In der Migrationsdebatte hatte sich das Verhältnis von CDU/CSU und der (kath.) Kirche deutlich abgekühlt. Wie definiert der Koalitionsvertrag der „GroKo“ nun die Rolle der Kirchen und was ändert sich gegenüber dem Koalitionsvertrag der „Ampel“-Koalition?

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Die Parteien CDU, CSU und SPD haben am 9. April 2025 ihren Koalitionsvertrag mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ vorgestellt. Darin befindet sich zunächst einleitend eine Würdigung der Kirchen, „die einen unverzichtbaren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Gemeinwohl leisten“. Im Vergleich zu früheren Koalitionsverträgen finden die Kirchen und religiöse Themen im weiteren Verlauf des Koalitionsvertrages 2025 nur in begrenztem Umfang Erwähnung, aber dort, wo sie auftauchen, erhalten sie – gegenüber der „Ampel“-Koalition einen höheren Stellenwert.
Strategisches Schweigen
So bleiben beispielsweise die Themen Kirchensteuer (beiden großen Kirchen erhalten jährlich staatliche Zuwendungen in Höhe von über 600 Millionen Euro) und das kirchliche Arbeitsrecht unangetastet und an manchen Stellen des Koalitionsvertrages scheint das Stilmittel des „Schweigens“ bewusst angewendet worden zu sein, um sich nicht festlegen oder sich gegen die Kirchen stellen zu müssen. Dies betrifft auch die Streitthemen Abtreibungen und Sterbehilfe, in denen keine großen Änderungen anstehen.
Klar benannt wird das Bekenntnis zum interreligiösen Dialog und dem Schutz der Religionsfreiheit, was im Koalitionsvertrag als „Gradmesser für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Geltung der Menschenrechte“ beschrieben wird. Das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit soll weitergeführt werden, welches vom katholischen Hilfswerk missio Aachen begrüßt wurde.
Vom Verändern zum Bewahren
Klar scheint allerdings: Die Rolle der Kirchen in der zukünftigen Bundesregierung dürfte anders als in der vorherigen Regierung sein. Die „Ampel“-Koalition wollte die Kirchen eher „verändern“ und zugleich zum Partner für gesellschaftliche Veränderungen machen. Die schwarz-rote „Groko“ möchte die Kirchen eher „bewahren“ und ihrerseits als Partner für Stabilität und die Fortführung eines konservativen Wertekanons nutzen.
Belegt der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 09. April 2025 einen Paradigmenwechsel? Die Antwort ist für den Autor ein klares „JEIN“.
Ja, weil die seit vielen Jahren gesicherte Stellung der Kirchen zur Bundesregierung in Frage gestellt wird. Während die Ampel-Regierung eine „systematische Entflechtung von Staat und Kirche“ anstrebte und sowohl die Kirchensteuer als auch das kirchliche Arbeitsrecht abändern wollte, setzt die zukünftige „Groko“ – Regierung auf eine symbolische Wertschätzung kirchlicher Institutionen und der Beibehaltung des „Status quo“, ohne kritische Stimmen (z. B. keine Benennung des Themas Missbrauchsaufarbeitung).
Allerdings nicht überall. Beim Thema Religionsfreiheit wollen CDU/CSU und SPD diese stärker als in der vorherigen Regierung in der Außenpolitik thematisieren, ebenso wie die Migrationspolitik, in der die „Groko“ inhaltlich in Konflikt mit beiden Kirchen steht.
Und nein, weil sich erst zeigen muss, um den markigen Worten aus der Migrationsdebatte und ob den geduldigen Worten aus dem Koalitionsvertrag auch Taten folgen werden? Besonders CDU und CSU benötigen die Kirchen, um einerseits das „C“ in ihren Namen zu belegen und andererseits den Zugang zur „bürgerlichen Mitte“ nicht zu verlieren. Und die SPD braucht neben den Gewerkschaften neue Partner, um die gesellschaftliche Bedeutung einer „Arbeiterpartei“ zu belegen. Und auch die Kirchen brauchen die Politik, um ihrer ebenfalls schwindenden gesellschaftlichen Bedeutung etwas entgegenzustellen.
Und zudem setzt die „Groko“ auf Stabilität ihrer Beziehung zu den Kirchen und rudert dazu in einigen Punkten zurück (z. B. keine Abschaffung des Entwicklungsministeriums) und geht Reformen (z. B. Kirchensteuer, Arbeitsrecht, Abtreibungen) bewusst nicht an. Dazu passt auch die Aussage: „Wir wollen die Wohlfahrtsverbände bedarfsgerecht ausstatten.“ Hier wird festgeschrieben, dass kirchliche und andere gemeinnützige Träger auch künftig auf öffentliche Finanzierung und Unterstützung vom Staat erhalten werden.
Fazit: Es braucht Mut zu grundlegenden Veränderungen
Es wird jetzt sowohl an der neuen Bundesregierung als auch an den Kirchen liegen, das Verhältnis von Kirche und Politik neu zu definieren. Dies wird – in Zeiten, in denen die Säkularisierung in Deutschland weiter voranschreitet (2024 traten 800.000 Menschen aus beiden Kirchen aus) – sicherlich eine große Herausforderung, bietet aber gleichzeitig auch Chancen. Dafür braucht es aber – auf allen Seiten-, Mut. Mut, alte Zöpfe (Stichwort: Reform der Kirchensteuer) abzuschneiden und Mut zu grundlegenden Veränderungen!
Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)