„Zeit, dass sich was dreht“

Gestern Abend ist die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland gestartet. Einerseits „ist Fußball die schönste Nebensache der Welt“ (Pele), bei der sich Menschen aller Nationen und Religionen friedlich begegnen. Aber andererseits hat der Fußball auch mit Vorwürfen wegen Kommerzialisierung, Korruption und Menschenrechtsverletzungen zu kämpfen. Daher wird es „Zeit, dass sich was dreht“ (Grönemeyer) und sich die Fans den Fußball wieder zurückholen.

Glaube und Fußball verbindet, überall auf der Welt. Besonders intensiv ist diese Verbindung im Ruhrgebiet, wo bei den Spielen schon mal der „Fußballgott“ beschworen und in Gelsenkirchen das wahrscheinlich einzige Kirchenfenster mit einem fußballspielenden Heiligen zu finden ist.

Am letzten Sonntag wurde in der geschichtsträchtigen „Glückauf – Kampfbahn“ ein Gottesdienst zur Fußball-Europameisterschaft der Männer gefeiert. Im Interview mit mir betonte Zelebrant Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, für unser Partnerportal www.explizit.net:

„Mir war wichtig, an die verbindende Kraft des Fußballs zu erinnern und dafür zu werben, dass es hier, wie überall im Leben, nicht um Gegnerschaft oder gar Feindschaft geht, sondern um das Miteinander von Menschen, Kulturen, Nationen.“ „Wir müssen all denen die „Rote Karte“ zeigen, die den Fußball dazu missbrauchen, um Hass und Gewalt zu verbreiten“ (Klaus Pfeffer) „Im Fußball wie überall im Leben dürfen wir „die anderen“ nicht zu Feinden erklären, sondern müssen begreifen, dass das Spiel auf dem Platz und das große Spiel des Lebens nur im Miteinander geht.“

„Rote Karte für Katar“

Fußball ist heute – nach der Religion – das neue „Opium für das Volk“ (das Originalzitat von Karl Marx bezog sich auf die Religion) geworden. Und hat dabei – neben dem reinen Unterhaltungswert – immer stärker auch eine politische Dimension bekommen. Dies wurde besonders bei der letzten Fußball- Weltmeisterschaft in Katar deutlich, bei der Menschenrechtler:innen und Organisationen wie das katholische Hilfswerk missio Aachen wegen Vorwürfen über Menschenrechtsverstöße und der Situation der Gastarbeiter:innen die „Rote Karten für Katar“ forderten. Besonders die Fifa stand damals in der Kritik, wegzusehen. Und bei der Fußball-EM 2024 in Deutschland? Da ist Katar wieder einer der Hauptsponsoren. Haben FIFA und Organisationskomitee nichts dazugelernt? Proteste gegen Katar blieben bisher aus, anders als zuletzt in der 1. Bundesliga.

Fan-Proteste gegen Kommerzialisierung

Denn nicht nur auf der internationalen Fußballbühne, auch in der 1. Bundesliga gab es in der letzten Saison zahlreiche Fan-Proteste gegen Kommerzialisierung und die geplante Zulassung von Großinvestoren. Die „Tennisball“-Proteste in den Stadien zeigten Wirkung: Der ursprüngliche Plan wurde zurückgestellt. Aber die Weichen stehen wohl trotzdem weiterhin auf Kommerzialisierung. Zu sehr locken immer größere Fernseh- sowie Lizenz- und Merchandising-Einnahmen.

Mit dem ursprünglichen (Straßen-) Fußball hat dies schon lange nichts mehr gemein. Auch bereits in den Jugendligen werden Taschengeld und Ablösesummen für Spieler:innen gezahlt und einige Bundesligisten bauen ihre Nachwuchs- und Leistungszentren aus. Dies soll langfristig Fußball für möglichst viele Spieler:innen ermöglichen. Aber dies wird nicht ohne Nebenwirkungen bleiben: Denn Professionalisierung wird auch die Kommerzialisierung weiter vorantreiben. Aber noch ist Zeit, gegenzulenken, wenn die Vereine ihre Verantwortung ernst nehmen wollen.

Fazit: Es ist wichtig, dass Fans, Funktionäre und Spieler gemeinsam klare Position beziehen und sich – wie in den 2000er-Jahren erfolgreich gegen Rassismus im Stadion – jetzt Kommerzialisierung,Korruption und Menschenrechtsverletzungen die „Rote Karte“ zeigen. Wenn sich die Fans den Fußball zurückholen, kann Fußball wieder zur „schönsten Nebensache der Welt“ (Pele) werden. Es wird „Zeit,dass sich was dreht“ (Grönemeyer) – lets go deutsche Nationalmannschaft!

Lesetipp: Unser Partnerportal explizit.net hat anlässlich der Fußball-EM eine Artikelserie „Fußball und der liebe Gott“ gestartet. Hier geht es zu den bisher erschienenen Beiträgen: https://explizit.net/religion/artikel/fussball-und-der-liebe-gott-interview-mit-generalvikar-klaus-pfeffer/ https://explizit.net/religion/artikel/fussball-und-der-liebe-gott-das-fussballkirchenfenster-in-gelsenkirchen/

Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)