Gewalt-Deskalation

Seit Tagen konzentriert sich die Aufarbeitung der Vorgänge in Chemnitz auf ein Video von 19 Sekunden. Ob es Hetzjagden auf Ausländer gegeben hat oder nicht, kann doch nicht der Kern der Frage sein? Das Ziel dieser Art von Gewalt ist eine breite Medienwirkung. Mit Verurteilungen werden diejenigen, die Gewaltanwendung für sich reklamieren, nicht erreicht.

Die Entfernung von der Realität konnte die Berliner Politik nicht besser darstellen, als dass sie über die Interpretation der Vorgänge und nicht über die Vorgänge selbst diskutiert. Was ist gewonnen, wenn ein hoher Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt wird? Überlegt wird, ob die 19 Sekunden eine Fake sind oder nicht? Es ist genug passiert. Aber was ist passiert?

Gewalt als Inszenierung für die Medien

Es fand eine, für das Fernsehen gemachte, Inszenierungen statt. Das waren die Attentate der letzen Jahre immer schon. Ein einfacher Vergleich zeigt das deutlich: Es gibt wahllose Tötungen und gezielte, um bestimmte Führungspersönlichkeiten auszuschalten. Seit die Islamisten sich wahllos Menschen heraussuchen, um diese medienwirksam umzubringen, stehen die gezielten Attentate nicht mehr im Zentrum des Interesses. Die Täter können damit zudem die übrige Bevölkerung in Schrecken versetzen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, bei einem Attentat umzukommen, sehr viel geringer ist als bei einem Verkehrsunfall sein Leben zu verlieren. Die Wirkung ist bestechend leicht zu erzielen. Das mag jetzt zynisch klingen, sollte aber für das Psychogramm berücksichtigt werden: Wenn ein junger Mensch nichts zu verlieren hat und vom Leben nichts mehr erwartet, dann ist ein Selbstmordanschlag sehr viel verlockender als sich vor den Zug zu werfen. Dass das psychologisch erklärbar ist, zeigen doch das heroisch in den Tod gegangenen der jungen Männer, die 1914 in den Krieg zogen und noch, anders als nach den Grabenkämpfen um Verdun, die Realität heldenhaft verklären konnten. Die Medienberichterstattung war damals bereits ein entscheidender Faktor, wenn es um Gewalt und Sterben geht.

Es geht wie bei den Hooligans in den Stadien zu

Gewaltbereitschaft ist bei einem Teil der Männer sicher auch biologisch angelegt. Deshalb müssen Rekruten jung sein. Die Möglichkeiten Gewalt geselschaftliche auszudrücken werden weniger, ob beim Militär als Dressuranstalt oder die "Schlachten", die sich die Anhänger der Fußballclubs liefern, werden Eine Gesellschaft die Gewalt unterdrückt und kommplet ausschließt, muss sich Alternativen überlegen. Wenn man nur die Männer anspricht, die von den Gewaltanhängern als Softies abgetan werden, gibt es Kräfte, die diese Gewaltbereitschaft für ihre Ziele einsetzen. Das haben die Nationalsozialisten gezeigt.

Deshalb sind Vergleiche mit dem Faschismus, die in der Parlamentsdebatte gezogen wurde, nicht an den Haaren herbeigezogen. Entscheidend ist dann noch, ob Gewalt als gerechtfertigt hingestellt wird. Das ist mit den Attentaten eingetreten. Hier spielen die Medien eine entscheidende Rolle. Zwar hat die ausführliche Berichterstattung über die Attentate den Großteil der Bevölkerung in der Ablehnung der Gewalt bestärkt. Aber eben nicht alle. Wenn junge Muslime so offen und unter Stillschweigen ihrer Religionsvertreter vor den Augen der Weltöffentlichkeit wahllos gewalttätig werden dürfen, warum dann nicht die jungen Deutschen, die wohl aus dem ganzen Land nach Chemnitz gekommen sind? Wenn die politische Klasse über die Medien Gewalt verurteilt, dann bestärkt sie zwar die Mehrheit der Bevölkerung, aber nicht die Gewaltbereiten. Aber das leisten Medien nun mal nicht.

