„Antiqua et nova“: „Epochenwandel“ im Verhältnis von künstlicher Intelligenz und Menschen

„Antiqua et nova“, die Note „über das Verhältnis von künstlicher Intelligenz und menschlicher Intelligenz“ liegt nun als deutschsprachige Broschüre vor. Welches Vermächtnis hinterlässt das von Papst Franziskus Anfang dieses Jahres approbierte Vatikandokument? Und inwieweit greift sein Nachfolger, Papst Leo XIV., das Dokument auf?

Fotocredit: KI-generiert mit Chat GPT 4O

Der verstorbene Papst Franziskus hatte bereits in mehreren Verlautbarungen vor den Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz gewarnt und sie als Teil eines „Epochenwandels“ bezeichnet. Das Vatikandokument „Antiqua et nova“, das am 28. Januar 2025 veröffentlicht und am 17. Juni 2025 von der Deutschen Bischofskonferenz in deutscher Sprache zugänglich gemacht wurde, verknüpft diese zu einer Anthropologie als Antwort auf die „KI-Revolution“. Papst Franziskus beschreibt dies als „Epochenwandel, der die Menschen dazu bringt, ihre Identität und die Rolle in der Welt zu hinterfragen“.

Zu den Besonderheiten der Vatikan-Note gehört die Unterscheidung zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz. In der „Antiqua et nova“ wird benannt, dass allein schon die Verwendung des Wortes „Intelligenz“ in Bezug auf KI – „irreführend“sei. „Aus dieser Perspektive sollte die KI nicht als eine künstliche Form der Intelligenz gesehen werden, sondern als eines ihrer Produkte“, betont Papst Franziskus. Diese begriffliche Klarstellung dient als anthropologische Grundlage für alle ethischen Überlegungen.

Eine weitere zentrale Aussage von „Antiqua et nova“ liegt in der konsequenten Betonung der Menschenwürde als oberstem Bewertungskriterium für KI-Anwendungen. Die Vatikan-Note fordert, dass „die KI stets den höchsten Wert der Würde eines jeden Menschen und die Fülle seiner Be- rufung wahrt und fördert“.

Papst Leo XIV. greift „Antiqua et nova“ auf und setzt eigene Akzente

Papst Leo XIV. hat bereits in den ersten Wochen seines Pontifikats deutlich gemacht, dass die Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz zu den zentralen Aufgaben seiner Amtszeit gehören wird. Der neue Papst greift dabei konsequent die Argumente der vatikanischen Note „Antiqua et nova“ auf und entwickelt sie programmatisch weiter.

In seiner ersten offiziellen Ansprache an das Kardinalskollegium am 10. Mai 2025 betonte Leo XIV.: „Und heute bietet die Kirche allen den Schatz ihrer Soziallehre an, um auf eine weitere industrielle Revolution und auf die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz zu antworten, die neue Herausforderungen im Hinblick auf die Verteidigung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Arbeit mit sich bringen“. Damit greift der Pontifex direkt die Kernthese von „Antiqua et nova“ auf, das KI als epochale Herausforderung für die Menschenwürde identifiziert hatte.

Darüber hinaus setzt Papst Leo XIV. aber auch neue Akzente, indem er noch stärker ethische Aspekte und besonders den Schutz von Kindern und Jugendlichen betont: „Alle von uns, da bin ich sicher, sorgen sich um Kinder und junge Menschen und die möglichen Folgen des KI-Einsatzes auf ihre intellektuelle und neurologische Entwicklung.“

Ein weiterer Punkt, in dem Leo XIV. „Antiqua et nova“ aufgreift und weiterentwickelt, ist die Charakterisierung von KI als „Werkzeug“. Leo zitiert dabei seinen Vorgänger Franziskus: Künstliche Intelligenz sei ein „außergewöhnliches Produkt menschlichen Genies“, bleibe aber „vor allem ein Werkzeug“. Papst Leo XIV. entwickelt diese instrumentelle Sicht weiter, indem erwarnt: „In einigen Fällen wurde KI auf positive und sogar noble Weise eingesetzt, um mehr Gleichheit zu fördern. Aber es besteht auch die Möglichkeit, dass sie zum egoistischen Vorteil auf Kosten anderer missbraucht wird oder, schlimmer noch, Konflikte und Aggressionen schürt.“

Fazit: „Antiqua et nova“: Meilenstein und programmatisches Grundlagewerk

„Antiqua et nova“ von Papst Franziskus markiert einerseits einen Meilenstein im Verhältnis der katholischen Kirche zum Thema Künstliche Intelligenz. Denn die Note ist nicht nur eine Stellungnahme zu einer der wichtigsten technologischen Entwicklungen dieses Jahrhunderts, sondern ist eine theologische und anthropologische Antwort auf die drängende Frage: Wie erfolgt der ethische Umgang mit Künstlicher Intelligenz?

Die Vatikan-Note ruft zudem dazu auf, „sich intensiv mit den ethischen und anthropologischen Fragen auseinanderzusetzen, die KI aufwirft“, und ist damit auch in der Frage, wie Künstliche Intelligenz für die pastorale Arbeit eingesetzt werden kann, bedeutend.

Andererseits greift Papst Leo XIV. in seinen ersten Verlautbarungen „Antiqua et nova“ nicht nur auf, sondern macht das Thema Künstliche Intelligenz programmatisch zur Grundlage seines Pontifikates, in dem er einen Bogen von der industriellen Revolution zur KI-Revolution zieht. Ganz im Sinne des von Papst Franziskus gewählten Titels „Antiqua et nova“, welche alte und neue Weisheiten zu verbinden sucht.

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Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)