Kirche: Mehr Mut zum Dialog!

Befürworter:innen und Gegner:innen von Reformen in der katholischen Kirche sind diese Woche aufeinandergeprallt, als der - unerwartete aber inhaltlich nicht neue - „Stoppschild“-Brief aus dem Vatikan zum „Synodalen Rat“ anlässlich der Frühjahrskonferenz der Bischofskonferenz in Augsburg eingetroffen ist. Auch wenn sich viele Katholik:innen in Deutschland laut 6. Kirchenmitgliedschaftsstudie Reformen wünschen, scheinen die Ohren im Apostolischen Palast dafür weiterhin verschlossen zu sein. Dabei kann durch Mut zum Dialog auch Mut zu Veränderungen erwachsen, wenn es alle wollen.

Christian Schnaubelt / kath.de

Mit „Irritation“ (ZdK) „Verärgerung“ (KEFB) und „Enttäuschung“ (BDKJ) reagierten Lai:innen und katholische Verbände darauf, dass der Vatikan mit einem Schreiben die Beratungen über den „Synodalen Rat“ und seinen vorbereitenden „Synodalen Ausschuss“ bei der Frühjahrskonferenz der DBK de facto „gestoppt“ hat. Denn der Tagesordnungspunkt wurde „im Respekt vor den römischen Verantwortlichen“ (Bätzing) beim Bischofstreffens in Augsburg von der Agenda genommen, um zunächst den Wunsch aus dem Apostolischen Palast nach weiteren Gesprächen mit der deutschen Bischofskonferenz nachzukommen. „Es ist ein Widerspruch, wenn Rom synodale Prozesse fördert und fordert, dann aber mit einem Stoppschild versieht“, reagierte ZdK-Vizepräsident Prof. Thomas Söding.

Reformdruck wächst, doch der Vatikan mauert

Laut Dr. Tobias Kläden von der von der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral hat die 6. Kirchenmitgliedschaftsstudie (2023) belegt: Die befragten Katholik:innen in Deutschland wollen Reformen. „Den Kirchen wird insgesamt jedoch keine Gleichgültigkeit entgegengebracht, vielmehr bestehen erhebliche Erwartungen an sie. Besonders die katholischen Befragten sprechen sich ganz berwiegend für klare Reformen ihrer Kirche aus“. Daher hatten viele Lai:innen und katholische Verbände ihre Hoffnung in den „Synodalen Rat“ (zu dessen Vorbereitung der „Synodale Ausschuss“ dient) gelegt. Der Vatikan stand diesen Planungen allerdings von Anfang skeptisch gegenüber.

Bei einer Audienz der „Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten“ Anfang Januar 2024 in Rom (an dem der Autor dieses Kommentars für kath.de teilgenommen hat), betonte Papst Franziskus in seiner Ansprache an die Journalist:innen: „Die Kirche in Deutschland hat einen synodalen Weg eingeschlagen, zu dem ich 2019 einen Brief geschrieben habe, von dem ich wünschte, dass er stärker wahrgenommen, bedacht und umgesetzt würde, da er zwei Aspekte zum Ausdruck bringt, die ich für grundlegend halte, um nicht auf Abwege zu geraten.“ Dazu gehörten die „geistliche Dimension“ sowie die „universale Dimension“, die sich am Heiligen Geist und nicht am „Zeitgeist“ orientieren sollen.

Ein Schritt nach vorne und zwei zurück

Inhaltlich war der „Stoppschild“-Brief aus dem Vatikan daher zwar nicht neu, neu ist allerdings die Form des Briefes und die dadurch bedingte direkte Einflussnahme auf eine Abstimmung einer nationalen Bischofskonferenz. In den (kath.) Medien wurde in den letzten Tagen viel darüber spekuliert, warum Papst Franziskus einerseits im Dezember 2023 Forderungen des „Synodalen Weges“ im Punkto „Segensfeiern“ aufgriff und jetzt andererseits gemeinsame Beratungen von Lai:innen und Bischöfe im „Synodalen Rat“ ablehnt sowie eine Teilnahme von deutschen Bischöfen am „Synodalen Ausschuss“ als „nicht verpflichtet“ benennt. Der „Synodale Ausschuss“ hat in seiner - bisher nur vom ZdK ratifizierten Satzung - nicht vor, die Verantwortung und Macht der Ortsbischöfe zu beschneiden, sondern will stattdessen die vom Heiligen Vater imitierte „synodale Kirche“ in nationalen Beratungen umzusetzen. In diesem Sinne entstehen gerade auch in den Diözesen „synodale Gremien“. So zum Beispiel wurde kürzlich im Bistum Essen ein „Gemeinsamen Rat“ angekündigt, welches mehrheitlich durch Lai:innen geprägt sein wird und Bischof Franz-Josef Overbeck zukünftig „synodal“ beraten soll.

„Jetzt muss geredet werden“

„Wir wollen und können nicht über den römischen Einspruch hinweggehen. Jetzt muss geredet werden“, betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, am Montag. Dies ist auch dringend nötig! Denn: „Die katholische Kirche in Deutschland hat keine zweite Chance, wenn sie jetzt den Synodalen Weg stoppt“, machte ZdK – Vorsitzende Dr. Irme Stetter-Karp klar.

Denn viele deutsche Katholik:innen – vor allem Junge – sind nicht mehr bereit, nur noch abzuwarten, bis sich etwas in der Kirche bewegt. “Die Gläubigen sind bereit an einer Reform der Kirche zu arbeiten, die Bischöfe scheinbar noch nicht ausreichend. Es reicht nicht, die Verantwortung nur nach Rom zu schieben. Wir erwarten von den deutschen Bischöfen, dass sie mutig die nötigen weiteren Schritte tun und unterstützen sie dabei”, betonte beispielsweise BDKJ-Bundesvorsitzender Gregor Podschun.

Fazit: „Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind“

Wie in vielen Familien begehren auch in der katholische Kirche derzeit die reformbereiten „Jungen“ (die altersmäßig teilweise gar nicht mehr so jung sind) gegen die bewahrenden „Alten“ auf. Dies passt zur Gesellschaft, in der nur ca. 17 Prozent der Bevölkerung „Innovator:innen“ sind, die Mehrheit sind dagegen „Bewahrer:innen“. Aber die deutschen Katholik:innen brauchen keine Taschengelderhöhung oder beruhigende Worte aus dem Vatikan, sondern den „Mut zum Dialog“.

Aber dieser muss auch ernst gemeint sein, ohne Stoppschilder oder Tabuthemen. Angst vor Veränderungen haben oft schon „Change“ – Prozesse ausgebremst oder gar ganz verhindert. Aber stoppen lässt sich der Wandel damit nicht mehr. Und das ist gut so, denn durch den „Synodalen Weg“ ist in der (kath.) Kirche in Deutschland etwas in Bewegung gekommen, was auch im Vatikan nicht mehr gestoppt werden kann. Aber es wird Kompromiss auf allen Seiten bedingen. Doch wie sagte bereits Aristide Briand:

„Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind“.

Hinweis: Das Schreiben aus dem Vatikan vom 16.01.2024 kann hier im Wortlaut nachgelesen werden: PDF

Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)