Maaßen hat Recht: Das Video ist ein großer Fake

Ob das Video gefakt ist oder nicht, die Politiker haben es zu einem "Fake" gemacht. Als wäre für die Ereignisse in Chemnitz die Interpretation entscheidend. Das ist so, als würden die Amtsträger der katholischen Kirche den Missbrauch öffentlich verurteilen, aber dann nichts tun. Sie tun immer noch zu wenig, haben aber viele Schulungen für ihr Personal durchgeführt, ein Frühwarnsystem eingerichtet und den Missbrauch zu einem Thema in der Ausbildung gemacht. Denn medial lässt sich weder Gewalt noch Missbrauch eindämmen. Wenn die Politiker über ein Video streiten, machen Sie dieses zu einem Fetisch, der aber die Gewaltbereiten nicht beeindruckt. Die moralische Integrität, die die Politiker mit ihren Statements vor sich hertragen, wirkt langsam auch für die Mehrheit abstoßend. Es müssen andere Mittel gefunden werden, die nicht medial, sondern die direkte Begegnung ermöglichen.

Die Parteien und die Islamverbände müssen tausende Gespräche initiieren

Es ist die gleiche Aufgabe, die sich einem Lehrer stellt, der ständige Streitereien und körperliche Auseinandersetzungen in einer Klasse auflösen will. Strafen helfen da nicht. Er muss die Gegner in eine produktive Beziehung setzen, sie dazu bringen, ihre Gegnerschaft in Worte zu fassen, die Cliquen auflösen. Das gelingt in Deutschland deshalb nicht, weil die Islamverbände sich nur als Interessenvertretungen verstehen, ihre Verantwortung für die Gesellschaft aber nicht wahrnehmen. Solange die Islamverbände nicht friedensstiftende aktiv werden und ihre jungen Männer nicht in die Gesellschaft integrieren, werden die gewaltbereiten Deutschen sich legitimiert fühlen, wahllos Muslime anzugreifen, um an ihnen die Taten der Attentäter zu rächen.

Man fragt sich auch, was die Ortsverbände der Parteien eigentlich tun. Wenn schon ihre Führungen sich damit beschäftigen, den Sozialstaat zu perfektionieren derweil Chemnitz zu einem Schlachtfeld wird, gibt es vielleicht noch ein paar Jungendbildungsstätten, die Begegnungen zwischen den Konfliktparteien zustande bringen. Nachdem man Frau Nahles öfters im Gespräch mit Ortsverbänden auf dem Bildschirm gesehen hat, fragt man sich, was denn jetzt vor Ort passiert. Eigentlich könnte doch jede örtliche Gruppierung jeder Partei zu einem Ort der Begegnung werden. Und wenn alle Parteien das machen, dann müsste die AFD das doch auch machen. Nach dem Grundgesetz ist es Aufgabe und von Steuermitteln finanziertes Privileg der Parteien, die politische Willensbildung zu ermöglichen und voran zu treiben. Dafür könnte man das Internet gezielt einsetzen

Internet und Gespräche vor Ort

In dem neungegründeten Verein Publicatio ist ein Konzept auf den Weg gebracht worden, das gerade den Parteien empfohlen wird. Zu einem Thema, wie das der Gewaltbereitschaft, können, bevor es zu konkreten Vorfällen kommt, bereits relevante Erkenntnisse online zur Verfügung gestellt werden. Ergänzt mit einem aktuellen Beitrag können diese vor Ort abgerufen und ins Gespräch gebracht werden. Das hier kurz beschriebene Modulkonzept ist im Aufbau. Diese Aufarbeitung kann keine am Aktuellen orientierte Berichterstattung leisten. Die funktioniert zwar sehr gut, gerade über da Netz, aber nicht für die Vertiefung des Themas. Hier sollten alle gesellschaftlichen Gruppen übereinkommen, die politische Meinungsbildung nicht weiter den Social Media zu überlassen, sondern über ihre Mitglieder aktiv zu werden. Diese werden an Ausstrahlung gewinnen, wenn sie sich mit den relevanten gesellschaftlichen Themen befassen. Viel Kommunikationsarbeit steht an. Ob "wir das schaffen"?