„Die digitale Revolution kann uns freier machen…“

…schreibt Papst Franziskus in seiner Botschaft zum „Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2024“, der in Deutschland Mitte September begangen wird. Der Vatikan sieht „Chancen und Ge-fahren“ für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und fordert ethische sowie völkerrechtliche Vereinbarungen. Zudem wird die Bedeutung des Journalismus für eine „wahrhaft menschliche Kommunikation“ gestärkt. Doch ohne das Engagement der Kirchen wird dies nicht gelingen.

„Künstliche Intelligenz“ ist Papst Franziskus in diesem Jahr ein besonderes Anliegen. Bereits in seiner Botschaft zum 57. Weltfriedenstag und beim G7-Gipfel in Italien thematisierte der Heilige Vater das Thema, ebenso wie jetzt in seiner Botschaft zum 58. Welttag der sozialen Kommunika-tionsmittel. Zudem hatte der Vatikan in diesem Jahr IT-Firmen eingeladen, seine schon länger be-stehende Initiative für eine „Algor-Ethik für künstliche Intelligenz“ zu unterstützen. Microsoft & Co. schlossen sich an und auch in Deutschland forderte Medienbischof Kardinal Reinhard Marx, dass die Kirche „durch Angebote zur Medienkompetenz und Medienpädagogik“ einem intransparenten und meinungsbeeinflussenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz entgegenwirken. Gleichzeitig betonten Papst und Medienbischof, dass es nicht darum gehe „technische Entwicklungen abzu-lehnen, sondern dazu beizutragen, dass alle Menschen gleichermaßen Zugang erhalten und sie dem Leben der Menschen dienen können“, zitiert domradio.de Kardinal Marx.

„Futter für Algorithmen“

„In diesem Zeitalter, das in der Gefahr steht, reich an Technik und arm an Menschlichkeit zu wer-den…, können wir Weisheit nicht von Maschinen erwarten“, betont Papst Franziskus in seiner Bot-schaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel. Da jede künstliche Intelligenz von menschlichen Schöpfern beeinflusst werde, „sind auch Algorithmen nicht neutral“. Daher erneu-ert der Heilige Vater sein Aufruf zur ethischen Regulierung und zu Schaffung von völkerrechtlichen Vereinbarungen „zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in ihren vielfältigen Formen.“

Denn „alles was sich in den Händen der Menschen befindet, kann zu Chance oder Gefahr wer-den“, betont der Heilige Vater weiter. Allerdings anders als sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. – der neuen technischen Entwicklungen eher skeptisch gegenüberstand – verschließt sich Papst Franziskus dem „radikalen Wandel“ im Kommunikationsbereich nicht, warnt aber davor, dass Menschen zu „Futter für die Algorithmen“ werden, die ihre Individualität verlieren können. „Die Systeme künstlicher Intelligenz können zur Befreiung von Unwissenheit beitragen und den Infor-mationsaustausch zwischen den Völkern und Generationen erleichtern. Sie können zum Beispiel eine enorme Fülle von Wissen, das in vergangenen Zeiten aufgeschrieben wurde, zugänglich und verständlich machen oder Menschen in ihnen unbekannten Sprachen kommunizieren lassen. Aber sie können zugleich ein Instrument ‚kognitiver Verschmutzung‘ sein, einer Verzerrung der Wirklichkeit durch teilweise oder gänzlich falsche Narrative (…)“, so Franziskus, der besonders vor den Gefahren der Reduzierung des Menschen auf Daten sowie die Kommunikation in „Echokam-mern“ warnt, die verhindere, dass „die digitale Revolution uns freier machen kann.“

„Weisheit des Herzens“

Stattdessen ruft der Heilige Vater dazu auf, die Kommunikation auf Grundlage der „Weisheit des Herzens“ aufzubauen. Dabei komme dem Journalismus eine besondere Rolle zu: „Die Nutzung von künstlicher Intelligenz wird einen positiven Beitrag im Bereich der Kommunikation leisten, wenn sie die Rolle des Journalismus vor Ort nicht beseitigt, sondern ihn unterstützt (…)“. Dazu betont Papst Franziskus die Verantwortung jedes Kommunikators und dass Künstliche Intelligenz nicht zu einer Verringerung des Pluralismus und der Beeinflussung der öffentliche Meinung im Sinne eines „Einheitsdenkens“ führen, wie domradio.de die Papstbotschaft zitiert, die hier im deutschen Wortlaut verfügbar ist: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/Botschaften/2024-Botschaft_58-Welttag_der_Sozialen_Kommunikationsmittel.pdf

Franziskus: „Die Antwort hängt von uns ab“

Papst Franziskus sieht zwei Szenarien, wie der Einsatz von künstlicher Intelligenz die Menschheit verändern kann: Entweder als „Gespenst einer neuen Sklaverei“ durch die Übermacht einer „auf Informationsdominanz basierender Kasten hervorbringen wird und neue Formen der Ausbeutung und Ungleichheit schafft oder ob sie oder im Gegenteil mehr Gleichheit und ein Zugewinn an Frei-heit mit sich bringt, welches eine „digitale Revolution, die uns alle freier macht“ hervorbringen kann. „Die Antwort steht nicht fest, sie hängt von uns ab“, betont Papst Franziskus und schildert seinen Wunsch, dass „die Systeme künstlicher Intelligenz auf eine wahrhaft menschliche Kom-munikation hin“ ausgerichtet werden. Doch dies wird nicht ohne die Kirche(n) gehen!

Fazit: Kirche können in der Debatte um den Einsatz von KI einen wichtigen Beitrag leisten

Wie bereits bei der diesjährigen Tagung „Kirche im Web“ in der Katholischen Akademie Bayern in München am 01. März 2024 deutlich wurde, können die Kirchen einen wichtigen Beitrag in der Debatte um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz leisten. Der Vatikan ist in dieser Thema – an-ders als bei anderen Themen – dieses Mal nicht ein Bremser, sondern ein Vorreiter ist, der durch seinen Appell für eine „Algor“-Ethik – aus Sicht des Autors – einen ethischen Impuls gesetzt hat, der in der aktuellen Debatte, in der KI oft zu einem allmächtigen Retter hochstilisiert wird, fehlt. Nicht der erhobene Zeigefinger vergangener Pontifikate, sondern der Finger als Hinweisgeber und zur Handreichung mit der Wissenschaft und der Wirtschaft wird benötigt. Wenn jetzt auch in Deutschland – wo sich DBK und ZdK zum Thema Künstliche Intelligenz bisher wenig geäußert ha-ben - Medienbischof Kardinal Marx mehr Engagement von den Kirchen fordert, ist dies ein guter erster Schritt. Mehr sollte folgen, denn „Nichts ist so beständig wie der Wandel“ (Heraklit).

Lesetipp: Zu der Frage „Wie wird KI die Kirche verändern“ erscheint heute auch ein Beitrag des Au-tors in unserem Partnerportal explizit.net auf https://explizit.net/medien/

Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)