Der Katholikentag 2024 in Erfurt ist beendet. Er war in doppelter Hinsicht ein Experiment: Einerseits als Katholikentag in der Diaspora, in der nur rund 25 Prozent Christen leben. Und anderseits griff erstmals das neue „kompaktere“ Veranstaltungskonzept. Die Großveranstaltung des ZdK, die nach dem Katholikentag in Stuttgart stark in die Kritik gekommen war, hat sich gewandelt. Die fünf Tage in der Landeshauptstadt Thüringens aber zeigten: Totgesagte leben länger.
Die Ausgangslage für den 103. Deutschen Katholikentag war nicht einfach gewesen. Die geringen Betten- und Unterbringungskapazitäten in und rund um Erfurt zwangen das Katholikentagsbüro dazu, zwischenzeitlich sogar die Anmeldung zu schließen. Am Ende wurden 20.000 Dauerteilnehmende und 3.000 Tagesteilnehmende registriert. Zwar lag die Teilnehmendenzahl – erwartungsgemäß – unter der in Stuttgart (27.000), aber anders als beim letzten Katholikentag passte diese Zahl zur Stadt und zur Veranstaltung. Der Katholikentag in Erfurt war ein Großevent mitten in der Stadt, mit kurzen Wegen und vielen Begegnungsmöglichkeiten. Und das neue Konzept kam gut an. Nicht nur ZdK und DBK sich bei der Abschlusspressekonferenz ein positives Fazit (Lesetipp: Link), auch viele Teilnehmenden lobten gegenüber kath.de die gute Stimmung im gastfreundlichen Erfurt.
Nach dem letzten Katholikentag in Stuttgart war ein solch positives Feedback noch nicht absehbar gewesen, im Gegenteil. Einige Kommentator:innen hatten bereits das Totengebet für die vom ZdK verantwortete Großveranstaltung geschrieben. Grund für die Kritik war, dass es zu viele Veranstaltungen (1.500 in Stuttgart anstelle von 500 Veranstaltungen in Erfurt) auf einer zu großen Fläche gab und dabei keine „Katholikentagstimmung“ aufkam. Auch inhaltlich gab es Kritik, dass es an klaren Aussagen mangelte und die politische Relevanz der Veranstaltung nur gering war. Und dies allein auf die kurz davor zu Enge gegangene Corona-Pandemie zu schieben, greift zu kurz.
Katholikentag als Ort der politischen Diskussion und als „Spiri-Tanksstelle“
Ganz anders in Erfurt. Menschen mit Katholikentagschals und Veranstaltungs-Badges prägten das bunte Gesicht des Katholikentages und viele Politiker:innen vom Bundespräsidenten und Bundeskanzler, über Bundesminister:innen und Bundesbeauftragte bis hin Europapolitiker:innen nahmen teil. Und in Erfurt wurden inhaltlich klare politische Akzente gesetzt, die die Chance haben, über die „katholische Bubble“ hinaus beachtet zu werden. Denn dies war auch eines der Kritikpunkte am letzten Katholikentag in Stuttgart gewesen, dass das Event inhaltlich „verpuffte“.
Dabei war der Katholikentag 2024 - mit seinem vielerorts gelobten Leitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ - nicht nur ein Ort von politischen Themen, sondern vor allem auch ein Ort von Begegnung und Spiritualität. Dies wurde besonders bei den Abendgebeten vor dem Erfurter Dom deutlich, an dem auch viele Nicht-Katholikentagsteilnehmende teilnahmen. Es war in Erfurt „in“ zu Katholikentags-Veranstaltungen - wie beispielsweise die „Spiri-Tankstellen“ an verschiedenen Stellen in Erfurt - zu gehen, auch ohne selbst Mitglied einer Kirche zu sein. Der Katholikentag 2024 war auch ein Ort, um seinen spirituellen Tank wieder aufzuladen zu können.
Und nebenbei gab es beim Katholikentag in Erfurt viele ökumenische Impulse, die nicht groß verkündet, sondern einfach gelebt wurden. ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp bewertete dies so: In Erfurt habe es „eine ökumenische Weite, die einer Revolution gleichkomme“ gegeben.
Zukunftskonzept: „ökumenischer, politischer und spiritueller“?
Das Sprichwort „Totgesagte leben länger“, welches auch mit der Erzählung von der Auferweckung des Lazarus im Neuen Testament in Verbindung gebracht wird, beschreibt die fünf Tage in der Landeshauptstadt von Thüringen. Das neue Veranstaltungskonzept kam gut an und könnte als Zukunftskonzept „ökumenischer, politischer und spiritueller“ weiterentwickelt werden.
Der nächste Katholikentag - vom 13.-17. Mai 2026 - in Würzburg wird zeigen, ob die Katholikentage eine neue Zukunft haben oder ob nicht doch ein Umdenken in Richtung nur noch ökumenische Kirchentage anstelle von abwechselnden Katholikentagen und evangelischen Kirchentagen erfolgen sollte (was der Autor dieses Kommentares weiterhin als Zukunftskonzept befürwortet).
Fazit: Nach dem Katholikentag 2024 sind die Chancen gestiegen, dass „das“ katholische Traditionsevent eine Zukunft hat. Aber nur, wenn der Umbau fortgesetzt und sich dabei davon verabschiedet wird, primär auf die Teilnehmenden-Zahlen zu schauen. Qualität statt Quantität sollte die Devise lauten, dann funktioniert es auch mit dem Ziel, dass sich die (kath.) Kirche wieder einen stärkeren Stellenwert für Gesellschaft aber vor allem auch für die Menschen, erarbeitet.
Den Katholikentag 2024 in Erfurt begleiteten kath.de und explixit.net live vor Ort.
Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)