Jedes dritte Stück Abfall stammt aus Europa, etwa acht Prozent davon aus Deutschland. Eine neue Studie über Müll in der Arktis zeigt: Plastik ist ein ungelöstes Problem, das viele Regionen der Erde in die Überforderung treibt.
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Müllberge, Landschaften aus Plastik und anderem Abfall. Wenn ich Freunde und Bekannte frage, wo sie sich solche Landschaften vorstellen, dann nennen sie oft Länder des globalen Südens. Dabei gehört Müll auch hierzulande zu unserem alltäglichen Leben. Wir kaufen Dinge und schmeißen sie oder ihre Verpackung weg. Doch Straßen, an denen sich der Müll tummelt, Naturlandschaften, die verdreckt sind und den fauligen Gestank von Abfall haben wir in Deutschland nicht.
“Pachamama” – die Mutter Erde voller Müll
Für eine Erhebung in der Arktis hatten Touristen von 2016 bis 2021 bei Landgängen an 14 abgelegenen arktischen Stränden Abfall gesammelt: 23.000 Teile, insgesamt 1,62 Tonnen. Der Großteil geht laut dem Bericht auf Fischerei und Schifffahrt zurück. 80 Prozent der gesammelten Abfälle sind Plastikmüll. Die Arktis ist nur ein Beispiel für das globale Müllproblem.
Während meiner Aufenthalte in Bolivien war Müll allgegenwärtig und unübersehbar. Die Innenstädte der in den Anden gelegenen Orte sind genau so, wie man sich koloniale Städte in Lateinamerika vorstellt: rustikale Kirchen und Häuserfassaden, Palmen. Kaum gelangt man an den Stadtrand, fangen jedoch die Müllberge an. Bolivien ist dafür bekannt, die Mutter Erde anzubeten. “La Pachamama” nennen sie die Erde liebevoll auf Quechua. Bolivien, das Land der Mutter Erde ist leider voller Müll. Zwar verabschiedete die Regierung Boliviens 2011 das “Gesetz der Mutter Erde”, welches zur Anerkennung der Bürgerrechte der Natur beitragen und zur Sensibilisierung der Wichtigkeit der Natur und eines ausgeglichenen Ökosystems führen sollte. In der Praxis ist von dem Gesetz eher wenig zu sehen. Denn trotz einer großen Sensibilität für die Mutter Erde, ist der Markt an Produkten auch in Lateinamerika voller Plastik.
Vor allem Kunststoff ist zu einem globalen Problem geworden und langsam verwandeln sich Entwicklungsländer zu den Müllhalden der Welt. Das Verhältnis zum Recycling ist in Ländern wie Bolivien ein anderes als in Deutschland. Der Trend, auf die Natur zu achten, kommt erst langsam in der Gesellschaft an. Jedoch ist das Hauptproblem die massive Produktion an Plastik, die gerade von Industrieländern angetrieben wird. Es ist für uns hier in Deutschland schwer zu verstehen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die im Müll leben. Sie sind nicht bloß Fotomotive für Spendenkampagnen. Neben Plastik-Exporten ins Ausland ist jedoch unser Konsumverhalten und das Angebot auf dem Markt ein ausschlaggebendes Problem. Plastikprodukte oder Produktverpackungen, Konkurrenz zwischen den Händlern und Massanfertigungen: zwischen all den Dingen geht Mutter Natur unter.
Das Problem mit dem “Grünen Punkt”
Wenn ich Freunden in Mexiko erzähle, dass in Deutschland jeder Haushalt drei bis vier Tonnen zur Mülltrennung vor der Haustür hat, staunen sie. Dazu kommen Glascontainer, Pfandsysteme und Sperrmüllabhohlungsdienste. In Sachen Mülltrennung hat Deutschland einen guten Ruf. Recycling wird bei uns groß geschrieben. Es gibt kaum noch Produkte auf dem deutschen Markt, die nicht teilweise aus recycelten Material bestehen oder recycelt werden können. Schon 1991 entstand der "Grüne Punkt”, ein System zur Vorsortierung, das helfen soll, aus Müll neue Rohstoffe zu gewinnen. Und dennoch produziert Deutschland so viel Plastikmüll wie kein anderes Land in Europa. 2016 verzeichnete das Umweltbundesamt 18,2 Mio. Tonnen Verpackungsabfälle in Deutschland. Umgerechnet sind das 220,5 kg pro Kopf. Der europäische Durchschnitt liegt bei 167,3 kg.
