Pandemie – Gott nichts unterstellen

Covid-19 sei eine Strafe Gottes, so spekulieren nicht nur Astrologen, sondern auch Theologen. Eine Erklärung für die weltweite Wirkung zu suchen, ist verständlich. Dazu nutzt man besser den von Gott gegebenen Verstand, als in magische Deutungen auszuweichen.

Theologen, selbst im Rang eines Bischofs, werden von Gott nicht in seine Pläne eingeweiht. Dass das Coronavirus auch von der Vorsehung berücksichtigt wird, kann der Theologe aus seiner Bibelkenntnis ableiten, dass Gott sich nicht ein solches Übel ausdenkt. Denn in der Bibel steht, dass Gott seinen Sohn gesandt hat, um die Welt zu retten. Schon die Bibel der Juden erzählt unmissverständlich, dass Gott die Menschheit nicht ihrem Schicksal überlässt. Aber er entbindet den Menschen nicht davon, vorausschauend zu handeln. Das kann man sich an einem einfachen Beispiel klarmachen.

Ein Auto mit kaputter Bremse

Wenn ich weiß, dass meine Bremsen nicht funktionieren, aber trotzdem wie immer losfahre und bei einer riskanten Situation meinen Wagen nicht zum Stehen bringe, dann ist der Unfall keine Strafe Gottes. Sollte ich von einem Baum zum Halten gebracht worden sein und nicht von einem entgegenkommenden Auto, kann ich Gott nur danken, dass ich nicht noch andere umgebracht habe.

Die Bremsen der Globalisierung

Würde die These stimmen, dass Gott Covid-19 als Strafe geschickt hat, dann könnte das jedenfalls nicht global gelten. Denn warum hatten etwa Singapur und Südkorea einen Plan, das so perfekte Deutschland wie auch die noch besser organsierte Schweiz keinen? Nicht nur Bill Gates hat frühzeitig, 2015, darauf hingewiesen, dass die Globalisierung die Gefahr einer Pandemie mit sich bringt. Wir beziehen einen großen Teil der Medikamente aus Asien. Wir alle können mit einer mittleren Intelligenz aus dieser Tatsache schließen, dass nicht nur Heilendes, sondern auch Krankmachendes auf diesem Weg zu uns kommen kann.

China hätte es wissen müssen

Es ist uns zwar erst durch Corona bekannt gemacht worden, dass die chinesischen Tiermärkte schon früher Ausgangspunkte für neue Viren waren. Die Chinesen wussten auf jeden Fall, dass verschiedene Tierarten so übereinander in Käfigen gestapelt werden, dass Virenstämme sich vermischen können. Auf diese Weise entstehen sicher auch viele andere Viren, die aber nicht so konstruiert sind, dass sie sich wie Covid-19 Eingang in die menschliche Zelle verschaffen können.

Noch einfacher wäre es gewesen, wenn die Behörden in Wuhan auf die Ärzte gehört hätten, statt sie zu bedrohen. Dass das Virus auf das Gebiet von Wuhan begrenzt werden konnte, haben die Maßnahmen danach gezeigt. China ist mit dem Virus viel besser fertig geworden als die USA. Folglich müsste man sagen: Hätte tatsächlich Gott Covid-19 als Strafe geschickt hat, dann nicht für China. Denkt man die Straf-Hypothese weiter, dann müsste es Gottes Wille sein, wer Präsident in den USA und Brasilien geworden ist. Denn dort sind die meisten Toten zu beklagen. In beiden Ländern waren es aber erst mal die Wähler. Wer hier wen bestraft hat, können die Politikwissenschaftler besser erklären als die Theologen. Es ist doch wohl so, dass wenn Strafe, diese die Länder sehr unterschiedlich trifft. Deshalb müssten die Vertreter der Straftheorie sich schon die Mühe machen, zu erklären, warum die Epidemie die USA so viel mehr Tote kostet als China.

Die WHO

Nun haben die Regierungen ihren Verstand genutzt und damit eine überstaatliche Institution eingerichtet, die frühzeitig Maßnahmen koordiniert. Das hat die WHO aber nicht geleistet, obwohl von Taiwan frühzeitig informiert. Immerhin steht bei Covid nicht 20, sondern 19: Corona Virus Disease 2019. Es ist also offiziell, dass Corona bereits 2019 ausgebrochen ist. Mit seiner Kritik an der WHO hat der US-Präsident also nicht ganz unrecht. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass China die Informationen über das Virus nicht zeitnah und vollständig an die WHO gemeldet hat. Wenn jetzt die USA die WHO durch Geldentzug bestraft, dann müsste das auch in dem Gott unterstellten Strafverfahren begründet sein. Dafür könnte folgende Erklärung herhalten:

