Daumen hoch oder runter?

Vor 20 Jahren - am 04. Februar 2004 - wurde die Firma Facebook gegründet. Der „Daumen hoch“ – Button des Gründerteams um Mark Zuckerberg eroberte die Welt. Auch wenn der einstige „Platzhirsch“ in die Jahre gekommen ist und mittlerweile von YouTube und TikTok überholt wurde, hat das Netzwerk den Weg für eine Social Media Ära geebnet, die das Kommunikationsverhalten nachhaltig verändert hat. Aber wie fällt die Bewertung zum 20. Geburtstag aus? Daumen hoch oder runter?

Adrian/Pixabay

Facebook – das heute zum „Meta“-Konzern gehört – war 2004 nicht das erste Plattform, die Menschen digital miteinander verbinden wollte, u.a. Friendster, MySpace und LinkedIn bestanden bereits. Doch erst die millionenfache Verbreitung des Dienstes mit dem blauen „F“ führte zum Siegeszug der Social Media. Nach sieben Jahren hatte Facebook 800 Millionen Mitglieder und 2013 wurde dann die eine Milliarde Mitglieder – Grenze „geknackt“. Da Facebook aber – genauso wie seine Nutzer:innen – alterte, musste ein neuer Dienst für die Jüngere her: Instagram. Und mit Threads versucht Mark Zuckerberg, der Facebook während seiner Zeit an der Harvard – Universität (mit Hilfe des umstrittenen Vorgängers facemash.com) entwickelte, nun auch dem einstigen „Platzhirschen“ Twitter / X von Elon Musk Konkurrenz zu machen. Denn der Meta-Konzern braucht dringend neue User:innen, da auch die Konkurrenz bei YouTube, TikTok & Co. nicht schläft und Facebook mittlerweile schon überholt hat.

Daumen hoch

Der Start von Facebook hat – wie das iPhone in der Mobilbranche – dazu beigetragen, dass Millionen von Menschen sich miteinander vernetzen und vor allem auch weitestgehend „frei“ kommunizieren konnten. Denn Meinungsfreiheit spielt für Facebook eine große Rolle. Im positiven, wie im negativen Sinne (kaum Zensur). Facebook und andere Dienste ermöglichten Menschen in Ländern, in denen Meinungsfreiheit eingeschränkt sind, auf „unabhängige“ Informationen zuzugreifen und auf Missstände aufmerksam zu machen. Der „Arabische Frühling“ wäre nicht ohne die Social Media möglich gewesen, da sich die Revolutionsbewegungen über diese koordinierten. Kein/e Machthaber:in kann in Zeiten von Social Media mehr daraufsetzen, einen Konflikt oder Krieg „geheim“ halten zu können, auch wenn immer wieder Social Media Dienste gesperrt oder zensiert werden. Nachrichten sind kein Monopol von Medien mehr, so dass die Meinungsfreiheit gestiegen ist, auch durch Facebook.

Daumen runter

Gleichzeitig bedeutet so viel Kommunikationsmacht auch ein Problem. Denn die Frage lautet: Wer kontrolliert die Informationen und wer kontrolliert den Konzern, der die Kommunikationsplattform zur Verfügung stellt (und mit seinem Hausrecht die Spielregeln größtenteils allein bestimmt)?

Fake-Accounts und Fake-News sollen beispielsweise bei der letzten Präsidentschaftswahl in den USA manipulierende Auswirkungen auf das Wahlverhalten gehabt haben (so der berechtigt klingende Vorwurf des FBI). Und noch viel mehr steht Meta-Konzern in der Kritik, nicht genügend gegen Fake News und den „Echokammereffekt“, in denen Menschen nur Informationen, die zu ihren Interessen und politischen Ansichten passen, angezeigt werden und somit die Realitätswahrnehmung (in der es auch andere Meinungen gibt) verändert bzw. manipuliert, vorzugehen. Stichwort: „Filter Bubble“.

Und da bleibt auch noch die große Frage nach dem Schutz der Daten von Millionen von Nutzer:innen. Nicht nur die EU versucht, die unbegrenzte Nutzung und Weitergabe von Daten durch Meta zu unterbinden, weswegen auch Mark Zuckerberg neustes „Kind“ Threads erst verspätet in Europa erschien, da (datenschutzrechtliche) Vorgaben der EU durch den Konzern erfüllt werden mussten. Und ebenso offen ist auch noch die Frage nach (unabhängiger) Kontrolle der immensen Konzern-Macht von Meta.

