Nach den gewalttätigen Protesten am Capitol in Washington DC sperren Facebook, Twitter & Co. vorübergehend die Accounts des amtierenden US-Präsidenten. Der Schritt der Medienkonzerne, Donald Trumps Account einzufrieren und einige seiner Beiträge zu löschen, kommt viel zu spät. (Soziale) Medien müssen ihre Rolle bei der Verbreitung von „fake news“ und „hate speech“ – in den USA, aber ebenso in Deutschland – kritischer hinterfragen und konsequenter handeln.
Screenshot Twitter
Der Schritt wurde von Journalisten und Politikwissenschaftler schon länger erwartet oder gefordert: Facebook und Twitter haben die Accounts von US-Präsident Donald Trump wegen „Verstößen gegen die Richtlinien“ der Online-Netzwerke gesperrt. Kurze Zeit später folgten auch Instagram, Snapchat und YouTube. Die Sperrungen sind der Höhepunkt des Konflikts zwischen den Medienkonzernen – alle voran Twitter – und des nur noch bis zum 20. Januar im Amt befindlichen US-Präsidenten. Bereits während des US-Wahlkampfes und im Dezember 2020 hatte vor allem Twitter bereits mehrfach Tweets von Donald Trump mit Faktencheck-Hinweisen versehen, Inhalte blockiert oder gelöscht. Doch diese Schritte haben (zu) lange gedauert und neben dem Nachrichtendienst Twitter, der lange mit dem Argument „Ausnahme im öffentlichen Interesse“, Verstöße von Donald Trump gegen die Richtlinien des Netzwerkes durchgehen ließ, steht derzeit vor allem der der Face-book – Konzern stark in der Kritik, während der Amtszeit von Donald Trump nicht genügend gegen „fake news“ und „hate speech“ getan zu haben.
Verantwortung für Untätigkeit übernehmen
Die Kritik am fehlenden Handeln der Mediengiganten Facebook, Twitter und Alphabet (Google, YouTube) wird nicht erst seit dem US-Wahlkampf 2020 immer lauter. Die Politikwissenschaftlerin Jennifer Grygiel von der Universität Syracruse kritisiert beispielsweise: „Diese Tech-Firmen sollten eine gewisse Verantwortung für ihre eigene Untätigkeit übernehmen. (…) Die sozialen Medien seien darin verwickelt, weil Trump wiederholt soziale Medien genutzt habe, um Gewalt zu schüren.“ Auch bekannte US-Investoren wie Chris Sacca („Shark Tank“) erheben lautstark Kritik an den Medi-enkonzern-Bossen Jack Dorsey und Mark Zuckerberg: „An euren Händen klebt Blut. Vier Jahre lang habt ihr diesen Terror rationalisiert. Anstiftung zum gewaltsamen Verrat ist keine freie Meinungs-äußerung“.
Daher wird die Forderung immer lauter, dass Facebook, Twitter & Co. jetzt die Accounts von Donald Trump – mindestens bis nach der Amtseinführung Joe Bidens – sperren sollten. Berichten zufolge hat Mark Zuckerberg auf den Druck reagiert und sperrt bis zur Machtübergabe am 20. Januar den Facebook- und Instagram-Account von Donald Trump. Twitter hatte Trump bereits mit einer dauerhaften Sperre bei weiteren Verstößen gegen die Regeln gedroht. Besser wäre es aber wohl, wenn die Medienkonzerne sich jetzt ihrer Verantwortung stellen und zukünftig konsequenter gegen die Verbreitung von „fake news“ und „hate speech“ vorgehen sowie die Accounts dauerhaft sperren würden. So könnten sie Zeichen setzen. Auch wenn dies bedeutet, sich gegen wütende Trump Anhänger und andere Populisten im eigenen Netzwerk zu wehren. Sonst gehen UserInnen und InvestorInnen verloren, ebenso wie die Macht der Medien.
Wehret den Anfängen!
Kommentare in den US-Medien vergleichen den Angriff auf das Capitol in Washington DC mit dem Reichtagsbrand 1933 in Deutschland. Aus Angst davor, dass (Rechts-) Populisten in den USA die Proteste zum Anlass nehmen könnten, die Legitimität der Wahlen und der Demokratie in Frage zu stellen, um die Spaltung des Landes oder gar einen neuen Bürgerkrieg auszu-lösen. Der große Riss in der Gesellschaft geht in den USA bis in die politischen Parteien hinein, in der Politikwissenschaft und Medien eine drohende Spaltung der republikanischen Partei in Befürworter und Gegner Donald Trumps befürchten. Dies würde die Spaltung in den USA noch weiter festigen.
Cem Özdemir (MdB) schrieb zu den Ereignissen in den USA bei Facebook: „Bis in den Reichstag sind sie bei uns damals nicht gekommen. Doch die Bilder der Corona-Wissenschafts-Leugner mit Reichsflaggen und das Erstarken der Rechtsradikalen warnen auch bei uns: Wehret den Anfängen!“.
(Soziale) Medien müssen konsequenter handeln!
Dass aus Worten in sozialen Netzwerken (gewalttätige) Taten folgen können, ist zwar nicht erst seit dem Sturm der Reichstagstreppen und des US-Capitols bekannt, aber jetzt kann niemand mehr den direkten Zusammenhang leugnen. Das heißt aber auch: Die Zeit des Zauderns und des Wegschauens ist für die Medienkonzerne vorbei – in den USA wie in Deutschland.
Soziale Medien müssen ihre Mitverantwortung anerkennen und konsequenter handeln! Das gilt auch für das Facebook „Löschzentrum“ in Berlin und den Umgang mit den Accounts von Corona-Leugnern und rechten oder populistischen Parteien. Meinungsfreiheit hört da auf, wo die freiheit-lich demokratische Grundordnung in Gefahr gerät. Nur dann kann die Demokratie wieder die Oberhand im Web gewinnen und auch die Medienkonzerne ein Stück weit Vertrauen zurückgewinnen.
Artikel zum Weiterlesen:
Facebook und Twitter sperren Trump (tagesschau.de, 07.01.2021)
»An euren Händen klebt Blut« (Spiegel, 07.01.2021)
Trumps Facebook-Seite bleibt gesperrt (tagesschau.de, 07.01.2021)