Verbraucher- und Datenschutzorganisationen haben lange gefordert, dass die Userinnen und User mehr Rechte und mehr (Daten-) Schutz im Netz benötigen. In den letzten Tagen hat der Bundestag ein „Recht auf Internet“ beschlossen und Apple hat de facto ein „Recht auf Datenschutz“ eingeführt. Das Bundesverfassungsgericht hat wegweisend entschieden, dass der Gesetzgeber auch zukünftige Generationen im Blick haben muss. Ein Kommentar zur Frage, ob jetzt „die Stunde des Rechts“ ge-kommen ist und ob dadurch das Internet nachhaltig verändert werden könnte.
Gerd Altmann auf Pixabay
Recht auf Internet
Auf dem Papier klingt es technisch trocken, aber die Entscheidung zur „Novelle des Telekommunikationsgesetzes“ durch den Bundestag vom 22. April 2021 hat weitreichende Bedeutung. Denn es geht de facto um die Einführung eines „Rechts auf Internet“. „Der Bundestag will per Gesetz dem Recht auf schnelles Internet für alle zur Geltung verhelfen“, beschreibt das Parlament die Ziele des Gesetzes. Zu den beschlossenen Maßnahmen gehören Netzausbau, Breitbandgeschwindigkeit, Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Einheitlichkeit der europäischen Telekommunikationsmärkte.
Im Mittelpunkt des mit der Koalitionsmehrheit gefassten Bundestagsbeschlusses (19/26108) steht der Ausbau des Glasfasernetzes und von TV-Anschlüssen. Zwar sollen die ersten Maßnahmen bereits ab 2022 gelten, aber im Bundestag kritisierte die Opposition, dass der Netzausbau auf eine Geschwindigkeit von geplant 30 Mbit/s (Richtwert für den Download) zu langsam sei (Die Linke) und der Verbraucherschutz zu viele „Schlupflöcher“ aufweise und konkrete Entschädigungen pro Tag an denen Internetausfälle auftreten installiert werden sollten (Bündnis90/ Die Grünen). Zudem kritisieren Branchenverbände, dass am Ende durchschnittlich nur 20 Mbit/s beim Gesetz rauskommen würden.
Klar ist: Durch den Beschluss des Bundestages wird ermöglicht, dass bei Unterschreitung der Mindestgeschwindigkeit die Netzanbieter zu einem Ausbau gezwungen werden könnten. Verständlicherweise stößt dies bei der FDP auf Ablehnung. Diese will statt des jetzt beschlossenen „Rechtsanspruchs“ lieber „Gutscheine“ für Bürgerinnen und Bürger verteilen, die diese bei Telekommunikationsunternehmen eintauschen könnten. Das klingt nach Subventionspolitik der alten Schule ohne konkrete Gegenleistung durch die Wirtschaft. Das wäre kein guter Weg.
Entscheidend ist auch, dass der dringend benötigte Netzausbau durch einen Topf finanziert werden soll, in den alle Anbieter einzahlen, „die im nationalen Telekommunikationsmarkt“ tätig sind. Laut Einschätzung von Netzpolitik.org dürfte dies beispielsweise auch auf den Messenger DienstWhatsApp zutreffen, aufgrund von EU-Vorgaben aber nicht für Streamingdienste. Hier wäre es wünschenswert, wenn die EU ebenfalls Regelungen erlassen würde, die Anbieter mit hohem Datentraffic (z.B. Netflix) zu involvieren.
Recht auf Datenschutz
Nicht per Gesetz, sondern per Software-Update führte Apple am 26. April de facto ein „Recht auf Datenschutz“ ein. Nach dem Update können die Userinnen und User auf den Mobilgeräten selber entscheiden, ob sie ein Tracking für eine App zulassen. Bisher war es bereits möglich Apps nachträglich Zugriffsrechte zu entziehen, jetzt kann dies aber durch die „App Tracking Transparency“ (ATT) bereits vor der ersten Nutzung und Datensammlung durch die App erfolgen. „Die Nutzer verdienen und brauchen Kontrolle über ihre Daten“, betonte Craig Federighi, Softwarechef von Apple gegenüber dem Wall Street Journal, wie das Magazin „Mac & i“ berichtet. Die bisherigen Tracking-Methoden seien als „Missbrauch“ einzustufen, die von Apple schon länger sanktioniert würden.
