Weihnachten: Zeit für offene Türen …

Heute ist die Heilige Nacht. Für viele Deutsche gehören der Weihnachtsgottesdienst sowie Kartoffelsalat mit Würstchen zum Festprogramm. Doch eine Civey-Studie zeigt, dass mehr als die Hälfte dieses Jahr keinen Gottesdienstbesuch plant. Was manche Kirchenvertreter als Zeichen für eine wachsende Säkularisierung als Herausforderung benennen, kann aber auch eine Chance sein: eine Zeit für offene Türen und noch mehr …

Auf die Frage „Haben Sie vor, an einem der Weihnachtsfeiertage zu einem Gottesdienst in die Kirche zu gehen?“ antworteten 20 Prozent der Befragten mit „Ja“. Zehn Prozent haben mit „eher ja“ und weitere acht Prozent mit „Unentschieden“ geantwortet. Mehr als die Hälfte hat keinen Kirchenbesuch geplant. Aus den Ergebnissen geht auch hervor, dass es dabei keine relevanten Unterschiede zwischen Alters- oder Geschlechtergruppen gibt, schreibt das Portal GMX über die von ihm in Auftrag gegebene Civey-Studie.

Aber woran liegt dies? Liegt es vielleicht an fehlenden Angeboten?

Allein im Bistum Essen, in dessen Gebiet die kath.de-Redaktion ihr Büro hat, werden zu Weihnachten rund 800 Gottesdienste angeboten. Es gibt also viele Möglichkeiten und Orte, auch wenn in Folge von Kirchenschließungen in manchen Stadtteilen – wie in meinem Heimatstadtteil Bochum-Harpen – in diesem Jahr erstmals kein katholischer Weihnachtsgottesdienst stattfinden wird. Gerade in den Ballungsgebieten ist das katholische Gottesdienstangebot weiterhin groß. Ganz zu schweigen von den vielen evangelischen Gottesdiensten zu Weihnachten, die ebenfalls nur „um die Ecke“ stattfinden …

Oder liegt es an den Gottesdienst-Inhalten?

Die Weihnachtsgeschichte mit ihrem „Happy End“ – der Geburt Jesu Christi in der Krippe zu Betlehem nach der „Heldenreise“ von Maria und Josef auf der Herbergssuche – gehört zweifelsohne zu den bekanntesten und beliebtesten biblischen Erzählungen. Die Voraussetzungen sind also gut. Und wenn sich die Prediger:innen an die Empfehlung des verstorbenen Papstes Franziskus halten, dass eine Predigt maximal acht Minuten dauern sollte, ist auch die Aufmerksamkeitsspanne der Gottesdienstbesucher:innen da.

Oder liegt es vielmehr an einer (fehlenden) Willkommens-Kultur?

An den Festtagen Weihnachten (und an Ostern) kommen mehr Teilnehmer:innen zu den Gottesdiensten, als an den „normalen“ Sonntagen, an denen ca. neun bis elf Prozent der Gemeindemitglieder regelmäßig teilnehmen. Das ist nicht neu, hat sich aber durch die Alterung und die Säkularisierung auch im „Land der Reformation“ verstärkt.

Regelmäßige Kirchgänger:innen bezeichnen diese Gottesdienstbesucher:innen als „Einjährige“, manchmal leider mit einem abschätzenden Tonfall oder Blick. Man selbst gehe regelmäßig zur Kirche und habe daher eher einen Sitzplatz „verdient“ als die „Einjährigen“, ist – aber nur unter vorgehaltener Hand – zu hören (man möchte ja nicht auffallen).

Und gerade hier liegt das eigentliche Problem: Die Kirche(n) und die Gläubigen haben verlernt oder vergessen, was es heißt, auf Menschen zuzugehen. Denn es gibt keine Christen „zweiter Klasse“, nur weil sie nicht jeden Sonntag in der Kirche sind!

Keine Christen „zweiter Klasse“

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Die Heilige Messe ist auch für mich – ein Mitglied der Generation X, das noch mit viel kirchlichem Personal und Immobilien aufgewachsen ist – eine wichtige spirituelle (Kraft-) Quelle. Allerdings nicht die Einzige. Meine Mitgliedschaft in Verbänden, wie den katholischen Pfadfindern oder katholischen Publizisten hat mir gezeigt, dass es vor allem die Gemeinschaft vor Gott ist, die mich trägt.

Gemeinschaft benötigt keine Mauern oder kirchliches Bodenpersonal, auch wenn beides oft hilfreich ist, damit Gemeinschaften einen Ort haben, an dem sie zusammenkommen können. Im Zeitalter der Digitalisierung ist dies allerdings auch online möglich. Aber nicht nur. (Mein) Glauben benötigt auch Begegnungen „unplugged“, wie bei Katholikentagen, den ökumenischen Tagungen von „Kirche im Web“ oder bei Pfingsten in Westernohe …

… und Zeit für Begegnungen „unplugged“

Fazit: Wenn Kirche(n) und Gläubige eine Willkommens-Kultur (wieder) erlernen und auf „Neue“ in Gemeinden und Verbänden zuzugehen, werden diese die „Alten“ nicht verdrängen. Stattdessen wird sich der Horizont aller erweitern und nicht mehr beim eigenen Kirchturm hängenbleiben sowie echte Begegnungen „unplugged“ ermöglichen.

Indem wir – wie Jesus Christus – auf vermeintlich „Fremde“ werturteilsfrei zugehen, wird sich unser Blick weiten und den Weg freimachen für – kleine, aber dringend notwendige – Veränderungen in „unserer“ katholischen Kirche. Lokal und global. Papst Franziskus hat die Tür dafür 2024 aufgestoßen und Papst Leo XIV. hält sie uns weiter auf…

Aber dazu müssen wir nicht nur die Türen der Kirchen öffnen, sondern auch unsere Herzen. Denn gerade an Weihnachten gilt: Das „Wir“ zählt mehr als das eigene „Ich“!

Lesetipp zum Thema Weihnachtsgottesdienste bei unserem Partnerportal explizit.net: Wie stehen die Deutschen zu Gottesdienstbesuchen an Weihnachten?

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.

Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)