Wenn China die Zahlung übernimmt, wird es noch einflussreicher und die USA werden international weiter an Bedeutung verlieren. Nun könnte man hier Gott eine steuernde Hand unterstellen. Denn „America first“ entspricht nicht seiner Vorstellung – und die nicht abreißende Militarisierung von eigentlich religiösen und ethnischen Konflikten kann nicht Gottes Wille sein. Aber das hieße ja, Gott zu unterstellen, er würde mit unguten Mitteln einen guten Zweck verfolgen. Es wird deutlich, dass die Unterstellung, Covid-19 sei von einem himmlischen Büro organisiert worden, schon beim anfänglichen Durchdenken in sich zusammenfällt.

Verstand gebrauchen oder zurück zur Magie

Das Muster, eine Epidemie als Strafe Gottes zu erklären, konnte man in Zeiten, als die Naturerkenntnis noch nicht so weit vorgedrungen war, den Theologen zugestehen. Sie konnten auf diese Weise Grenzen ziehen, die heute von der Medizin vorgegeben werden. Die Menschen mussten sich nicht nur einen Reim auf Katastrophen machen, sie mussten auch entsprechende Vorschriften einhalten. Das Verbot von Schweinefleisch ist wohl darin begründet, die Menschen vor den Trichinen zu schützen. Seit die Herrschaft des Verstandes ausgerufen wurde, greifen die magischen Vorstellungen nicht mehr. Das heißt aber, dass der Verstand an die Stelle der meist sinnvollen Tabus treten muss. Er muss deren Sicherungsfunktionen übernehmen.

Im magischen Denken hätte man ein wirksames Tabu gehabt, z.B. wer keine Maske trägt, in den nistet sich ein Dämon ein. Die Abschaffung solcher Tabus war die Voraussetzung für die Naturwissenschaften, also z.B. für die Untersuchung einer Leiche, um die Krankheitsursache herauszubekommen. Der Einsatz des Verstandes ist auch im Gesellschaftlichen dringend. Dort scheinen die Menschen allerdings nicht den ihnen möglichen Einsichten zu folgen, sondern den Waffen zu vertrauen. Holocaust und Gulag sind Phänomene, die erst nach der Ausrufung der Verstandesherrschaft in diesem Umfang der Vernichtung möglich wurden.

Gottes Geduld mit Verstandeswesen

Nun würde man vermuten, dass die Verstandeskräfte ausreichen, um durch das Tragen von Masken die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, ja dass die Bürger etwas anspruchsvollere Masken tragen, die nicht nur die Tröpfen, die man selber ausatmet, einfangen, sondern als FFP-Masken mit der Nanotechnik auch den eigenen Mund und die Nase schützen. Wer sich außer Hauses begibt und dann beobachtet, wie in einer Arztpraxis eine andere Patientin neben die schützende Glasscheibe treten, um das Personal, natürlich ohne Maske, anzusprechen, fragt sich, ob nicht die früheren Tabus wirksamer waren, als an den Verstand zu appellieren. Wenn man das noch theologisch weiterdenkt, dann braucht Gott Geduld, dass die Menschen tatsächlich ihrem Verstand folgen, denn er hat sie ja dafür mit einem Organ ausgestattet.

Blick auf den Islam

In der jetzigen religiösen Gemengelage gibt es auch muslimische Theologen. Diese folgen der Vorstellung des Korans, dass Allah alles bewirkt, also der eigentliche Urheber auch der Pandemie ist und daher beschließen wird, wann sie aufhören soll. Auch wenn das eine positivere Vorstellung von Gott ist, ihm nämlich nicht eine strafende Absicht zu unterstellen, sind die Folgen ebenso bedenklich. Wenn Allah das Virus herbeigerufen hat, muss die Menschheit sich nicht ins Zeug legen, um einen Impfstoff zu entwickeln, sondern braucht nur zu warten, bis er das Virus zurückruft. Aber sollen wir tatsächlich von Gott so denken, dass er das Coronavirus braucht, um uns zu strafen oder dass wir die Hände in den Schoß legen, um abzuwarten, bis er das Virus in die Schranken weist? Weder für die Christen noch für die Muslime ziemt es sich, Gott wie einen Großkönig zu denken. Er hat uns mit genügend Intelligenz ausgestattet. Die sollten wir doch gebrauchen. Wir sollten nicht die Konzentration lockern, die das Virus uns abverlangt. Neuseeland und Südkorea zeigen, dass die Kräfte des Menschen ausreichen, um die Pandemie zu überwinden.

Wie der Islam Corona sieht: Pfarrbriefservice: Corona von Allah?