Der „Weltfriedensgebetstag 2024“ lenkt den Blick auf das Thema "Künstliche Intelligenz".
Christian Schnaubelt - kreiert mit KI (Adobe Firefly 2)
(Vatikan / Bochum, 13.01.2024) Das Thema KI prägt derzeit - wie kaum ein anderes – die öffentliche Diskussion und bekommt auch in den Kirchen eine immer größere Bedeutung. Auch die Tagung „Kirche im Web 2024“ wird sich dem Thema annehmen. Aber während bisher vor allem die Bedeutung von KI für die Medien und die User:innen diskutiert wurde, stellt Papst Franziskus beim „Weltfriedensgebetstag 2024“ die spannende Frage „Kann Künstliche Intelligenz Frieden machen?“ in den Raum.
In seiner Botschaft zum 57. Weltfriedenstag betont Papst Franziskus die Chancen und Herausforderungen von neuen Technologien „zwischen Verheißung und Risiko“: „Die bemerkenswerten Fortschritte in den neuen Informationstechnologien, insbesondere im digitalen Bereich, bergen daher erstaunliche Möglichkeiten und ernsthafte Risiken, mit schwerwiegenden Auswirkungen auf das Streben nach Gerechtigkeit und Harmonie zwischen den Völkern.“ Der Heilige Vater mahnt, dass auch in KI – Systemen menschliche Werte wie „Inklusion, Transparenz, Sicherheit, Gerechtigkeit, Vertraulichkeit und Zuverlässigkeit“ respektiert werden müssen und fordert dazu auf, „die Rechte derjenigen schützen, die Formen der künstlichen Intelligenz nutzen oder von ihnen beeinflusst werden.“
Die geforderte (behördliche und völkerrechtliche) Regulierung von KI-Systemen begründet Papst Franziskus wie folgt: „Technologische Entwicklungen, die nicht zu einer Verbesserung der Lebensqualität der gesamten Menschheit führen, sondern im Gegenteil Ungleichheiten und Konflikte verschärfen, können niemals als echter Fortschritt angesehen werden.“ Dabei verweist Franziskus konkret auf das „Problem, wenn künstliche Intelligenz in Desinformationskampagnen eingesetzt wird, die falsche Nachrichten verbreiten und zu einem wachsenden Misstrauen gegenüber den Medien führen.“ Außerdem verweist der Heilige Vater darauf, dass „die große Menge an Daten, die von künstlichen Intelligenzen analysiert werden, an sich noch keine Garantie für Unparteilichkeit ist“.
„(…) Diskriminierung, Einmischung in Wahlprozesse, das Aufkommen einer Überwachungsgesellschaft, digitale Ausgrenzung und die Verschärfung eines Individualismus, der sich zunehmend von der Gemeinschaft abkoppelt. All diese Faktoren bergen die Gefahr, Konflikte zu schüren und den Frieden zu behindern.“ (Papst Franziskus)
„Wege des Friedens ebnen“
Im Hinblick auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei Kriegen und Terroranschlägen spricht sich Papst Franziskus klar gegen „autonome Waffensysteme“ aus, denn „autonome Waffensysteme werden niemals moralisch verantwortliche Subjekte sein können.“
Stattdessen sollen KI „die Verbesserung des Lebensstandards ganzer Nationen und Völker sowie das Wachstum der menschlichen Geschwisterlichkeit und der sozialen Freundschaft bewirken“. Daher spricht sich der Vatikan erneut für eine „Algor-Ethik“ aus, „bei der die Werte die Richtung für die neuen Technologien weisen.“ „Das Erarbeiten ethischer Richtlinien für die Entwicklung künstlicher Intelligenz kann nicht davon absehen, die tieferen Fragen nach dem Sinn der menschlichen Existenz, dem Schutz der grundlegenden Menschenrechte und dem Streben nach Gerechtigkeit und Frieden zu berücksichtigen.“
Dabei gelte es ferner, dass „die Stimmen aller betroffenen Gruppen in den Debatten über die Regulierung der künstlichen Intelligenz berücksichtigt werden, auch die Armen, die Ausgegrenzten und andere, die in globalen Entscheidungsprozessen oft ungehört bleiben.“ Dieser Blick für die Menschen „an den Rändern“ der Gesellschaft prägt das bisherige Pontifikat von Papst Franziskus.
