Was geben wir, die Seelsorger und Seelsorgerinnen den Jungen, die sich von uns abzuwenden scheinen? Dasselbe Brot wie für die alt gewordene Gruppe der Kirchgänger? Aber das brauchen die jungen Erwachsenen und diejenigen in Ausbildung oder Studium nicht mehr. Überraschend vielleicht, aber sie brauchen mehr Spiritualität und weniger Pfarreibetrieb.
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Vier Punkte sind es aus der Erfahrung des Millennials Matthias Alexander Schmidt:
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Die digitale Welt erzeugt Anstrengung. Die Dreißigjährigen suchen dazu eine Gegenkraft. Sie finden diese in der Kontemplation. Dafür gibt es in der katholischen Kirche Orte; aber viel zu wenige.
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Die Predigten, die die Bibeltexte auslegen, werden als „übergestülpt“ erlebt. Warum: Sie setzen nicht bei dem Lebensgefühl der Digital Natives an, sondern versuchen, Texte aus einer ganz anderen Erfahrungswelt in die Gegenwart zu übersetzen. Die Erklärung des Texts scheint Vorrang zu haben vor der Lebensrealität der Zuhörenden. Predigt wird oft wie eine Vorlesung, als exegetische Erklärung angelegt. Christentum ist aber etwas, dass jemand erst übernimmt, wenn er, wenn sie in ihrer Lebenserfahrung angesprochen wird. Die Bibel hat über Jahrhunderte gezeigt, dass sie die entscheidenden Fragen des Menschen aufgreift. Wenn der Prediger bei einer Erfahrung seiner Zuhörer beginnt, daraus die Frage entwickelt, dann kann das Wort treffen. Dann fühlt sich die Auslegung nicht wie ein Stein an, den die Zuhörer selbst zermahlen müssen.
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Oft hinterlassen Gottesdienste bei den jüngeren Jahrgängen eine melancholische Grundstimmung.
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Die Gremienarbeit und deren Ergebnisse ziehen die jüngeren Jahrgänge nicht an. Wenn Kirche, dann Spiritualität – das könnte die Vorgabe für die Neuorientierung der katholischen Kirche in Deutschland sein. Die bisherige Pfarrei wollen offensichtlich nur noch wenige zu ihrem Beruf machen.
Auch andere Berufe müssen sich dem Nachwuchs öffnen
Ob Handwerksberufe, Pflegekräfte oder Friseure, die meisten Berufe müssen sich auf neue Leitbilder einstellen, die die Dreißigjährigen erwarten und die Zwanzigjährigen fordern. Offensichtlich verspricht der Arbeitsplatz „Pfarrei“ nicht mehr die Sinn- und Glückserfahrungen, die für Menschen in seelsorglichen Berufen angesichts ihrer Anforderungen erfahrbar sein müssten.
Erfragt man bei Gremienmitgliedern wie bei Seelsorgern und Seelsorgerinnen eine Zukunftsperspektive, dann wird das Modell Pfarrei skeptisch gesehen. Manche sagen, dass es nicht mehr funktioniert. Ist es da verwunderlich, dass junge Menschen zurückhaltend bleiben?
Die Pfarrei ist kein Zukunftsmodell mehr
Nun gehen dem bisherigen Pfarreimodell die Priester aus. Auch wenn Bistümer durch Zusammenlegung die Zahl der Pfarreien auf die Zahl der Priester „eindampfen“, für diese Großgebilde braucht man Priester mit Geschäftsführerqualitäten. Da aber der Priesterberuf auf einer spirituellen Berufung aufbaut, wird man kaum Nachwuchs für die Leitungsaufgaben finden.
Es ist der gleiche Zusammenhang wie bei den Jugendverbänden: Wer Gruppenleiter für eine Qualifizierung gewinnt, kann auch Mitglieder ansprechen. Die Georgspfadfinder können mit ihren Erfahrungen anderen Gruppierungen und Verbänden helfen. Das ist mit den neuen Gebilden einer Großpfarrei nicht einfach einzulösen. Sie fordert den Pfarrer weniger auf der spirituellen Ebene, sondern als Organisator. Mit mehr Personal, mehr Kindergärten und Finanzen wachsen die Verwaltungsaufgaben, so dass der Priester immer weniger direkt mit Menschen zu tun hat. Die Laien, die für die Mitarbeit in der Pfarrei angesprochen werden, verbringen sehr viel Zeit in Gremien-Sitzungen. Es braucht in der digitalen Welt die Alternative, das, was die Yogagruppen, der Jakobsweg, die kontemplativen Orte ermöglichen.
