Im Ukrainekrieg wird nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Bits und Bytes gekämpft. Beim Cyberkrieg um die Bilder- und Meinungsmacht sind das Web und die sozialen Medien das Schlachtfeld. Und wie in allen Kriegen droht der Qualitätsjournalismus auf der Strecke zu bleiben. In Zeiten von Deepfakes, in denen Videos nicht zu trauen ist, leider auch die Wahrheit. Aber es gibt Hoffnung.
Markus Winkler auf Pixabay
Sieg der Argumente auf Kosten der Wahrheit
Unter dem Credo „Eine glaubwürdige Geschichte ist tausendmal besser als Fakten“ bekommen in den Social Media–Kanälen „alternative Wahrheiten“ einen riesigen Zulauf. Im Ukrainekrieg kämpft Russland dabei auch digital mit allen Mitteln: Propaganda durch die Staatsmedien und Kontrolle der Sozialen Medien im eigenen Land sowie Ausschaltung des Internets und der Sozialen Medien in der Ukraine. Zudem noch die Verschärfung der Mediengesetze: Kritik wird systematisch unterbunden.
Unterstützung im Kampf um die (staatliche) Hoheit in den sozialen Medien gibt es zudem durch Bots, automatisierten Programme, die z.B. im Netzwerk Twitter maßgeblich versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen: 50 % der Nachrichten bei Twitter im Bereich der Corona-Pandemie kamen im Jahr 2020 in den USA von „Social Bots“, berichtet msn.com. Der Einfluss solcher Bot-Attacken ist nicht zu unterschätzen, wie nicht zuletzt die beiden letzten US-Präsidentschaftswahlkämpfe zeigten.
Untersuchungen haben laut DC Publishing-Verlag gezeigt, dass „der Erfolg einer Story nicht von faktenbasierter Stichhaltigkeit, sondern von der Vermittelbarkeit des zugrundeliegenden Narrativen“ abhängt. „Dabei ist es für den Erfolg völlig unerheblich, ob das Narrativ nur gefunden oder erfunden ist.“ Vor allem wenn es bei der „sinnstiftenden Erzählung“ um Emotionen und Werte geht. Oder um Daten. Besonders bei der Flüchtlingsdebatte 2015, bei der Klimakrisen-Debatte 2018 und während der Corona-Pandemie ab 2020 hat sich gezeigt, dass durch vermeintlich unwiderlegbare Daten-Fakten Wahrheiten begründet und als narrativ in „Fake News“ umgemünzt wurden.
Was kann getan werden? Die Social Media-Konzerne, allen voran Facebook, Twitter und Google, sollten bei „Fake News“ nicht nur Warnmeldungen daneben setzen, sondern aktiv gegen deren Verbreitung vorgehen. Besonders wenn die Postings fremdenfeindliche, sexistische oder anderweitig diskrimierende Aussagen beinhalten. Denn diese sind von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Wie „Dailymail“ berichtete, hat YouTube Videos, die von der WHO-Meinung abweichende Positionen darstellten, gesperrt. Einerseits kann dies als Mittel gegen die Verbreitung von „Fake News“ während der Corona-Pandemie angesehen werden. Andererseits macht dies aber auch deutlich, dass die Überwachung von Social Media nicht zu einem „Zensur-Apparat“ werden darf, deren „Bots“ und „Löschteams“ allein durch Konzernmacht und den Meinungs- und Moralvorstellungen der Betreiber gesteuert wird. Und wenn Staaten, wie die USA, mit dem „Cloud Act“ von Präsident Donald Trump die „globale Datenhoheit“ eines Landes und damit den Anspruch der Vereinigten Staaten von Amerika auf „alle Daten der Welt“ 2018 per Gesetz legitimiert, ist die Freiheit des Internet passe.
