Digitale Kirche: Booster zünden!

Der 3. Ökumenische Kirchentag 2021 ist beendet. Er war digital und wurde aus Frankfurt am Main gestreamt. Die Corona-Pandemie hat den Kirchen einen unplanmäßigen Digitalisierungsschub erbracht. Ein Kommentar zur Frage, ob die digitale Kirche und die Ökumene genügend Schwung bekommen haben oder ob beim Wiedereintritt in den Kirchenalltag ein Verglühen droht?

Peter Bongard

Im Vorfeld war die Skepsis zu spüren, bei Kirchenfunktionär:innen und auch bei Journalist:innen: Sind die evangelische und die katholische Kirche fit genug für einen digitalen Kirchentag? Kann dieser genügend Menschen erreichen und die kirchlichen und gesellschaftlichen Debatten mitgestalten? Und nicht zuletzt: Kann der dritte ökumenische Kirchentag (nach Berlin 2003 und München 2010) starke Zeichen für mehr Ökumene, insbesondere in der Frage der gemeinsamen Abendmahlfeier, setzen?

Auch wenn es vielleicht im Vorfeld nicht zu erwarten war, lautet die Antworten auf die Fragen: Drei Mal ja. Ja, die Zahlen stimmen (160.000 digitale Teilnehmende auf der Website, 100 zentrale Veranstaltungen, 400 gemeldete dezentrale Veranstaltungen).

Ja, die Impulse in Kirche und Gesellschaft insbesondere im Bereich Klimapolitik und teilweise auch im Bereich Aufbereitung des sexuellen Missbrauchs wurden gesetzt. Im Wahljahr bezogen die Kirchen Stellung. Und teilweise gelang es auch, eigene Themen (z.B. Miteinander der Kirchen) zu platzieren.

Und ja, das stärkste Zeichen für mehr ökumenische Gemeinschaft fand nicht in Pressekonferenzen oder Podien statt, sondern am Altar. Wie fast überall im Kirchenalltag üblich, nahmen Katholiken als Gäste am evangelischen Abendmahl teil und umgekehrt. Kein gemeinsames Mahl, aber ein Zeichen der Verbundenheit im Alltag. Und ist dies nicht viel mehr wert?

Mut zu Aufbrüchen

Trotzdem war bei weitem nicht alles perfekt beim ersten rein digitalen Kirchentag. Zunächst streikte ganz simpel die Technik, als die Server teilweise zusammenbrachen. Dann gab es Diskussionen über die Frage warum den Betroffenenbeiräten nur sieben Minuten Redezeit zugestanden wurden, kirchlichen Amtsträgern (insbesondere Bischöfe) aber viel mehr. Und zudem gab es Kritik, dass die Teilnehmenden zu wenig eingebunden bzw. aktiv beteiligt wurden. Trotzdem ist das Experiment Digitalisierung trifft Kirchentag größtenteils geglückt. Und dies ist auch den Mut der Veranstalter zu verdanken. Statt Absage neue Wege zu gehen, wohlwissend, dass beide Kirchen noch viel Nachholbedarf im Bereich Digitalität haben. Aber ohne Aufbrüche und ohne „trial and error“ kann #digitalekirche nicht gelingen. Und Ökumene erst recht nicht.

„Mehr Schwung und Mut zum Miteinander“

So betitelte der Bund der Deutschen Katholischen Jugend sein Fazit zum 3. ÖKT. Trotz positiver Signale in Frankfurt drücken die Vertreter:innen der katholischen Jugend wie auch schon beim Synodalen Weg auch im Bereich Ökumene aufs Tempo. Und die Generationen Y und Z wollen auch konkrete Veränderungen. „Es reicht nicht die Ökumene nur in Worten und Festen zu zelebrieren. Ökumene bedeutet auch gemeinsam Mahl zu feiern. Für uns ist es unbegreiflich, wenn diese Einheit der Kirchen weiter blockiert wird, insbesondere aus Rom“, betonte der BDKJ-Bundesvorsitzender Gregor Podschun. Auch der Ökumenebischof Gerhard Feige zog eine gemischte Bilanz.

Booster zünden!

Bereits bei der virtuellen Tagung „Kirche im Web“ 2021 war im März zu spüren gewesen, dass sich die Kirchen in Deutschland zwar im Bereich im Digitalisierung nach vorne bewegen, aber noch viel Nachholbedarf haben. Ähnlich fällt das Fazit zum 3. ÖKT jetzt im Mai aus. Beide, die evangelische und die katholische Kirche, haben es geschafft, die analoge Umlaufbahn zu verlassen. Aber wenn jetzt nicht der Booster gezündet wird, droht ein Verglühen des bereits mühevoll Erreichtem beim Wiedereintritt in den Kirchenalltag. Statt immer wieder an den großen Fragen z.B. der Mahlgemeinschaft, an Rom zu stolpern, sollte lieber das ökumenische Miteinander in den Gemeinden und Pfarreien ausgebaut werden. Auch im Bereich der Digitalisierung und bei der Frage, wie digitale Kirchtürme gemeinsam geschaffen werden können.

Und bei den Kirchentagen? Warum sollte es in naher Zukunft nicht nur noch ökumenische Kirchentage geben und die Katholikentage sowie die evangelischen Kirchentage obsolet werden? Doch dazu braucht es mehr Mut und die Bereitschaft traditionelle Wege zu verlassen. Booster an!

Dazu: #digitalekirche - Von Chancen und Herausforderungen das Netz zu gestalten (explizit.net, 13.03.2021)
„Die Ökumene braucht mehr Schwung und Mut zum Miteinander“ (BDKJ, 16.05.2021)