und zur Nachbarschaftshilfe. Liturgie, Katechese, Diakonie sind in Wechselwirkung. Im deutschen System ist das alles getrennt. Die einen gehen zur Messe, die meist nur noch einmal in der Woche in der Kirche in ihrer Nähe stattfindet, andere gehören zu einem Bibelkreis, andere engagieren sich aritativ oder in einer Flüchtlingshilfe. Nach kirchlicher Lehre bilden die drei Funktionen Gottesdienst, Verkündigung, Caritas zusammen das christliche Gemeindeleben. Das würde auch die kleineren Gruppierungen lebendig halten, würde man in Deutschland auf das Konzil vertrauen und es einfach umsetzen. Dann wäre es auch nicht so schwer, missionarisch zu werden, was der Papst der deutschen Kirche ans Herz gelegt hat und was auch Hauptpunkt der Instruktion ist.
Das Priesteramt
Es scheint, dass die bisherige innere Struktur des Priestertums so zerstört ist, dass es als Möglichkeit der Berufswahl bei Abiturienten schon gar nicht mehr „auf dem Schirm“ ist. Das Zentralkomitee der katholischen Laien scheint sich zuzutrauen, diesen Berufsweg wieder lebbar zu machen. Bisher hörte man nur, dass das mit der Abschaffung der verpflichtenden Ehelosigkeit eine ganz einfache Sache sei. In den verschiedenen Diözesansynoden müsste es doch schon Ansätze dazu gegeben haben. Von der Trierer Synode ist zu hören, dass einige Zeilen über das Priesteramt erst in der letzten Sitzung in das Dokument eingefügt wurden. Ehe man vorschnell eine Lösung verspricht, sollte man vielleicht erst mal schauen, was an dem vom Konzil von Trient geformten Priesterbild so viele junge Männer in den 1930er-Jahren fasziniert hat, dass die Bischöfe damals gar nicht so viele Stellen hatten, um den Nachwuchs unterzubringen. Viele sind zu großen Persönlichkeiten gereift. Heute redet man hauptsächlich über die, deren Biografie nicht so gelungen ist. So ergeht es auch den Lehrern. Dabei beinhalten doch beide Berufe große Potentiale für die Persönlichkeitsentwicklung. Es ist aber nicht nur die ständige Infragestellung des bisherigen Priestertums, die diese Beruf innerlich ausgehöhlt hat.
Als die bischöflichen Verwaltungen immer größer wurden und die Priester jetzt wegen Allem und Jedem nachfragen müssen, kam das Gefühl auf, mit dem Zölibat verkaufe man sich an eine Institution und folge nicht mehr dem ehelosen Jesus nach. Vom Zentralkomitee der Katholiken kam die über Jahre verfochtene Tendenz hinzu, den Unterschied zwischen Priestern und Laien einzuebnen. Oder wie soll man die Nr. 1 der Agenda katholischer Laien verstehen: Abschaffung des Zölibats. Ein Ethnologe erklärte mir einmal, dass das Sakrale in fast allen Kulturen eine eigene Rolle ausbildet. Es muss ja als unterschieden von der alltäglichen Welt dargestellt werden. Wenn es die Ehelosigkeit nicht mehr sein soll, was ist es dann? Man könnte im synodalen Prozess doch mal andersherum denken: Warum sollen die Leute in die Kirche kommen und sich nicht gleich zum Brunch im Pfarrheim treffen?
Das römische Dokument ist nicht kohärent
Finden sich in der römischen Instruktion Konturen, die ein neues Priesterbild aufscheinen lassen? In Nr. 67 heißt es:
„Da der Pfarrer der «eigene Hirte der ihm übertragenen Pfarrei» ist, vertritt er von Rechts wegen die Pfarrei bei allen Rechtsgeschäften. Er ist der verantwortliche Verwalter des pfarrlichen Vermögens, das als „kirchliches Vermögen“ den entsprechenden kanonischen Normen unterliegt."
Genau diese Regelung hat den Pfarrer in Deutschland seiner seelsorgerlichen Berufung entfremdet. Weil er für viel mehr Personal und Geld zuständig ist, macht ihn das bei dem hohen Bürokratisierungsgrad der deutschen Kirche zu einem Dienstleister für die bischöfliche Verwaltung.
Das römische Dokument ist seltsam gespalten. Im ersten Teil wird von der missionarischen Ausrichtung der Pfarrei gesprochen, Papst Franziskus wird oft zitiert. Der zweite Teil referiert dann nur die bisherigen Bestimmungen, so dass der Eindruck entsteht, die im Titel angekündigte „pastorale Umkehr der Pfarreien“ müsse in das bisherige Regelwerk eingepasst werden. Da viele deutsche Bischöfe es ablehnen, wird es bald vergessen sein. Es zwingt allerdings die Katholische Kirche in Deutschland, gründlicher zu beraten und auf neue Impulse zu hören. Viele andere Länder zeigen, dass man mit den römischen Regelungen sehr viel kreativer Kirche machen kann.
Der Text des Dokumentes hier: Im Wortlaut: Die Instruktion zur pastoralen Umkehr der Pfarreien (Quelle: Vatican News)