Freiheit statt Filter!

Die vom Bundeskabinett beschlossene Urheberrechtsreform geht einen Schritt nach vorn und zwei Schritte zurück. Wer – oder besser gesagt – was wird zukünftig den Zugang von Inhalten im Web und Social Media kontrollieren? Von der Reform des Urheberrechts müssten vor allem die Urheber profitieren sowie Internet-Nutzerinnen und Nutzer, nicht nur die Verwertenden der Inhalte.

andrecosso auf Pixabay

Filter sind eigentlich etwas Schönes. Als Fotograf und Kaffeetrinker begleiten sie mich täglich bei der Arbeit. Auch im Feierabend mag der Whisky-Liebhaber vor allem mehrfach gefilterte Varianten des „Wasser des Lebens“. Doch die „Upload-Filter“, die das Gesetzespaket „zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ des Bundeskabinetts meint, haben keine Vorteile. Im Gegenteil, sie werden das Internet nachhaltig verändern – und zwar negativ. Eigentlich wollte die Bundesregierung die Upload-Filter „nach Möglichkeit“ nicht einführen und hatte sich im Koalitionsvertrag 2018 klar dagegen ausgesprochen, sie seien „unverhältnismäßig“. Doch im „Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz“ vom 3. Februar 2021 tauchen die Upload-Filter jetzt wieder auf, ohne Einschränkungen. Wenn sich kein Widerstand im Bundestag und Bundesrat erhebt, werden die Filter, gegen die vor zwei Jahren tausende Menschen auf die Straße gingen, spätestens am 7. Juni 2021 den Alltag der Userinnen und User im Internet und in den sozialen Medien prägen. Denn an diesem Tag läuft die Umsetzungsfrist der im Frühjahr 2019 beschlossenen EU-Urheberrechtsnovelle in nationales Recht aus – wegen der Corona-Pandemie wohl ohne Demonstrationen auf den Straßen. Wegen des engen Zeitfensters macht die Bundesregierung jetzt auch Druck und verkauft ihre Kehrtwende zu Artikel 17 der Richtlinie als Erfolg, obwohl diese automatisierte Uploadfilter zur Erkennung von Urheberrechtsverletzungen „faktisch unumgänglich macht“. Die Justizministerin, Christine Lambrecht (SPD) sagte der „Zeit“, der Entwurf spiegle einen „fairen Interessenausgleich“ wider. Fragt sich nur, für wen das Ergebnis am Ende fair ist?

Kritikerinnen und Kritiker sehen durch die Upload-Filter „nicht nur die Meinungs- und Kunstfreiheit in Gefahr, sondern auch das Risiko einer allgemeinen Überwachung“.

Die Urheberrechtsreform wird das Internet nachhaltig verändern… Gemäß dem Beschluss des Bundeskabinetts werden die Veränderungen des Urheberrechts größtenteils wenig Positives bringen. Vor allem die Rechteverwerter und Tech-Giganten gewinnen, nicht aber die Erstellenden, weder Autorinnen oder Fotografen noch die Nutzenden. Zu stark war der Einfluss des Wirtschaftsministeriums gegenüber dem Justizministerium. Dadurch wurde der Gesetzesentwurf zu Gunsten der Wirtschaft abgeändert und teilweise in seiner Absicht sogar umgedreht.

„Rote Knöpfe“ und „geringfügige Nutzungen“ stoppen oft die Falschen

Beispiel 1: Der rote Knopf, mit dem Userinnen und User sich eigentlich gegen eine unberechtigte Sperrung von Inhalten durch Algorithmen oder „Löschzentren“ wehren können sollten, wird jetzt vor allem den Rechteinhabern zugestanden; damit diese den Upload zum Beispiel von urheberrechtlich geschützten „Premium-Inhalten“ durch Nutzende unterbinden können, wenn „erheblicher wirtschaftlicher Schaden“ droht. „Die Nutzerrechte kommen zu kurz“, kritisiert daher der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) den Beschluss der Bundesregierung.

Beispiel 2: Ursprünglich war vorgesehen, dass es Ausnahmen für geringfügige Nutzungen geben sollte. Dafür waren zunächst 20 Sekunden für Video und Audio, 250 Kilobyte für Bilder und 1.000 Zeichen bei Texten vorgesehen – übrig geblieben sind maximal 15 Sekunden bei Video- und Tonspuren, bei Bildern nur 125 Kilobyte und bei Texten noch 160 Zeichen. Zusätzlich gibt es jetzt weitere Auflagen: „Ein Upload muss auch kleiner sein als die Hälfte des eigentlichen Werkes. (…) Außerdem müssen Schnipsel mit eigenen Inhalten kombiniert werden.“ (laut Website „t3n“) Ein weiterer Haken: Die Verwendung der Ausschnitte gilt nur, wenn dadurch „keine kommerziellen Interessen“ und keine „erheblichen Einnahmen“ generiert werden. Doch wer legt diese Grenzen fest? Werden dann bereits freie Zitate in journalistischen Beiträgen in Tageszeitungen verboten bzw. kostenpflichtig, weil die Zeitung einen Gewinn anstrebt?

Filter-Algorithmen als neue „Türsteher“ – es droht ein „Overblocking“

Beispiel 3: Die Upload-Filter. Durch die EU-Urheberrechtsnovelle liegt zukünftig die Haftung für die Inhalte einer Plattform bei den Betreibenden. Diese müssen gewährleisten, dass keine urheberrechtlich geschützten Inhalte von Userinnen und Usern unberechtigt hochgeladen werden. Laut Bundesjustizministerium soll diese Regelung für alle Dienste gelten, die „als Hauptzweck ausschließlich oder zumindest auch verfolgen, eine große Menge an von Dritten hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern und öffentlich zugänglich zu machen.“ Beispiele nennt das Justizministerium nicht. Nur die Plattform Wikipedia, Code-Hosting-Plattformen und, in eingeschränkter Form, auch Startups seien davon nicht betroffen, berichtet die Website T3N.de.

