Am Freitag wird auf der ganzen Welt für den Klimaschutz gestreikt. Das Problem ist endlich im Bewusstsein angekommen. Doch die Lösung ist nicht einfach. Konzerne nutzen das neue Bewusstsein für ihr Marketing und haben Erfolg. Dem Klima ist damit kaum geholfen. Der Streik für das Klima ist längst ein Streik für eine andere Art des Wirtschaftens geworden.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit - endlich
Die Jugend, das Land, die Welt streikt für das Klima! Weiter so! Das Thema ist mitten im Fokus der Aufmerksamkeit. Endlich. Ein gigantischer Erfolg der Protestbewegung! Die Bewegung ist jung, gut vernetzt und fast so global wie der Klimawandel. Keine Politikerin und kein Firmenchef, weder du noch ich, niemand kann sich mehr rausreden, wir alle wissen: So kann es nicht weitergehen. Die Welt wird lernen müssen, anders zu wirtschaften und politische Entscheidungen nach anderen Kriterien zu treffen als bisher.
Globaler Streik, lokale Politik
Spätestens seit der Krise 2008 ist offensichtlich, dass die Politik nur begrenzten Handlungsspielraum hat, solange sie an der Staatsgrenze halt machen muss – die Waren-, Geld- und Kapitalströme fließen nämlich global. Unternehmen, die in einem Land zu viele Steuern oder zu hohe Löhne zahlen müssen, gehen in ein anderes. Amerikanische Unternehmen bauen in China iPhones mit Edelmetall aus dem Kongo und verkaufen sie in Frankfurt. Allein die für diese Art des Wirtschaftens notwendige Frachtschifffahrt stößt mehr CO2 aus als die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Smartphones sind dabei nur ein besonders augenfälliges Beispiel: Woher kommt der Beton für unsere Häuser, das Aluminium für unsere Fahrräder und der Kunststoff für unsere Sportschuhe? Es gibt keine politische Institution auf der Welt, die die wichtigste Frage stellen kann: Wir müssen uns fragen, ob es ein solches Wirtschaften überhaupt noch braucht.
Die Strategie der Gegner: Green sells
Sicher, auch die kleinen Schritte sind wichtig auf einem langen Weg. Aber im privaten Konsumverhalten wird das Problem keine Lösung finden. Dennoch ist grüne Imagewerbung ein erfolgreiches Mittel der Großkonzerne. Fluggesellschaften wählen Hellgrün als Grundfarbe der Werbeplakate und werben mit gepflanzten Bäumen und unterstützten Bienenschutzprojekten. Klingt alles nett und funktioniert: Die Zahl der Flugpassagiere steigt jedoch unvermindert. Im neuen Umweltbewusstsein sehen Konzerne ihre Chance, fallenden Konjunkturprognosen entgegenzuwirken. Finanzminister Scholz will Ladesäulen für E-Autos bauen lassen und so die Markteinführung erleichtern. Aber warum bleiben wir überhaupt beim Individualverkehr? Woher kommt der Strom, der die Autos antreibt, woher die Rohstoffe für die Batterien und das Metall für das Gehäuse? Und wo wird der Elektroschrott ausrangierter Autos entsorgt? Warum bauen wir nicht radikal auf öffentlichen Nah- und Fernverkehr?
Die stärkste Lobbyistin
Wir wissen, dass die Rettung des Klimas nicht mit Flugscham, dem neuen Elektroauto und Bio-Produkten bewerkstelligt werden kann. Doch genau damit wird man uns abspeisen wollen. Die Unternehmen machen in allen Branchen und per Definition ihre Profite damit, billig zu produzieren und kurzlebige Waren zu verkaufen – schließlich kommt im nächsten Jahr die nächste Kollektion. So zerstört und untergräbt, um mit dem angestaubten Marx zu sprechen, der Kapitalismus die beiden Springquellen des Reichtums: den Arbeiter und die Erde.
Die mächtigsten Gegner einer nachhaltigen Klimapolitik sind nicht die faktenskeptischen Rechtspopulisten. Auch nicht die verstockten Politiker, die den Ernst der Lage nicht erkennen. Die Wirtschaft ist in ihrer Jagd nach Profiten die stärkste Lobbyistin. Auf der anderen Seite stehen wir, im Gepäck die Wissenschaft, die technische Möglichkeit und das Interesse an einer Art des Zusammenlebens, die nicht die Meere zerstört und Millionen Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt. Am heutigen Freitag geht die ganze Welt auf die Straße – ein guter Zug in einem komplexen Spiel.