Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch: in der Industrie, in der Medizin und auch im Journalismus. Seit dem Segensroboter „BlessU-2“ ist das Thema in der evangelischen Kirche präsent und seit dem letzten Monat auch in der katholischen Kirche. Der Vatikan hat den Ethik-Codex „Rome Call for AI Ethics“ herausgebracht und Papst Franziskus hat laut Vatican News zu „ethischen Maßstäben für neue Technologien“ aufgerufen. Haben die Kirchen das Buzzword-Thema „KI“ verschlafen oder sollten sie hier gar kein „early adopter“ sein? Oder brauchen wir einfach mehr Mut?
Roboter erteilt Segen
Rund um den Einsatz des Segensroboters „BlessU-2“(Link zum YouTube-Video) ist 2017 in der evangelischen Kirche eine Diskussion um die Frage entbrannt: „Schafft sich die Kirche durch Künstliche Intelligenz ab?“ Der evangelische Medienbischof Josef Jung hat zu diesem Thema 2019 das lesenswerte Buch „Digital Mensch bleiben“ herausgebracht. Der Theologe wirbt darin für eine „Emanzipation des Menschen“ von der selbst geschaffenen Technik ohne diese zu „verteufeln“.
Ethik für Künstliche Intelligenz (KI)
Ähnlich verhält es sich mit der kürzlich in Rom veröffentlichten Stellungnahme von Papst Franziskus zu ethischen Maßstäben für neue Technologien: Einerseits wirbt der Heilige Vater darin für eine „Regulierung von Künstlicher Intelligenz“ und vor allem die Schaffung einer „Algor-Ethik“ (einer „Verankerung ethischer Maßstäbe bei der Anwendung von Algorithmen“). Andererseits würdigt Papst Franziskus auch das „große Potential“ der neuen Technologien, wenn „die neuen Techniken insgesamt und langfristig dem Gemeinwohl aller zukommen“.
Wie in seinen Stellungnahmen zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel versucht der Pontifex mit dem von rund 100 Wissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern (wie Microsoft und IBM) und Politikern (Europarlament) erstellten Ethik-Codex „Rome Call for AI Ethics“ einen Spagat: Einerseits die Realität und die Chancen anerkennen und gleichzeitig mit einem mahnenden Finger ethischen Maßstäbe einfordern. Ein Weg der Mitte. Dies zeigt aber auch, dass zwischen Kirchen-Lehre und Wissenschaft immer noch eine Lücke klafft. Kann digitale Technik nicht auch eine digitale Pastoral hervorbringen?
„Lasst Maschinen Kirche machen?!“
Genau diese Frage wurde bei der Tagung „Kirche im Web“ (#kiw2020) Anfang März von rund 70 Medienschaffenden der evangelischen und katholischen Kirche in Stuttgart diskutiert. In seine Keynote-Rede stellte Prof. Andreas Büsch von der Katholischen Hochschule Mainz und Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz die entscheidende Frage:
„Ist die Seele online?“
Durch Digitalisierung werden sich die Bereiche Diakonia, Martyria und Leiturgia der Kirche klar verändern, betonte Prof. Büsch. Dies bedinge einige Herausforderungen, aber auch viele Chancen, vor allem eine „Communio im Vollsinn" zu erreichen. Dazu sei es aber wichtig, einer „dialogischen Pastoral“ den Vorrang vor einer „Verkündigungspastoral“ zu geben. Im Hinblick auf den Umgang der Kirche mit neuen Technologien, wie der Künstlichen Intelligenz (KI), stellte er die Frage: „Soll Kirche ‚early adopter‘ sein oder doch erst mit etwas Abstand die Entwicklungen begleiten?“
Dialog über die Digitale Gesellschaft
Bei der Tagung #kiw20 wurde im Dialog zwischen Medien, Wissenschaft und Politik deutlich: Zur Gestaltung einer „Digitalen Gesellschaft“ werden die Kirchen dringend benötigt. Denn in der Frage der Ethik und des verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgangs kann die Kirche einen wichtigen Beitrag leisten. Neue Technologien können laut Papst Franziskus dazu beitragen „Menschenwürde, Gerechtigkeit, Transparenz und Solidarität“ zu fördern. Wenn sie nicht nur ein Mittel für die „Reichen“, sondern ein Mittel für alle Menschen werden und die Daten der Menschen „schützen“.
Appell für mehr Mut für die Zukunft
Eines wurde bei den Diskussionen in Stuttgart und in den römischen Veröffentlichungen klar: Auch die Kirchen werden an den neuen Technologien und an der Künstlichen Intelligenz (KI) nicht vorbeikommen. Und das ist gut so! Gerade bei uns, wo die „German Angst“ und „Technikmuffel“ den Einsatz neuer Technologien oft blockieren statt zu fördern, brauchen wir vor allem: Mehr Mut für die Zukunft!
Schon in der Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ versuchte der Androide „Data“, menschlich zu werden. Algorithmen werden menschliche Gefühle und Emotionen wohl auch in nächster Zeit nicht ersetzen können, wie Prof. Doris Aschenbrenner, Assistent Professor an der TU Delft und Dr. der Informatik mit dem Schwerpunkt Robotik, in Stuttgart betonte. Aber in vielen Bereichen werde Künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen, die menschliche Existenz zu verbessern. „Die Kirche kann dabei ein guter Brückenbauer sein“ und ihren „Markenkern“ (persönlicher Kontakt mit den Menschen) auch in den Bereich Digitales einbringen, betonte Prof. Aschenbrenner.
Diese Chance sollten die Kirchen ergreifen – auch in der Pastoral!
Und ist nicht die Erschaffung der Künstlichen Intelligenz auch ein Beitrag zur Schöpfung Gottes. Eine Schöpfung, die anregt um die Grundsatzfrage nachzudenken: „Ist die Seele online?“
Zum Weiterlesen: Lasst Maschinen Kirche machen?! (Link zu explizit.net)
Dieser Artikel wurde von einem Menschen erstellt, aber auch künstliche Intelligenz war im Spiel: Durch den Einsatz einer (lernenden) Rechtschreibkontrolle und des Suchmaschinen-Algorithmus.
Christian Schnaubelt
Redaktionsleiter explizit.net
Ressortleiter Kirche & Medien