Raus aus dem Abseits

Derzeit findet in England die UEFA-Fußball-Europameisterschaft der Frauen-Nationalteams statt. Das Zuschauerinteresse an der Europameisterschaft der Frauenteams steigt seit Jahren kontinuierlich. Die Anzahl der EM-Teams nimmt zu und die Stadien werden immer besser besucht. Immer mehr Länder setzen in ihrer Sportpolitik einen immer größer werdenden Fokus auf die Förderung von Teams und Ligen für Frauen. Den Profisportlerinnen geht es neben der Bezahlung vor allem aber um die Akzeptanz, dass ihre erbrachte Leistung gesehen und anerkannt wird. Anerkennung statt Belächeln. Im deutschen Frauenfußball muss sich da noch viel ändern – vor allem in seiner Wahrnehmung.

Christoffer Borg Mattisson auf Pixabay

„Wir spielen für eine Nation, die unsere Namen nicht kennt“

Die deutsche Fußball Frauenmannschaft hat in den vergangenen Jahren diverse Rekorde und Erfolge für ihr Land erspielt und bewiesen, dass sie im Weltfußball zu den Besten gehört. Und auch die Spielerinnen brauchen sich nicht hinter ihren persönlichen Erfolgen verstecken. Als Beispiel dient Birgit Prinz, die schon ganze dreimal auf Platz eins der Weltfußballerinnen und dreimal auf Platz zwei gewählt wurde. Sie bekam dafür aber keine großen Schlagzeilen, gewinnt ein Christiano Ronaldo oder Lionel Messi den gleichen Titel ist der mediale Wirbel groß. Bei dem Werbespot der Commerzbank mit der Frauennationalmannschaft, der für die WM 2019 ausgestrahlt wurde, hieß es: „Wir spielen für eine Nation, die unsere Namen nicht kennt“. Und ja, kaum jemand spricht darüber, dass die Nationalmannschaft bereits acht mal die Europameisterschaft gewonnen hat, zweimal Weltmeister und einmal Olympiasieger wurde. Gewinnen die Fußballerinnen 10:0 wird meist über ein einseitiges Spiel berichtet. Ein 7:1 der Männer ist hingegen ein historisches Ereignis.

Kaffeeservice statt Prämie

Frauenfußball wurde in Deutschland erst sehr spät zugänglich. 1955 wurde die Sportart für Frauen vom DFB verboten. Beim “Kampf” um den Ball würde die weibliche Anmut verschwinden, weibliche Seele und Körper würden verletzt. Zudem sei das Zurschaustellen des Körpers anstandslos. Eine Bundesliga für Frauen wurde erst 1992 gegründet. Viele Fußballfans in Deutschland bewegen sich daher in einer Männerfußball-Blase. Denn Frauenfußball ist neben dem sportlichen Wettkampf auch immer ein Kampf gegen Vorurteile und für mehr Gleichberechtigung. Vor dreißig Jahren gewann die Frauen Nationalmannschaft die Europameisterschaft und alle Spielerinnen bekamen als Preis ein Kaffeeservice überreicht.

Fußball ist immer Fußball

Eine Untersuchung der Deutschen Sporthochschule Köln stellte heraus, dass Fußballerinnen taktisch genauso gut spielen können wie ihre männlichen Kollegen. Dem Frauenfußball, so hört man es von Seiten der Vereine und Verbände, fehle es in Deutschland jedoch an Umsatz. Doch was den meisten Frauensportarten generell fehlt ist dauerhafte Medienpräsenz. Denn ohne Berichterstattung können keine Sportstars entstehen,so auch keine Vorbilder und in der logischen Konsequenz keine Fans, die den Umsatz ankurbeln. Trotz gewonnener Weltmeisterschaftstitel der deutschen Frauen Fußball-Nationalmannschaft 2003 und 2007, gab es keine größere Berichterstattung über die Frauen-Bundesliga. Frauenfußball muss medial mehr stattfinden, damit es mehr Sponsoring anzieht. Verglichen mit Männersport macht Sponsoring im Frauensport weltweit gerade einmal 0,4 Prozent aus. Aber warum sollten Sponsoren auch in etwas investieren, das medial kaum stattfindet? Dafür muss der DFB eine Bühne schaffen und Termine und Veranstaltungen so legen, dass den Frauenteams genug Aufmerksamkeit zuteil wird! Ein Blick ins Ausland zeigt, dass Frauenteams immer beliebter werden.