Doch wie können die Plattformen den riesigen Datenmengen gerecht werden? Die Antwort darauf lautet: Mit Upload-Filtern und „lernenden“ Algorithmen, die die Materialien eigenständig auf digitale Fingerabdrücke, Muster, Duplikate oder Ähnlichkeiten untersuchen. YouTube setzt dieses System bereits ein, steuert aber durch eine Schar von Mitarbeitenden nach, ähnlich wie Facebook. Denn das Filtersystem, welches YouTube beispielsweise auch bei der Erkennung terroristischer Inhalte einsetzt, hatte im 1. Quartal 2019 nur eine Genauigkeit von unter 10 Prozent (laut Wikipedia.de). Wenn nicht genügend Mitarbeitende zur Verfügung stehen bleibt den Plattformen nur eine Option: Algorithmen werden zu den neuen „Türstehern des Internets“.

Dadurch droht aber die Gefahr, dass „vorsichthalber“ zu viele Inhalte geblockt werden. Der Medieninformatik-Professor Florian Gallwitz befürchtet, dass es durch unausgereifte Künstliche Intelligenz (KI) zu solch einem „Overblocking“ kommen wird. Auch der Begriff der „maschinellen Zensur“ wird hierbei in der netzpolitischen Debatte verwendet.

Oligopole werden gefördert

Beispiel 4: Oligopole statt Freiheit im Internet. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, warnt vor der Entstehung von Oligopolen, da die Upload-Filter hohe Entwicklungskosten verursachten. Dies hilft den Tech-Giganten wie Apple, Facebook, Alphabet (Google / YouTube) und Amazon. Dem „freien Internet“ werde dadurch großer Schaden zugefügt, meint der „Internetgründer“ Tim Berners-Lee.

Ungünstig wirkt sich ferner aus, dass der deutsche Gesetzestext Karikaturen, Parodien und Pastiche einschränkt. Diese sind nur noch dann erlaubt, wenn sie „durch den besonderen Zweck gerechtfertigt sind“. Und es kommt noch dicker: „Selbst, wenn dieser Zweck vorliegt, sollen Plattformen für Zitate und Parodien zahlen“, so die Süddeutsche Zeitung. Und die Website T3N.de berichtet, dass Upload-Filter auch die im Mainstream angekommene Meme-Kultur im Netz gefährden werden. Letztes Beispiel: Eigentlich sollte das neue EU-Urheberrecht und seine Umsetzung in nationales Recht dazu beitragen, dass die Rechte der Urheberrinnen und Urheber gestärkt werden. Beispielsweise sollten Künstlerinnen und Künstler mit mindestens einem Drittel an den potenziellen Einnahmen der Rechteverwerter (z.B. Verlagen) beteiligt werden. Das klingt gut, aber der deutsche Gesetzentwurf erlaubt eine Abweichung davon, zum Nachteil der Rechteerstellenden. Zusätzlich soll auch der Leistungsschutz für die Vervielfältigung gemeinfreier visueller Werke abgeschafft werden.

Fazit: Ein Schritt nach vorn und zwei Schritte zurück

Das vom Bundeskabinett beschlossene „Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz“ geht einen Schritt nach vorne und zwei Schritte zurück. Zwar garantiert das auf die EU-Urheberrechtsnovelle basierende Gesetz erstmals einen festen Prozentsatz der Einnahmen für die Rechte-Erstellenden, und auch ein Verbandsklagerecht wurde eingeführt, aber das deutsche Gesetz beinhaltet Hintertüren.

Auch der positive Ansatz, dass Verwertende für jede Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks eine Vergütung zahlen müssen, hat einen Haken. Dieser Ansatz wurde zwar gegen den Druck der Tech-Giganten, die weitreichende Ausnahmen wollte, eingeführt. Doch gleichzeitig wird dabei die Grenze der „Bagatellklausel“ für die „geringfügige Nutzungen“ soweit nach unten gedrückt, dass faktisch nur eine klassische Twitter-Tweet-Länge (160 Zeichen) als Text kostenfrei zitiert werden darf.

Trotz Ausnahmen für Bildung und Wissenschaft wurden die Schranken für Schulen, Universitäten und Bibliotheken wieder eingeschränkt. Dies könnte die jetzt so wichtige digitale Bildung erschweren.

Zugewinn an Rechten – teuer erkauft!

Durch „Upload-Filter“, die Gefahr des „Overblocking“ und die möglichen Einschränkungen der Freiheit im Internet wird der Zugewinn an Rechten teuer erkauft. Obwohl der erste Versuch vom Europäischen Gerichtshof „einkassiert“ wurde, wird jetzt auch das Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt und sogar noch ausgeweitet. Es soll jetzt auch für E-Mail-Newsletter gelten, die Presseveröffentlichungen beinhalten.

Rechte der Userinnen und User…

Stattdessen sollten die Rechte der Userinnen und User im Netz gestärkt werden, damit diese gegen unrechtmäßige Upload-Filter-Entscheidungen vorgehen können. Durch technische Maßnahmen und unabhängige Beschwerdestellen sollten „Overblocking“ und „maschinelle Zensur“ minimiert werden, etwa durch „Pre-Flagging“, bei dem der User / die Userin meldet, dass der Inhalt rechtskonform ist.

…und Presse- und Meinungsfreiheit stärken! Weiterhin sollte der deutsche Gesetzgeber dafür sorgen, dass die Presse- und Meinungsfreiheit nach Artikel 5 GG gestärkt und garantiert wird: Satire, Parodie und Zitate müssen weiterhin möglich sein.