Auch ARD und ZDF sind Europawahl-Verlierer

Deutschland hat Klimaschutz gewählt. Nicht nur die Parteien, sondern auch ARD und ZDF haben das vorher nicht gemerkt. YouTube hat sich deshalb in die erste Liga gespielt. Auch der weitere, für die Gesellschaft wichtige Prozess spielt sich mehr in den neuen Medien ab. Mit diesem journalistischen Versagen verspielen die Gebühren-Sender ihre Zukunft.


(Screenshot v. YouTube; "Rezo ja lol ey": "Die Zerstörung der CDU.")

Ein Video, 55 Minuten lang, von einem 26-Jährigen gemacht, bringt nicht nur die CDU-Vorsitzende um ihre Kanzlerschaft, sie zeigt auch die Unfähigkeit der etablierten Medien, mit dem Thema etwas zu machen. Berichterstattung, die filmt, wie Kramp-Karrenbauer an der Verfassung vorbeischrammt, indem sie den Vorwahlkampf regulieren will, genügt nicht. Andrea Nahles zieht mit ihrer vorgezogenen Wahl die Aufmerksamkeit von den zentralen Themen ab. In die Talkshows werden weiterhin Parteienvertreter eingeladen. Eine Talk-Show mit den Jungen scheint nicht möglich. Offensichtlich sind nicht nur die Parteien, sondern auch die Sender unfähig, mit den Themen die jüngeren Jahrgänge auf sich zu ziehen. Die sind aber vom Klimawandel betroffen, die Älteren können sich damit aufhalten, darüber zu reden. So gestalten sie den öffentlichen Raum nicht. Ein Video, bald 14-millionenmal angeklickt, schreibt Mediengeschichte:

Die Social Media bringen die Politik auf den Punkt

Das Erste, das Zweite und vor allem die Dritten Programme versammeln die Älteren vor dem Bildschirm. Das ist schon länger so. Offensichtlich sind die Sender in ihren Denkstrukturen auf die Themen dieser Altersgruppen eingeengt. Diese Altersgruppen werden nicht mehr von den Folgen des Klimawandels so erfasst werden wie ihre Enkel. Wegen dieses Abstands zu den Oberstufenschülern, den Zwanzigjährigen und auch den Dreißigjährigen kommt es zu dem seltsamen Umgang mit den jüngeren Jahrgängen. Das Video wird mit seinen Themen nicht aufgegriffen, auch nicht der Klimawandel, sondern ob das Video unfair sei oder ob es sich bei den Freitagsdemonstrationen um Schule-Schwänzen handelt. Vielleicht ist der drohende Klimakollaps doch für die Schüler und Schülerinnen wichtiger als Unterrichtsstunden, die wegen ihres mangelnden Gewichts auf die Zeit vor dem Wochenende geschoben wurden.

Weil die Großeltern und ihre Redakteure in den Sendern die junge Generation nur mit einem Lächeln abgespeist haben, konnte das von Rezo ins Netz gestellte Video „Zerstört die CDU.“ so viel Aufmerksamkeit gewinnen. Die von ihm präsentierten Fakten und Statements waren ja so neu nicht, sie waren dafür gut zusammengestellt und aus der Perspektive und in der Sprache seiner Altersgruppen präsentiert. Bisher ist auch die nach dem Gesetz mögliche Gegendarstellung nicht erfolgt. Also hat bisher niemand Rezo einen journalistischen Fehler nachgewiesen.

Nicht mehr als Parteien-Sender

Die öffentlich-rechtlichen Sender „gehören“ eigentlich auch den jüngeren Bürgern. Faktisch bestimmen aber die Parteien, was über die Bürger berichtet wird. Es ist eben das, was ihre Vertreter für die Nachrichten oder in den Talkrunden sagen. Die Programmverantwortlichen wie die Mitglieder der Rundfunkräte sollten sich die Frage stellen, warum ihre Sender einem einzelnen jungen Mann das Feld überlassen haben, nämlich das in 55 Minuten zusammenzustellen, was die Jüngeren bewegt. Denn ARD und ZDF sind nicht bloß dazu da, das aufzugreifen, was aus den Parteizentralen verlautet, sondern sollen Plattform für die Themen der Bürger zu sein. Was haben sie in den letzten Jahren getan, dass die Jüngeren mit den Älteren ins Gespräch gekommen sind. Das Video von Rezo wird doch deshalb weiter angeklickt, weil die Sender genauso den Kontakt zu den Jüngeren verloren haben wie ihre Parteien.

Bedrohen die Onliner wirklich die Älteren?

Das Video ist ein Protest, eine Anklage. Das ist man seit den Achtundsechzigern von den nachrückenden Generationen nicht mehr gewohnt. Anders als bei den Achtundsechzigern ist der Protest gewaltlos angelegt. Das Video ist auch keine Wahlwerbung für eine Partei, die Beurteilung der Fakten ist durch Artikel 5 des Grundgesetzes gewährleistet. Die Fakten wurden nicht bestritten. Also nur die typischen Reaktionen der Eltern auf Kinder, die die Lebensleistung der vorausgehenden Generationen nicht genügend würdigen. Oder sind die Social Media als „Schmuddelkinder“ nicht geeignet, den Protest der Jungen zu Gehör zu bringen?

Anstatt sich zu beschweren, würde ein Anruf von Kramp-Karrenbauer genügen, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender YouTube den Rang abläuft, indem er nicht einen der Jungen, wie bei Maischberger, in die Runde der Älteren setzt, sondern mal nur mit den Jungen eine Runde bestreitet. Aber das bringen sie nicht zustande und so steigen die Klickzahlen auf YouTube weiter. Jeder Klick ist ein Hinweis, dass ARD und ZDF ihrer Aufgabe nicht nachkommen, die mit „Grundversorgung“ umschrieben wird. Ganze Jahrgänge fallen aus der Grundversorgung heraus. Das ist auch der Grund, warum diejenigen, für die Rezo spricht, nicht auf die Straße gehen müssen. Die Achtundsechziger hatten noch keine eigenen Medien und mussten deshalb demonstrieren.

Warum bekommt Rezo für sein Video kein Honorar?

Der junge Autor hat etwas geleistet, was für eine Demokratie unentbehrlich ist: Er hat sich die Themen nicht von denen vorgeben lassen, die auf den Ministersesseln sitzen, sondern artikuliert, was für die Zukunft des Landes angegangen werden muss: Klimawandel, gerechtere Verteilung der Reichtum-Zuwächse, Austrocknen des Terrorismus, Abhängigkeit von den USA. Er leistet damit eine Arbeit, die zumindest von den Nutzern seines Beitrags gewürdigt werden muss. Anrecht auf Honorierung hat er auch deshalb, weil er eine für das Gemeinwesen empfindliche Lücke ausfüllt, nämlich den Jahrgängen eine Stimme zu geben, die demnächst das Land in Gang halten müssen. Freier Fluss der Informationen und damit Meinungsbildung sind nur gesichert, wenn die Nutzer und nicht der Staat, Institutionen noch Konzerne die journalistische Arbeit bezahlen. Es muss eine Finanzierung der Text-Beiträge und Videos gefunden werden, die die junge Generation vertreten.