Was bleibt von 20 Jahren Social Media?

Bereits die Höhlenmenschen waren auf den Informationsaustausch mit anderen Menschen angewiesen (z.B. wo kann Essen gefunden werden? wo gibt es Feinde?), aber Kommunikationsexperten wie Cordula Nussbaum haben festgestellt, dass Social Media die gleichen Glücksgefühle und Dopamin – Ausschüttung auslösen, wie einst die gute Nachricht am Lagerfeuer in der Steinzeit. „Der nächste schnelle Glücksklick ist nur einen Daumenbreit entfernt“, so Nussbaum und die Content-Ersteller:innen von Facebook und Co. „triggern mal das Belohnungszentrum und mal das Bestrafungszentrum“ der User:innen, um diese möglichst lange „im Feed zu halten“ bzw. versuchen immer mehr Dienste in ihrem Angebot zu vereinen, damit die User:innen gar nicht mehr die Notwendigkeit haben, diesen zu verlassen. Dabei befriedigen Social Media zwei „urmenschliche Bedürfnisse: die Kommunikationslust und den Drang nach sozialer Anerkennung“, so Cordula Nussbaum weiter.

Im Film „The Circle“ wird ein fiktives Techunternehmen beschrieben, dass beispielsweise vorschlägt, dass nur bei ihm registrierte User:innen in den USA wählen können. Diese Fiktion scheint nicht mehr weit entfernt zu sein. Aber sollte ein privates Unternehmen die Macht über den wichtigsten demokratischen Prozess – Wahlen – haben? In Südkorea gibt es bereits Firmen, deren Produkte das komplette Leben über Einkaufen, Navigation Nahverkehr und Messenger-Dienste in einem Dienst vereinen. Und in China wird mit Hilfe von App und „Social Scoring“ das Verhalten der Menschen ausgewertet und anschließend entweder belohnt (z.B. Bankkredit) oder bestraft (z.B. Einschränkung der Reisefreiheit).

Und wie geht es weiter?

Die Hyperkonnektivität ist auf dem Vormarsch. Die Kommunikation von Mensch zu Mensch und Mensch zu Maschine wird weiter zunehmen, prognostizieren Zukunftsforscher. Künstliche Intelligenz und die Verschmelzung von virtueller und physischer Realität werden die Grenzen zwischen „realer Welt“ und „künstlicher Welt“ immer weiter verschwimmen lassen. Aber wer kontrolliert die Daten und deren Quelle, die uns beispielsweise in die neue Apple Datenbrille „Vision Pro“ eingespielt werden und wie können die User:innen verlässlich unterscheiden, was „echt“ und was „virtuell“ ist?

Social Media haben das Kommunikationsverhalten nachhaltig verändert, aber nicht nur positiv!

Der Autor dieses Kommentars probiert gerne neue technische Dienste und Kommunikationsmittel aus, denn „man kann nicht nicht kommunizieren“, wie bereits Paul Watzlawick sagte. „Early adopters“ nennen Werbetreibende diese Zielgruppe, die auch zu den 17 % Prozent der Gesellschaft gehören soll, die Veränderungen befürworten und nicht ablehnen. Soweit das Schulbladen-/ Klischee-Bild. Allerdings ist diese Zielgruppe – wie der Autor – auch kritisch, wenn es um die (Medien-) Macht von Diensten geht, die – meistens ohne staatliche oder rechtliche Kontrolle – die Hoheit über die Daten von Millionen von User:innen haben. Und dies ist aktuell bei den großen Techunternehmen von Meta, Alphabet, X & Co. der Fall. Die Daten gehören den User:innen und nicht den Unternehmen.

Daher braucht es – trotz aller Freiheit im Internet – auch Grenzen und (unabhängige) Regulierungen. Besonders, wenn es beispielsweise um die Verbreitung von gesetzlich verbotenen Schriften und Symbolen oder um Kindesmissbrauch oder um Gewalt aufgrund des Geschlechts oder der Religion geht.

Wir können die Zukunft der Social Media mitgestalten, damit am Ende der Daumen oben bleibt!

Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber kath.de)