Auch Google hat mitgeteilt, dass sie das Tracking auf Websites zeitlich begrenzen wollen (aktuell: sieben Tage). Sind Apple und Google jetzt unter die Datenschützerinnen und Datenschützer gegangen? Fakt ist, dass beide Konzerne sich bereits unter US-Präsident Donald Trump für mehr Datenschutz eingesetzt haben. Fakt ist aber auch, dass sich beide Konzerne wegen ihrer Marktmacht von Googles „Play Store“ und von Apples „App Store“ solche Maßnahmen leisten können. Finanziell wie datentechnisch. Nicht aber Facebook. Der Aufschrei von dessen Chef Marl Zuckerberg war daher auch groß und in den USA wird bereits von einem „Datenkrieg“ zwischen Apple und Facebook gesprochen.
Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte nachfolgender Generationen
Wie ein Blitz schlug die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 29. April ein, dass bei den Klimaschutzgesetzen auch die Interessen der nachfolgenden Generationen verbindlich berücksichtigt werden müssen. Ein großer Erfolg für die „Fridays for Future“ – Bewegung (die die Klage mit der Deutschen Umwelthilfe eingereicht hatte). Dies könnte auch im IT-Bereich positive Veränderungen anstoßen. Gemeinsam mit dem vor kurzem ebenfalls verabschiedeten „Lieferkettengesetz“ könnte die Entscheidung der höchsten Richterinnen und Richter dazu beitragen, dass sowohl die Herstellung als auch der Vertrieb elektronischer Geräte und Dienste „fairer“ und „nachhaltiger“ werden.
Zwar hatte bereits die EU erste Vorstöße getätigt, um zum Beispiel die Verwendung von „Konfliktmineralien“ wie Gold und Coltan in Smartphones zu verbieten, aber in Deutschland war Bundesentwicklungsminister Gerd Müller bisher an dem Widerstand des Wirtschafts-Ministeriums und der Wirtschaft gescheitert. Dies könnte sich nach der Ohrfeige aus Karlsruhe jetzt aber ändern. Hoffentlich!
„Stunde des Rechts“ wird das Internet verändern
Wenn die in den letzten Tagen in Berlin, Karlsruhe und Kalifornien getroffenen Entscheidungen konsequent umgesetzt werden, wird dies eine nachhaltige Veränderung bewirken (können). Denn der Rechtsanspruch auf eine Mindestgeschwindigkeit des Internets wird die Telekommunikations-Unternehmen zwingen auch in ländlichen Gebieten endlich das (Internet-/ TV-) Netz auszubauen. Als Gegenleistung gibt es Förderprogramme des Bundes, speziell für 4G und teilweise 5G. Das hilft nicht nur den Userinnen und Usern, sondern auch Firmen und Kommunen. Auch die stärkere Kontrolle des Netzausbaus durch den Verkehrsausschuss ist wünschenswert, ebenso wie die Stärkung des Verbraucherrechts, aber der große Wurf ist das Mammutgesetz trotzdem noch nicht.
Gleichzeitig werden vor allem Mieterinnen und Mieter von diesem profitieren, da nur noch ein schneller Glasfasernetz-Anschluss zu einer Nebenkostenabrechnung von 60,- EUR berechtigt. Doch zeigt die Mindestgeschwindigkeit von 30 Mbit/s, dass Deutschland im Punkto schnelles Internet noch ein Entwicklungs- oder Schwellenland ist. Zwar wäre es eine Verdoppelung der derzeit im ländlichen Raum verfügbaren 16 Mbit/s, aber die skandinavischen Länder und Asien haben die Nase vorn.
Neue Geschäftsmodelle abseits von „Big Data“
Der viel umstrittene Schritt Apples die Erlaubnis zum Tracking von Apps deaktivierbar zu machen und die Entscheidung Googles das Werbetracking einzuschränken, wird das lukrative Geschäft mit den Big Data ins Wanken bringen. Darum sollte es auch ein Recht für Facebook & Co. geben, mit den Daten der User und Userinnen Geschäfte zu machen. Es wird endlich Zeit für neue Geschäftsmodelle fürs Internet und Social Media, die auf den Wert von Inhalten und Qualität beruhen. Apple und Google haben den Weg eingeschlagen und sind mittlerweile auch bereit für journalistische Inhalte im Web Geld zu zahlen. Dagegen pocht Facebook weiterhin auf ein „Recht auf Datennutzung“ und argumentiert mit Bezahlschranken, die durch fehlende Werbeeinnahmen die „Freiheit des Internets“ bedrohen würden. Doch damit steht Facebook immer mehr im Abseits.