Mit einem Anteil von etwa 45 Prozent ist die Recyclingquote in Deutschland auf den ersten Blick recht hoch. Aber auch nur, weil alles in diese 45 Prozent einfließt, was beim Recyclingunternehmen ankommt. Tatsächlich wird nicht alles davon rezykliert, also wieder in Umlauf gebracht. Die Statistik des Umweltministeriums zählt nämlich alle Abfälle, die in die Sortieranlagen gelangen, auch die sogenannten Fehlwürfe, die verbrannt werden müssen.
Export von Kunststoffabfällen
Der Rest des Plastikmülls wird zur Energiegewinnung verbrannt oder ins Ausland exportiert. 2019 war Deutschland in der EU der größte Exporteur von Kunststoffabfällen. Im Jahr 2020 exportierte die Bundesrepublik insgesamt etwa 1 Million Tonnen Kunststoffabfälle in andere Länder. Trotz gesetzlicher Regelungen ist illegaler Export keine Seltenheit. Im Dezember 2021 hatte Greenpeace die Bundesregierung und die Bundesländer daher dazu aufgefordert, über 100 Abfallcontainer aus der Türkei, Griechenland und anderen Ländern wieder zurückzuholen. Nach Angaben der Umweltorganisation sollen sie illegal dorthin gebracht worden sein. Die Bundesumweltministerin will gegen die illegalen Transporte verschärft vorgehen. Dazu soll vor allem ein „weitgehendes Exportverbot” für Kunststoffabfälle in der EU eingesetzt werden. Das Bundesumweltministerium möchte so dafür sorgen, dass möglichst viele Abfälle innerhalb der EU wiederverwertet werden.
Basler Konventionen
Mit dem „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ wurden 1995 weltweit geltende Regelungen getroffen. Damit wurde ein umweltgerechtes Abfallmanagement eingeführt und die Kontrolle der grenzüberschreitenden Transporte gefährlicher Abfälle wie beispielsweise gebrauchter Elektronik geregelt. Mittlerweile gehören mehr als 180 Staaten der Konvention an.
Im Mai 2019 wurden neue Verschärfungen beschlossen. Darum müssen seit Januar 2021 sowohl das Export- als auch das Importland bei der Ausfuhr gefährlicher oder verunreinigter Kunststoffabfälle zustimmen. Das erschwert die Entsorgung in Länder mit geringeren Umweltstandards. Konsequente Kontrollen fehlen jedoch. Im Jahr 2020 lagen die Plastikmüll-Exporte von Deutschland in die Türkei mit 136.000 Tonnen bei einem siebenfachen Anstieg. Es ist für die Käuferländer in erster Linie ein lukratives Geschäft, deutsches Plastik zu kaufen, nur ist der Müll oft nicht komplett recycelbar oder die Regierung entsorgt ihn nicht fachgerecht.
Forderung an die Politik
Vor allem Länder des globalen Südens leiden unter den Müllmassen. Das Problem ist jedoch nicht nur die Masse, sondern, dass nicht entsprechend sortiert wird und auch nicht jeder Kunststoff recyclebar ist. Oftmals ist Verpackungsmüll so verarbeitet, dass er gar nicht wiederverwertet werden kann.
Regierungen des globalen Nordens müssen sich daher um ein besseres Abfallmanagement in den Ursprungsländern wie auch in den Zielländern engagieren. Die Vereinten Nationen handeln momentan ein Plastik-Abkommen aus, das für alle Staaten verbindlich sein soll. Schaut man in die Straßen Boliviens, der Türkei oder Malaysias, ist das auch dringend notwendig. Doch auch in Schulen und sozialen Einrichtungen müssen Menschen dazu sensibilisiert werden, die “Pachamama”, die Erde aller, besser und bewusster zu behandeln, indem Konsum reduziert und Müll, wenn schon nicht vermieden, dann so korrekt wie möglich getrennt wird.
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