Fazit: Kann KI auch zum „Werkzeug des Friedens“ werden?
„Die fortschrittlichsten technischen Anwendungen sind nicht einzusetzen, um gewaltsame Konfliktlösungen zu erleichtern, sondern um die Wege des Friedens zu ebnen.“ (Papst Franziskus)
Wie jede Technologie zuvor (Buchdruck, Radio, Fernsehen, Internet) kann - aus Sicht des Autors - der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sowohl zum Wohle der Menschheit als auch zu deren Schaden eingesetzt werden. Fernab von „Terminator“-Szenarien, in denen sich die von Menschen geschaffenen Maschinen gegen die Menschen selbst wenden, steht dabei vor allem die Frage im Raum: Kann KI auch zum „Werkzeug des Friedens“ werden?
Die Antwort auf diese Frage wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingen wird, sich auf gemeinsame Grundwerte und eine Ethik für den Einsatz von KI zu verständigen. Und durch 100 prozentige Transparenz!
Die Aufgaben von Medien wandeln sich rasant: Während Recherche und Übersetzungsaufgaben immer mehr von KI – System übernommen werden benötigt es – gut ausgebildete und vernetzte - Medienschaffende, die die Ergebnisse kontrollieren und vor allem einordnen und vor allem Verbindungen mit anderen Texten sowie Werten und Normen herstellen. „Heimliche Kriege“ wird es in Zeiten von Globalisierung und KI wohl nicht mehr geben, aber dafür - in Zeiten z.B. von „Deepfake“ – Videos - einen „Krieg der Informationen“.
Die Aufgabe von Medien wird es sein für Transparenz zu sorgen und weiterhin der Wahrheit verpflichtet zu sein. Dafür braucht es unabhängige Medien, damit die Wahrheit nicht von der Anzahl der Bitcoins oder der Soldat:innen abhängt, sondern Allen verpflichtet ist.
Im Hinblick auf dem Umgang der Kirchen mit technologischem Fortschritt lässt sich dies ableiten:
Nicht blenden lassen – aber auch nicht den Wandel verschlafen!
In der aktuellen Debatte über Künstliche Intelligenz hat man das Gefühl, dass KI zum „Heilsbringer“ wird und das die Kirche wieder einmal dabei ist, einen „Megatrend“ zu verschlafen. Natürlich ist es richtig, dass die KI – Modelle – vor allem innerhalb des letzten Jahres technisch einen großen Sprung nach vorne gemacht haben und immer mehr Lebensbereiche von Menschen – bewusst aber immer öfter auch unbewusst – beeinflussen. Dieser Entwicklung sollte auch Kirche sich nicht verschließen!
Gleichzeitig sollten sich Medienschaffende und User:innen aber auch von den „buzzwords“ nicht blenden lassen. Nicht jede KI ist ein Fortschritt und die Ausweitung der KI kann auch zu einem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Menschen führen, insbesondere wenn KI-Systeme „autonom“ laufen.
Das sollte aber die Kirchen auch nicht dazu verführen, Künstliche Intelligenz zu „verteufeln“ und den technischen und den damit auch einhergehenden gesellschaftlichen Wandel zu verschlafen!
Vielmehr sollte sich Kirche aktiv in die Debatten einbringen, um die ethischen und moralischen Fragen von KI – Nutzung in den Blick zu rücken. Erhobene Zeigefinger aus dem Vatikan helfen dabei – wie meistens – nicht (viel).
Sehr wohl aber konstruktive Beiträge, wie die Beteiligung des Vatikans an einem „Ethik-Handbuch“ des Institute for Technology, Ethics and Culture (ITEC) im Juli 2023 oder die Unterstützung des Rom-Aufrufs zur Ethik der Künstlichen Intelligenz vom 28. Februar 2020.
Denn die katholische Kirche kann zum Diskurs über KI einen Beitrag leisten und sollte es auch verstärkt tun!
Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)
Lesetipp: Zum Weltfriedensgebetstag 2024 haben mehrere katholische Verbände unter Federführung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und der Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) eine Arbeitshilfe erstellt: www.bdkj.de.