Gemeinsam statt einsam

Warum die Zukunft der Katholikentage in der Ökumene liegt und sich das Kirchentreffen wieder mehr auf seine Wurzeln beziehen sollte. Ein Kommentar zum Katholikentag 2022 in Stuttgart.

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Am letzten Sonntag ist der Katholikentag 2022 in Stuttgart zu Ende gegangen. In den Sozialen Medien wurde das erste katholische Kirchentreffen seit der Corona-Pandemie als „Klassentreffen“ bewertet, welches vor allem durch „gute Stimmung und gutes Wetter“ geprägt gewesen ist.

Aber die 102. Auflage des Katholikentages hat auch viele Fragen zu seiner Bedeutung und vor allem zur zukünftigen Gestaltung des kostenintensiven Großevents aufgeworfen. Während an der einen Stelle ein „kompakteres Format“ für das Traditionsevent gefordert wird (z.B. von Benjamin Leven von katholisch.de), setzt ZdK-Generalsekretär Marc Frings auf eine „Überprüfung mancher Traditionen“ und der „strengen Trennung zwischen Kirchentagen und Katholikentagen. Eine Idee, die auch Essens Generalvikar Klaus Pfeffer aufgriff und such für eine Stärkung rein ökumenischer Events aussprach.

Die Debatte ist nicht neu. Aber sie hat durch den Katholikentag 2022 neue Fahrt aufgenommen.

Das liegt zu einem an den reinen Zahlen. Bis zu 27.000 Besucherinnen und Besucher wurden vom 25.-29. Mai in Stuttgart gezählt (darunter 20.000 Dauerkarten inkl. 7.000 Mitwirkenden sowie 7.000 Tagesgäste). Beim letzten Katholikentag „vor Corona“ 2018 in Münster waren es 70.000 Besucher und Besucherinnen (bei 50.000 Dauerkarten). Zwar wurde das Ziel der Veranstalter - 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – erreicht, aber trotzdem waren viele Podien und Veranstaltungsräume nur teilweise gefüllt und auch in den Zentren (wie z.B. Jugend und Junge Erwachsene) war der Besucherandrang „überschaubar“. Dies tat der Stimmung vielerorts keinen Abbruch, denn der Katholikentag war ein Fest des Wiedersehens und diente zur Selbstbestätigung: Trotz aller Krisen lebt die Kirche.

Und zum anderen an der inhaltlichen Bedeutung des kirchlichen Großevents für die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland. Die Seiten, an denen aus vielen Gemeinden und Pfarreien Gruppenfahrten zum Katholikentag angeboten wurden und überall „Halle überfüllt“-Schilder standen, scheint vorbei. Vielmehr Alleinreise, Paare und kleine Gruppen prägten das Bild in Stuttgart, abgesehen von manchen Chören und Jugendgruppen. Dabei hatte die Vorbereitungsteams des Katholikentags und des ZdK sich vor inhaltlichen Debatten – auch zu kritischen Themen – nicht gescheut. Ukraine, Missbrauch, #outinchurch, Synodaler Weg, Klimawandel, Rassismus, Digitalisierung und KI. Kein aktuelles Thema fehlte in Stuttgart und prominente Podiums-Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren auch vor Ort. Aber die starken inhaltlichen Impulse gingen von diesem Katholikentag nicht aus. Ausgenommen in zwei Bereichen: Der Solidarität mit der Ukraine und den unüberhörbaren Wunsch, dass die Veränderung der katholischen Kirche beschleunigt werden müsse (Stichwort: „Synodaler Weg“).

Und darüber hinaus rückt vor dem Hintergrund sinkender Kirchensteuereinnahmen und steigender Anteile öffentlicher Gelder auch die Frage nach der Finanzierung des Großevents wieder in den Fokus. Neben dem Karlsplatz in Stuttgart hatten Gegner des Kirchentreffens ein Abbild Moses mit einer Steintafel errichtet. Auf dieser stand: „11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“. Die Frage der Finanzierung befeuert eine Debatte um „kompakteren Katholikentag“ und die Frage, ob nicht durch die Umwandlung in ökumenisches Kirchentreffen deren Zukunft finanzierbarer wäre?

Ab 2025 sollten die Kirchentreffen nur noch ökumenisch sein!

Traditionell wird beim Abschlussgottesdienst zu den nächsten Kirchentreffen eingeladen und dies ökumenisch. Vom 07.-11. Juni 2023 findet der nächste Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg, der nächste Katholikentag wird vom 29. Mai bis 02. Juni 2024 in Erfurt stattfinden. Zwar gibt es nach dem digitalen Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt den Wunsch dieses Format fortzuführen, aber ein konkreter Termin für den nächsten ÖKT steht noch nicht. Dabei wäre dann die Chance, ab 2025 die Weichen voll auf Ökumene zu setzen. Schon bei den letzten Kirchentagen und Katholikentagen wurden die inhaltlichen Übereinstimmungen und Schnittmengen bei den Besucherinnen und Besuchern immer größer. Durch den Verzicht auf Katholikentage und Evangelische Kirchentage ab 2025 könnte der gemeinsame Ökumenische Kirchentag dem Kirchentreffen zu der kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Bedeutung führen, die die Katholikentage / Kirchentage einst hatten. Sie hätten es wieder verdient. Denn es gibt viele Themen, die beide Kirchen, gemeinsam gestalten sollten.

Back to the roots: Kirchentreffen sollten wieder spiritueller und politischer werden!

Doch das pure „Zusammenlegen“ von Katholikentag und Evangelischen Kirchentagen sollte nicht die einzige Maßnahme bleiben. Denn ein „weiter so“ ist bei den Katholikentagen so nicht möglich, wie auch ZdK-Generalsekretär Marc Frings bei der Abschlusspressekonferenz in Stuttgart betonte. Vielmehr sollten aus Sicht des Autors – der bereits viele Evangelischen Kirchentagen, Katholikentage und alle Ökumenischen Kirchentagen mit der Fotokamera begleitet hat- sich zukünftige (ökumenische) Kirchentreffen wieder „back to the roots“ gehen. Heißt: Spiritueller und politischer werden.

Spiritueller: Die „Pilgerreise“ und vor allem die Begegnung von Gemeindemitgliedern mit anderen Gläubigen war immer ein wichtiges Element der Kirchentreffen. Deren Herzstück bildeten mehr die Übernachtung in Turnhallen und bei Gastfamilien sowie der Austausch in den Gemeinden als die Diskussionen in den Messeräumen. Die spirituellen Elemente der Kirchentreffen sollten wieder mehr in den Vordergrund rücken (wobei sich Spiritualität nicht auf das Feiern Hl. Messen begrenzen sollte).

Und gleichzeitig sollten die Kirchentreffen auch wieder politischer werden und stärker über die reine „Kirchen-Bubble“ und „Komfortzone“ hinaus in Kirche, Politik und Gesellschaft hineinwirken. Bei früheren Kirchentagen wurde über Resolutionen gestritten und abgestimmt. Mit Demonstrationen, Menschenketten und Gebeten wurde gezeigt: Kirche lebt und hat die Zeichen der Zeit erkannt. Dieser Wunsch schließt den Kreis in der Frage, wie die Zukunft der Katholikentage aussehen könnte. Und warum sollte diese Zukunft nicht ökumenisch und auch digitaler (hybrider) sein?!