Religiosität der Jüngeren: jahrhundertalte Praktiken
Das war in der sog. „Volkskirche“ nicht so dringend. Einmal gab es viele Verbände, die persönliche Begegnung ermöglichten. Zum anderen führten Taufe, Kindergarten, Erstkommunion und Firmung zu einer Gottesdienst- und Sakramenten-Praxis. Es ist, religionssoziologisch gesprochen, der Kirche bei früheren Generationen gelungen, eine religiöse Weltsicht nicht nur aufzubauen, sondern durch eine religiöse Praxis über die Sonntagspflicht, die Ausgestaltung des Kirchenjahres, durch Beichte zu stabilisieren. Seit die Firmlinge nach dem Empfang des Sakramentes nicht mehr im Gottesdienst präsent sind, war dieses Modell bereits obsolet.
Dieser Abbruch lässt sich mit mehr Stellen und auch mit mehr Priestern nur dann umkehren, wenn die bisherige Einführung in eine christliche Lebenspraxis nur weitergeführt wird, sondern wenn die Seelsorger und Seelsorgerinnen mehr verstehen, wie Religiosität bei den Jüngeren erwacht und wie sie sich ausformt. Dafür muss man nicht die Modernisierungsparolen der siebziger Jahre neu beleben. Diese Generation kommt mit ihren alten Vorschläge, nämlich Abschaffung des Zölibates, weniger Regeln, noch mehr Sitzungen, ohne selbst Formen entwickelt zu haben, die den religiösen Kern der nachfolgenden Generationen freizulegen.
Sie haben aber nur weitergeführt, was bereits die Jugendbewegung entwickelt hatte. Die jüngeren Jahrgänge schreien nicht nach Modernisierung, sondern gehen auf jahrhundertalte Praktiken zurück, z.B. die Zen-Meditation oder die Exerzitien des Ignatius von Loyola.
Was kommt nach der Volkskirche?
Wenn mit der jetzigen Generation der Kirchgänger die bisherige Pfarrei nicht mehr bestehen wird, weil die nachwachsenden Generationen sich in dieser Sozialform nicht mehr religiös beheimaten, wird es zu neuen Formen von Gemeinde kommen. Wenn sich neue Formen lebendig abzeichnen, wird es auch junge Menschen geben, die in den neuen Formen groß geworden sind oder von ihnen religiös berührt werden.
Das wird sicher zu einer Neubestimmung der Priesterrolle führen, die wahrscheinlich, wie in früheren Epochen der Kirche, vielgestaltig sein wird. Ob es dann eine Kirche sein wird, die sich um den Gemeindepriester aufbaut, kann man erst sagen, wenn sich die neuen Gemeindeformen herausbilden. Im Moment läuft die Organisationsentwicklung in den deutschen Diözesen darauf hinaus, um immer weniger Priester immer größere Einheiten zu bauen.
Neue Gemeindemodelle
Da es absehbar für dieses Modell keinen Priesternachwuchs gibt, wäre es sinnvoll, mit den jungen Erwachsenen Gemeinde- und Gruppenmodelle zu entwickeln, die diese für ihre Religiosität als zutreffend erleben. Hinweise, wie neue Gemeindemodelle sich aus einer säkularen und digitalisierten Welt heraus entwickeln, können von der anglikanischen Kirche übernommen werden. In England war das Volkskirchen-Modell schon länger ohne Zukunft.
Was können diejenigen, die im Moment den Karren ziehen, für die Zukunft tun:
Sie sollten mit den jungen Erwachsenen, also den Dreißig- und Zwanzigjährigen erkunden, wie Religion sich heute anfühlt, was sie für ihr Wachstum braucht. Das kann zu der ursprünglichen Berufsintuition zurückführen.
Für die Kirchen insgesamt ist es eine gute Nachricht, dass ihre Kernkompetenz gefragt ist, nämlich die Praxis eines religiösen Lebens, nicht nur moralisch, sondern meditativ-spirituell. Es muss nichts vom Bisherigen abgeschafft werden. Die religiös folgenlosen Reformen der Achtundsechziger haben keine neue, tragfähige religiöse Alltagspraxis hervorgebracht. Wahrscheinlich wird das religiöse Leben vielfältiger werden.
Links zum Weiterlesen:
Dass die Dreißigjährigen vor allem Spiritualität brauchen, um der digitalen Welt standzuhalten von Matthias Alexander Schmidt (Kommentar)
Wie der Priesterberuf sich neu formen könnte, wenn die Diözesen auf die jüngeren Jahrgänge zugehen