Mit eigenen Augen gesehen
In der politischen Kommunikation haben Bilder schon immer eine Schlüsselfunktion. Unter dem Deckmantel des vermeintlichen belegbaren Faktums bestimmen sie die Meinungs- und Stimmungslage. Gerade in Kriegszeiten. Angefangen vom Foto vom Hissen der russischen Flagge am Reichstag in Berlin zum Ende des 2. Weltkrieges, über die Bilder von US-Militärfotografen vom Vietnam-Krieg. Von den Abschreckungsbildern der Atomtests während des „Kalten Krieges“ bis hin zu Fotos von (vermeintlichen) Vernichtungswaffen im Irak. Auch in Zeiten der analogen Fotografie gab es schon Bild-Manipulationen, aber in Zeiten der Digitalbilder und „Deepfake“-Videos muss man den Satz „Das habe ich mit eigenen Augen gesehen“ als Beweis eines Faktums relativieren. Denn das, was im Web und in den sozialen Medien gezeigt wird, hat oftmals mit der „Wahrheit“ nichts mehr zu tun. Dies war wohl auch der Grund, warum das Hackernetzwerk „Anonymous“ kürzlich russische Websites gehakt oder lahmgelegt hat. Zudem wurden per Hackerangriff auf russischen Fernsehsendern Videos von Angriffen auf die Zivilbevölkerung in der Ukraine gezeigt, die ansonsten nicht in Russland zu sehen sind. Und Internetprovider aus der EU wollen jetzt „.ru“-Internetadressen sperren.
Bei den olympischen und paralympischen Spielen wurden in China die ausgehenden Bilder vollumfänglich kontrolliert. Wenn zeitgleich,wie zuletzt in Russland,von der Staatsmeinung abweichende Meinungen unter Haftstrafe gestellt werden (weswegen zum Beispiel die ARD ihre Berichterstattung aus Moskau zeitweise aussetzen musste), sind unabhängige Nachrichten nicht mehr gewährleistet. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass die „Bildermacht“ nicht zuletzt auch großen Einfluss auf die Meinung und Stimmungen im eigenen Land hat und damit erneut Kritik unterbunden wird.
Wer am lautesten schreit, hat nicht recht
Gerade deshalb ist es so wichtig, dass die Hintergründe von Nachrichten und insbesondere von Bildern und Videos durch (unabhängigen) Journalistinnen und Journalisten überprüft wird. Whistleblower wie Edward Snowden und Recherche-Netzwerke von Medien (Stichwort: „Panama-Papers“) haben gezeigt, dass die vollständige Kontrolle über Nachrichten durch Staaten nicht möglich ist. Und das ist gut so! Denn das Demokratiewesen lebt von der Macht der freien Information.
Mut macht dabei die Entwicklung, dass in Zeiten der „Corona-Pandemie“ die „klassischen Medien“ (Zeitung, Fernsehen, Radio) in ihrer Bedeutung deutlich gestärkt wurden. Denn immer mehr Menschen sind bereit, auch Bezahlangebote von Medien zu nutzen. Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichteten zudem, dass die 20 Uhr Ausgabe der „Tagesschau“ im Jahr 2020 so oft geschaut worden ist, wie zuletzt in Zeiten der Wiedervereinigung und damit einen Marktanteil von 39,5 Prozent erreichte. Insgesamt konnten 90 Prozent der deutschen Bevölkerung über die von Querdenkern als Feindbild stilisierten „Mainstream-Medien“ erreicht werden. Auch wenn die restlichen 10 Prozent,gerade in den sozialen Medien, laut und omnipräsent waren, haben sich „alternative Wahrheiten“ nicht durchgesetzt. Und auch das ist gut so! Das Gut der freien Meinungsäußerung hat berechtigterweise einen hohen Stellenwert im Grundgesetz. Aber das Demokratiewesen darf sich von Minderheiten nicht in die Knie zwingen lassen. Denn nicht wer am lautesten schreit, hat auch recht!
Qualitätsjournalismus braucht gute ausgebildete Journalistinnen und Journalisten und unabhängige Medien, deren Arbeit von den Leserinnen und Lesern mitfinanziert wird. Zudem hat vor allem die Corona-Pandemie gezeigt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk und Fernsehen ein Garant für Qualitätsjournalismus sind, ebenso wie Tages- und Wochenzeitungen. In Zeiten, in denen Medienverlage sich aus Kostengründen ihre Medienangebote vor allem im Lokalen „ausdünnen“ sowie sich aus Tarif- und Ausbildungsvereinbarungen verabschieden, braucht es auch einen Mindestlohn für Internetworkerinnen und Internetworkern in den Medien. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass die Medien ihre Rolle als vierte Macht im Staat im Sinne Montesquieus gewährleisten können.
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