Exklusive Sportart: „Frauenfußball“

Oft kommentieren Kommentatoren oder Beobachter von Frauen-Fußballspielen: ”So macht Frauenfußball Spaß”. Und da fängt bereits der falsche Ansatz an. Wenn Fußballerinnen ein gutes Spiel liefern, müsste es heißen: “So macht Fußball Spaß!”

Das Problem der Ausgrenzung und Spaltung beginnt beim Wort: Frauenfußball. “Frauenfußball” ist der gleiche Sport, den Männer betreiben, mit den selben Regeln und demselben Equipment. Der einzige Unterschied ist, dass er eben in diesem Fall von Frauen betrieben wird. Eigentlich dürfte das kein Grund sein, sich begrifflich so abzugrenzen. Wir reden ja auch über andere Sportarten nicht in einer ähnlichen Weise, jedenfalls ist der Begriff Frauenschwimmen oder Frauensurfen eher rar. Wenn wir noch mehr an unseren Alltag denken sprechen wir nie von Frauenführerscheinen oder dem Frauenstudium. Würde man dies aber tun, wären alle schon längst auf der Straße, um zu protestieren. Von Frauenfußball zu sprechen wäre nur fair, wenn man im gegenzug auch den Begriff Männerfußball im Sportjargon etabliert. Entweder Fußball für alle oder eben geschlechtsspezifische Bezeichnungen für Männer und Frauen. In dieser einseitigen geschlechtsspezifischen Variante sagt das Wort Frauenfußball nämlich aus, dass Fußball eigentlich nur von Männer gespielt werden sollte. Sprache formt Bewusstsein, egal ob beim Sport, im Alltag oder im Beruf. Deshalb ist es wichtig das Fußballspiel von Frauen nicht gesondert einzuordnen.

Equal Pay

Der Fußballverband der USA sowie die Gewerkschaften der Frauen- und Männer-Nationalmannschaften einigten sich schon in diesem Frühjahr auf einen historischen Tarifvertrag, der allen Spielerinnen und Spielern die gleiche Bezahlung einschließlich Boni garantiert, wie der Verband US Soccer mitteilte. Bereits 2019 hatten sich die australische Männer- und Frauenmannschaft auf gleiche Lohn- und Arbeitsstrukturen geeinigt. Im Sommer gab der spanische Fußballverband an, dass die spanische Frauen-Nationalmannschaft die gleiche Bezahlung erhalten wird wie die Männer. Auch die Arbeitsbedingungen einschließlich der Regelungen für Reisen, Verpflegung und Unterkunft werden angeglichen. Spanien, siebter Platz der Frauen-Weltrangliste, schließt sich damit Ländern wie Brasilien, England, Norwegen, Dänemark und zuletzt den USA an, die ebenfalls Vereinbarungen über die gleiche Bezahlung von Nationalspielerinnen und Nationalspielern getroffen haben. Beim Deutschen Fußball Bund werden Männer und Frauen weiterhin unterschiedlich prämiert. DFB-Direktor Oliver Bierhoff sagte im Vorfeld der EM der Frauen im Sommer, dass man die Prämie verhandelt hätte und diese ein Rekord sei, aber nicht an das heranreiche, was die Männer bekommen würden. Grund dafür seien die unterschiedlichen Einnahmen und Umsätze bei Frauen- und Männer-Turnieren. Die Siegesprämie für das Gewinnerteam der diesjährigen Fußball-EM beträgt 660.000 Euro. Der Männermannschaft winkt bei dem gleichen Turnier ein Preisgeld von 8.000.000 Euro.

Es ist Zeit für neue Traditionen

Das Thema Frauenfußball konfrontiert uns mit Geschlechterrollen, die uns sagen,was sich gehört und was nicht. Das Maß aller Dinge scheint dabei der Mann zu sein.Hier hält sich noch immer die Vorstellung, dass dieser Sport nur dann gut, richtig und schön ist, wenn er von Männern ausgeübt wird. Frauen müssen sich erst spielerisch beweisen und anschließend auch gesellschaftlich und medial durchsetzen. Genau diese Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung aufgrund von Geschlecht ist falsch. Am Ende ist es Fußball, und der sollte, unabhängig davon wer auf dem Rasen steht, Spaß machen und fair sein, in allen Aspekten. Die Änderungen in Spanien und den USA dienen uns hier in Deutschland vielleicht als Anstoß für gesellschaftliche sowie mediale Veränderung. Der “Frauenfußball” hat mehr verdient als das, was er zurückbekommt.
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